# taz.de -- Wohnungsbaupolitik in Niedersachsen: Nicht mal Geld für Löcher im Dach
       
       > 2021 blieb die Zahl neuer Wohnungen in Niedersachsen konstant. Nun warnt
       > die Immobilienwirtschaft vor einer Vollbremsung beim sozialen
       > Wohnungsbau.
       
 (IMG) Bild: Zu wenig und zu teuer: Neubauten gehen immer mehr am Bedarf vorbei
       
       HANNOVER taz | Es ist kaum zu glauben, dass sich in Sachen Wohnungsmarkt
       die Alarmmeldungen noch toppen lassen. Zu sehr hat man sich in den letzten
       Jahren daran gewöhnt, dass hier ein Negativrekord nach dem anderen
       aufgestellt wird: Mieten und Grundstückspreise haben immer neuere Höhen
       erreicht.
       
       Doch nun das: Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in
       Niedersachsen und Bremen (VDW) sagt eine abrupte Vollbremsung beim sozialen
       Wohnungsbau voraus. Geht es tatsächlich noch schlimmer?
       
       Anlass ist eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen, an der rund die
       Hälfte der VDW-Mitglieder, insgesamt 81 sozial orientierte Genossenschaften
       und kommunale Gesellschaften, teilnahmen. Von denen wiederum kündigte eine
       überwältigende Mehrheit an, Neubau- und Modernisierungsprojekte zurück zu
       stellen oder sogar ganz aufzugeben.
       
       Grund ist die Preisentwicklung im Bausektor, die eine solide Kalkulation
       und Ausschreibung aktuell unmöglich macht, sagt der VDW. [1][Zum schon
       lange beklagten Anstieg der Baukosten] – auch aufgrund steigender
       Anforderungen – kommen nun noch fehlende Baumaterialien aufgrund der
       einbrechenden Lieferketten, knappe Kapazitäten bei den ausführenden Firmen,
       teure Baugrundstücke und neuerdings auch wieder steigende Hypothekenzinsen,
       [2][listet VDW-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt auf.]
       
       ## Das Problem betrifft längst auch die Mittelschicht
       
       Diese Wende käme auch deshalb so überraschend, weil sich das
       Investitionsvolumen in den letzten Jahren eigentlich kontinuierlich nach
       oben entwickelt habe, sagt Schmitt. Insbesondere der Neubau habe in der
       vergangenen Dekade mächtig zugelegt: 2011 wurden 105,7 Millionen Euro
       investiert, 2021 waren es 773,0 Millionen Euro.
       
       „Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem
       Neubaurückgang in unserem Verband von jährlich bis zu 1500 Wohneinheiten ab
       2023.“ Und auch im Bereich Modernisierung, Sanierung und Instandsetzung
       werden Projekte auf Eis gelegt.
       
       Das ist deshalb bitter, weil Niedersachsen – wie andere Länder auch –
       ohnehin hoffnungslos hinterherhinkt, was die Schaffung von bezahlbarem
       Wohnraum angeht. Jedes Jahr, rechnet etwa die Landesarmutskonferenz
       unermüdlich vor, fallen mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung als neue
       geschaffen werden.
       
       Und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt, dass dies schon lange nicht
       mehr nur die Haushalte mit dem ganz schmalen Geldbeutel treffe: Neben
       Geringverdienern, Rentnern, Azubis, Studierenden und Alleinerziehenden
       werde es auch für Angehörige der Mittelschicht zunehmend schwierig, die
       steigenden Wohnkosten zu stemmen oder gar Wohneigentum zu erwerben.
       
       ## Landeswohnungsbaugesellschaft ist keine schnelle Lösung
       
       Im politischen Raum wird deshalb [3][schon länger die Idee einer
       Landeswohnungsbaugesellschaft ventiliert]. Vor allem SPD und Grüne halten
       den Verkauf der Niedersächsischen Landeswohnungsbaugesellschaft (NILEG)
       2005 durch die CDU-FDP-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten
       Christian Wulff (CDU) für einen fatalen Fehler.
       
       Innerhalb der aktuell regierenden großen Koalition konnte sich die SPD mit
       ihren Vorstellungen aber nicht gegen die CDU durchsetzen. Am vergangenen
       Wochenende kürte die SPD die Gründung [4][einer neuen
       Landeswohnungsbaugesellschaft nun zu einer der zentralen
       Wahlkampfforderungen.]
       
       Kritiker aus CDU und FDP monieren, dass die Gründung einer weiteren
       Gesellschaft letztlich Augenwischerei sei. „Die Bedingungen zum Bau von
       Wohnraum wären die gleichen wie sie jetzt auch kommunale
       Wohnbaugesellschaften oder Baugenossenschaften haben“, sagt etwa Susanne
       Schütz (FDP).
       
       Man müsse doch auch einmal so ehrlich sein zu sagen, dass Bauen gerade aus
       verschiedenen Gründen sehr teuer sei – und viele davon könnte die
       Landespolitik gar nicht beeinflussen. Dazu würde die Schaffung einer
       weiteren, übergeordneten Struktur ja erst einmal auf den gleichen
       Fachkräftemangel stoßen, der den Bauämter und sonstigen
       Genehmigungsbehörden heute schon zu schaffen mache.
       
       Eine kurzfristige Lösung wäre eine Landeswohnungsbaugesellschaft
       tatsächlich nicht, das sagen auch Befürworter. Das wurde zum Beispiel bei
       einem Austausch im Januar deutlich, als Niedersachsens Bauminister Olaf
       Lies (SPD) bei seiner bayerischen Amtskollegin Kerstin Schreyer (CSU) nach
       den Erfahrungen mit der 2018 gegründeten BayernHeim GmbH fragte.
       
       Die Gründung und der Aufbau eines solchen Unternehmens sowie die
       anschließende Vorbereitung und Umsetzung von Bauvorhaben nehme Zeit in
       Anspruch, hieß es da. Zum Zeitpunkt des Gespräch – vier Jahre nach der
       Gründung – hatte die BayernHeim nach Angaben des Ministeriums „mittlerweile
       mehr als 3.000 Wohnungen in Bestand, Bau oder Planung“.
       
       Das ist viel zu wenig, um auf dem Mietmarkt eine preisdämpfende Wirkung zu
       entfalten. Zum Vergleich: Große kommunale Wohnungsbauunternehmen wie die
       hanova (ehemals GBH) oder auch ihre bayerischen Pendants in München und
       Nürnberg haben bis zu 16.000 Wohnungen im Bestand.
       
       24 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Explodierende-Baukosten/!5845940
 (DIR) [2] https://vdw-online.de/vollbremsung-beim-wohnungsbau-als-reaktion-auf-steigende-baukosten/
 (DIR) [3] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Landeswohnungsbaugesellschaft-Patt-im-Landtag-in-Hannover,wohnungsbau468.html
 (DIR) [4] https://www.spdnds.de/wohnraum-schaffen/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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