# taz.de -- Proteste gegen Kissinger-Lehrstuhl: Als Vorbild ungeeignet
       
       > Das Verteidigungsministerium möchte den ehemaligen US-Außenminister Henry
       > Kissinger mit einem Lehrstuhl ehren. Eine Bonner Initiative ist dagegen.
       
 (IMG) Bild: Das ehemalige Kurfürstliche Schloss gehört heute zur Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität von Bonn.
       
       KÖLN taz | In Bonn regt sich Protest gegen die für dieses Jahr geplante
       Einrichtung einer „Henry-Kissinger-Professur“. Studierende wollen
       verhindern, dass an der Bonner Universität ein maßgeblich vom
       Bundesverteidigungsministerium finanzierter Völkerrechtslehrstuhl nach dem
       Exaußenminister der USA benannt wird, dem Kriegs- und
       Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden.
       
       Für die von der Bundesregierung initiierte Henry-Kissinger-Professur will
       das von Ursula von der Leyen geführte Ministerium für fünf Jahre jährlich
       bis zu 250.000 Euro springen lassen.
       
       Hinzu kommen weitere 50.000 Euro pro Jahr, die vom Außenministerium für den
       Lehrstuhl „für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung unter
       besonderer Berücksichtigung sicherheitspolitischer Aspekte“ an der
       Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zur Verfügung gestellt
       werden sollen. Mit jährlich wechselnden GastprofessorInnen soll im nächsten
       Wintersemester der Lehr- und Forschungsbetrieb aufgenommen werden.
       
       Jenseits seiner beiden Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München
       kooperiert das Bundesverteidigungsministerium mit einer Reihe von
       Hochschuleinrichtungen. Von der mit 223.000 Euro beglückten Sporthochschule
       Köln bis zur Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, für die rund 1
       Million Euro eingeplant war: Der Etat des Verteidigungsressorts für das
       Haushaltsjahr 2013 beinhaltete Ausgaben für 31 Forschungsaufträge an 26
       Fachhochschulen und Universitäten quer durch die Republik.
       
       Die Finanzierung eines Lehrstuhl gehörte jedoch nicht dazu. Von daher ist
       die geplante Bonner Stiftungsprofessur ein Novum. Von einer „unzulässigen
       Einmischung in die zivile Hochschullandschaft“, spricht der Allgemeine
       StudentInnenausschuss (AStA) an der Uni Bonn.
       
       Bekannt wurde die Einrichtung der Stiftungsprofessur Ende Mai vergangenen
       Jahres anlässlich des 90. Geburtstags Kissingers, der zwischen 1969 und
       1977 unter den US-Präsidenten Nixon und Ford erst nationaler
       Sicherheitsberater und dann Außenminister war. Der deutschstämmige
       Politiker sei „einer der großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts
       und ein brillanter Wissenschaftler“, würdigte ihn der damalige
       Verteidigungsminister Thomas de Maizière.
       
       Mit dem Lehrstuhl wolle die Bundesregierung „sicherstellen, dass die
       außerordentlichen Leistungen Henry Kissingers auf den Gebieten der
       Diplomatie, Strategie und der transatlantischen internationalen Beziehungen
       die sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte dauerhaft beflügeln“.
       
       ## Schwere Vorwürfe
       
       Die Studierendenvertretung sieht das anders. Schließlich würden gegen
       Kissinger schwere Vorwürfe erhoben, für Kriegsverbrechen und Verbrechen
       gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. „Solange die bestehenden
       Beschuldigungen nicht restlos ausgeräumt werden, ist die beabsichtigte
       akademische Ehrung nicht akzeptabel“, sagte die AStA-Vorsitzende Alena
       Schmitz von der Grünen Hochschulgruppe.
       
       Unter Verweis auf Kissingers Mitverantwortung für die Bombardements von
       Kambodscha und Laos während des Vietnamkriegs, seine Unterstützung des
       indonesischen Überfalls auf Osttimor 1975 sowie seine unrühmliche Rolle
       beim Militärputsch in Chile 1973 hat das Studierendenparlament in einer
       Resolution die Uni-Leitung aufgefordert, auf die Stiftungsprofessur zu
       verzichten.
       
       Es sei „fraglich, ob Henry Kissinger aufgrund der von ihm verantworteten
       Politik als Vorbild für Wissenschaft und Lehre des Völkerrechts geeignet
       ist“, heißt es in dem Beschluss.
       
       ## Stadtrat will sich nicht einmischen
       
       Die Grünen und die Linkspartei haben die Kritik aufgegriffen. Mitte
       Dezember scheiterten die beiden Parteien allerdings mit ihrem Versuch, den
       Bonner Stadtrat dazu zu bewegen, sich hinter die ablehnende Resolution des
       Studierendenparlaments zu stellen. Mit der formalen Begründung, es handele
       sich um einen inneruniversitären Vorgang, nahm der Rat mit den Stimmen von
       CDU, SPD, FDP und der Wählergemeinschaft BürgerBundBonn das Thema von der
       Tagesordnung. Zuvor hatte die Uni-Leitung die Kritik an der Namensgebung in
       einer schriftlichen Stellungnahme zurückgewiesen.
       
       „Kissinger als Person mag ambivalent zu bewerten sein, ausschlaggebend für
       die Professur ist jedoch vor allem sein positives Wirken für Deutschland
       und insbesondere die deutsch-amerikanischen Beziehungen“, schrieb Torsten
       Schlageter, persönlicher Referent von Rektor Jürgen Fohrmann, an den Bonner
       Rat.
       
       Die inzwischen von mehreren Hochschulgruppen mit Unterstützung der Grünen
       und der Linkspartei gegründete „Bonner Initiative gegen die
       Henry-Kissinger-Professur“ will sich davon nicht entmutigen lassen. Um über
       die dunkle Seite des politischen Lebenswerks Kissingers aufzuklären, hat
       sie eine Veranstaltungsreihe dazu gestartet.
       
       17 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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