# taz.de -- Kommentar Pkw-Maut: Fehler aus Kalkül
       
       > Bürokratisch, ressentimentgetrieben – und noch nicht einmal finanziell
       > attraktiv: Bei der Pkw-Maut siegt Koalitionstreue über Rationalität.
       
 (IMG) Bild: Der politische Entstehungsprozess der Pkw-Maut gleicht einem Autounfall.
       
       Gesetze, an deren Sinn es Zweifel gibt, hat der Bundestag schon häufiger
       beschlossen. Die Pkw-Maut ist dennoch ein ungewöhnlicher Fall. Denn sie
       wurde am Freitag mit großer Mehrheit beschlossen, obwohl fast allen
       Beteiligten von vornherein klar war, dass sie in der geplanten Form
       völliger Unsinn ist.
       
       Dabei ist die Idee einer Finanzierung der Straßen durch die Nutzer nicht
       grundsätzlich verkehrt. Eine Maut, die wie in Frankreich von der gefahrenen
       Strecke abhängt, kann durchaus dazu beitragen, Kosten gerechter zu
       verteilen und das Autofahren weniger attraktiv zu machen – und dabei auch
       noch relevante Einnahmen erzielen.
       
       Doch darum ging es in Deutschland nie. Eine ökologische Lenkungswirkung ist
       nicht vorgesehen. Stattdessen soll die neue „Infrastrukturabgabe“, die im
       Wahlkampf noch deutlich ehrlicher als Ausländermaut bezeichnet wurde, vor
       allem Ressentiments gegen jene bedienen, die unsere Straßen benutzen, ohne
       sich an den (Plan- und Pflege-)Kosten zu beteiligen.
       
       Auch wenn diese Argument nur mäßig stichhaltig ist – schließlich zahlt
       jeder, der nicht nur im kleinen Grenzverkehr unterwegs ist, beim Tanken in
       Deutschland zumindest auch Mineralölsteuer –, hat die CSU damit offenbar
       einen Nerv getroffen: Etwa die Hälfte der Deutschen befürwortet die
       Ausländermaut.
       
       ## Die Einnahmeschätzung ist völlig illusorisch
       
       Das dürfte vor allem daran liegen, dass viele Details der Pläne in der
       Öffentlichkeit noch gar nicht richtig bekannt sind. So sind die von
       CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt eingeplanten Einnahmen in Höhe von
       500 Millionen Euro im Jahr – die ohnehin schon deutlich unter den
       ursprünglichen Ankündigungen lagen – nach Ansicht fast aller Experten
       völlig illusorisch. Finanzminister Wolfgang Schäuble hält es sogar für
       möglich, dass die Maut am Ende mehr kostet als einbringt, darf das aber auf
       Druck der CSU nicht mehr laut sagen.
       
       Um die Maut zu verhindern, hatten CDU und SPD im Koalitionsvertrag zwei
       Bedingungen festgelegt, die sie für unerfüllbar hielten: Sie müsse EU-Recht
       einhalten, das aber eine Diskriminierung von Ausländern verbietet. Und sie
       dürfe keinen deutschen Autofahrer zusätzlich belasten. Entgegen der
       allgemeinen Erwartung hat Dobrindt ein Gesetz vorgelegt, das diese
       Anforderungen zumindest möglicherweise erfüllt. Doch der Preis dafür war,
       dass die veranschlagten Einnahmen immer weiter sanken und der bürokratische
       Aufwand immer weiter stieg.
       
       Um die allenfalls minimalen Einnahmen zu erzielen, baut Deutschland neben
       einer neuen Mautbehörde und einem privaten Betreiberunternehmen eine
       Infrastruktur zur Überwachung auf, bei der alle Kennzeichen automatisch
       gescannt werden – was trotz Zugeständnissen bei der Speicherung unter
       Datenschützern für Bedenken sorgt. Und ob die EU der Regelung zustimmt, ist
       weiterhin offen.
       
       ## Balsam für die CSU
       
       Für die CSU ist die Maut trotz aller bekannten Mängel ein großer Erfolg:
       Indem sie sie zu ihrer zentralen Bedingung für die Koalition machte, hat
       sie nicht nur die SPD zur Zustimmung genötigt, sondern auch die große
       Schwesterpartei CDU, deren Vorsitzende Angela Merkel sich noch im Wahlkampf
       klar gegen die Maut ausgesprochen hatte – Balsam für das Selbstbewusstsein
       der Partei, deren bundespolitische Bedeutung zuletzt arg geschrumpft war.
       
       Und selbst wenn die EU das Gesetz nach langem juristischem Streit
       irgendwann stoppt, wird die CSU das nicht als Niederlage interpretieren,
       sondern als mutigen Versuch, sich gegen Brüssel durchzusetzen. Blamiert
       wären dann eher SPD und CDU, denen der Koalitionsfrieden wichtiger war als
       die Vernunft. Bei der „Mövenpick-Steuer“ durfte Merkel ja schon einmal
       erleben, wie eine falsche Entscheidung eine ganze Legislaturperiode prägen
       kann.
       
       Und für solche Fehler sind eben nicht nur diejenigen verantwortlich, die
       sie verlangen – sondern auch diejenigen, die sie aus taktischen Gründen
       akzeptieren.
       
       27 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Alexander Dobrindt
 (DIR) Pkw-Maut
       
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