# taz.de -- Hongkonger Regimekritikerin: „Das gewöhnliche Volk leidet“
       
       > Zorn und Frust mischen sich in Honkong. Die Politikerin Emily Lau sieht
       > mit Sorge, wie sich die Haltung Pekings zu den Protesten verhärtet.
       
 (IMG) Bild: Emily Lau (m.) lässt sich auch von der Polizei nicht einschüchtern.
       
       BERLIN taz | „Wenn ich zurück in Hongkong bin, werde ich festgenommen“,
       sagt Emily Lau bei ihrem Besuch in Berlin und nippt an ihrem Tee. „Denn ich
       habe mich an den Protesten für mehr Demokratie beteiligt.“ Die 63-Jährige
       ist Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei Hongkongs und
       Abgeordnete im Legislativrat.
       
       Die frühere Journalistin ist eine der profiliertesten
       RegierungskritikerInnen der einstigen britischen Kronkolonie. Sie
       unterstützte wie hunderttausend andere die von Schülern und Studenten
       begonnene Proteste („Regenschirm-Bewegung“) gegen Chinas Zentralregierung.
       Sie wollen 2017 ihren Regierungschef direkt wählen.
       
       Nach der Miniverfassung der „Sonderverwaltungsregion“, die seit 1997 Teil
       der Volksrepublik China ist, wäre das möglich. Doch Peking will die Auswahl
       der Kandidaten kontrollieren – was einer freien Wahl widerspricht. „Sie
       sagen, eine allgemeine freie Wahl untergrabe die nationale Sicherheit“,
       sagt Lau.
       
       Pekings Funktionäre täten so, „als wollte al-Qaida in Hongkong Kandidaten
       aufstellen“. Peking fürchte offenbar, dass freie Wahlen in Hongkong
       ansteckend sein können – sich auf die Schanghaier oder die Bewohner
       Sichuans auswirken könnten, die sich dann fragen würden, „warum sie nicht
       auch frei wählen dürfen“.
       
       ## Mehrfache Festnahmen
       
       „Eigentlich wollten sie mich schon letzte Woche festsetzen“, sagt Lau.
       „Aber ich habe gesagt: Das passt jetzt nicht, ich muss erst nach
       Deutschland fahren, ich leite eine Delegation.“ Darauf habe man ihr einen
       neuen Termin gesetzt. „Am 12. März um 9.30 Uhr soll ich in der Polizeiwache
       Wanchai erscheinen.“
       
       Sehr besorgt klingt die Politikerin nicht. Es wäre ihre vierte Festnahme –
       das erste Mal landete sie noch unter den Briten bei der Polizei. Man werde
       ihr jetzt wohl anbieten, eine Kaution zu zahlen. Das werde sie ablehnen,
       weil sie nur ihr Demonstrationsrecht wahrgenommen habe. Und dann, hofft
       sie, „wird ihnen nichts übrig bleiben, als mich gehen zu lassen“.
       
       Inzwischen sind die Protestcamps in der 7-Millionen-Einwohner-Metropole
       geräumt, immer mehr der Teilnehmer landen hinter Gittern. Zugleich heizt
       sich die Stimmung auf. „Peking mischt sich immer stärker in Hongkongs
       innere Angelegenheiten ein“, sagt Lau. Die Korruption nehme zu, der Filz
       zwischen Peking-treuer Verwaltung und Hongkongs Tycoons werde dichter. „Die
       Schirm-Bewegung ist auch ein sozialer Protest gegen wachsende Ungleichheit
       und Perspektivlosigkeit.“ Lau blickt besorgt auf die Hongkonger, die immer
       wütender werden. Der Zorn richtet sich derzeit gegen „Festlandschinesen“,
       die nach dem Eindruck der Einheimischen die Stadt überrennen.
       
       ## Unregulierter Parallelhandel
       
       Zuletzt kam es zu Massenprügeleien zwischen Hongkongern und Besuchern aus
       der Volksrepublik. Die Einheimischen störe vor allem, dass täglich
       Hunderttausende vom Festland kämen, um in China begehrte Kosmetik,
       Milchpulver, Medikamente billig einzukaufen und dann jenseits der Grenze
       wieder zu verkaufen. Damit trieben sie in Hongkong die Preise hoch. „Das
       gewöhnliche Volk leidet“, sagt Lau.
       
       Dieser „Parallelhandel“, wie er in Hongkong genannt wird, müsse „besser
       reguliert und beschränkt werden“, fordert sie. „Sonst gibt es noch
       gewaltsamere Konfrontationen.“ 2014 kamen 60 Millionen Besucher. Das sei
       „viel zu viel“ für so ein kleines Gebiet wie Hongkong, dessen Fläche etwa
       eineinhalbmal so groß wie die Berlins ist. Lau will die Zahl der
       Kauf-Touristen stark beschränken. Denkbar wären auch große Supermärkte an
       der Grenze, um den Strom ins Zentrum einzudämmen. Doch bevor sie sich mit
       diesem Problem herumschlägt, muss sie ihren eigenen Kopf aus der Schlinge
       ziehen.
       
       11 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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