# taz.de -- Kolumne Der Rote Faden: Koranfrickeln in Rakka
       
       > Das Niveau der Mohammed-Verehrung sinkt, manche würden gerne Griechen
       > foltern und statt Hölle gibt es nur Guantánamo. Ein Wochenrückblick.
       
 (IMG) Bild: Am Dienstag veröffentlichte Isis das Video vom Mord an einem jordanischen Piloten.
       
       Das Niveau der Prophetenverehrung beim Islamischen Staat sinkt.
       [1][„Niemand darf mit dem Feuer bestrafen außer Gott.“] So hat es
       [2][Mohammed gesagt], und wenn bisher etwas die Kernkompetenz der Herren
       aus Rakka war, dann doch wohl die wortwörtliche Befolgung von Koran und
       prophetischen Ratschlägen. Doch seit sie Anfang der Woche das Video von der
       Verbrennung eines jordanischen Piloten ins Internet gestellt haben, ist
       klar: Die nehmen sich aus der guten alten Zeit auch nur das, was sie gerade
       brauchen.
       
       Der Prophet habe das mit dem Verbot der Verbrennung damals nicht wörtlich
       gemeint, verlautbarte al-Baghdadis Truppe, sondern irgendwie als „Ausdruck
       menschlicher Demut“.
       
       Das kennt man sonst von Politically Incorrect oder aus Dresden: Hier eine
       Sure genommen, da ein Rülpser aus den Hadithen zitiert, und fertig ist der
       Islamfaschismus. Isis im Pegida-Modus. Die Kalifatskämpfer möchten gern
       direkt aus dem Mittelalter kommen, sind aber so gegenwärtig wie die
       iPhones, die sie benutzen. Interpretation bedeutet Moderne.
       
       Hierzulande wird die Selbstbeschreibung der Dschihadisten gern übernommen,
       sie seien ein archaischer Stamm, der aus der Fremde ferner Zeiten und
       Länder über den Jetztmenschen gekommen sei. [3][Auch Außenminister
       Frank-Walter Steinmeier erzählt diese Mär, wenn er sagt: „Sollte sich das
       Video als echt erweisen, läge das jenseits aller menschlichen
       Vorstellungskraft. Einmal mehr würde Isis zeigen, dass sie außerhalb der
       zivilisatorischen Normen agieren.“] 
       
       Das wäre dann doch die Frage: wie Zivilisation definiert wird. Das Römische
       Reich, Quelle unserer Kultur, gepriesen wegen seiner Wasserklos – leider
       ein Folterstaat. Die deutschen Länder bis ins 18. Jahrhundert:
       Folterstaaten. Gerade das Verbrennen war lange eine Lieblingsbeschäftigung
       des christlichen Abendlandes. Und der Holocaust … Aber gut, das ist alles
       so lange her. Heute ist die Lust am Grausamen allenfalls noch Stoff für
       Späße unter Freunden.
       
       „Griechenland buhlt um die Hilfe der Deutschen – im Finanzministertreffen“,
       schreibt @FranziNeubauer beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Für den
       Finanzvernichter hätte ich etwas spezielles!“, schreibt @Harald70199
       zurück. Und postet ein Bild von einem Pranger mit einer als Hexe
       verkleideten Frau. Es hat etwas von Mittelaltermarkt, es ist beinahe
       niedlich. Das findet auch @DeisterEdith: „Untertreib nicht immer so.“ „Ok
       dann leg ich was drauf!“, schreibt @Harald70199 und schickt eine
       Illustration von einem Mann, der aufs Rad geflochten wird. Was soll die
       Folter in Gedanken …
       
       Ein Einzelfall. Sicherlich. Und eine Verletzung der journalistischen Regel,
       nicht irgendwelche Hampel aus dem Internet zu zitieren, also zurück zu
       bedeutenden Hampeln, die öffentlich zu ihren Gelüsten stehen.
       
       [4][//news.vice.com/article/us-senator-guantanamo-detainees-can-rot-in-hell
       :Die Häftlinge im Lager Guantánamo sollten „in der Hölle verrotten“],
       findet der Senator des US-Bundesstaates Arkansas, Tom Cotton, „but as long
       as they can’t do that, they can rot in Guantanamo Bay“. Der Republikaner
       sagte das am Dienstag in dem Senatsausschuss, der das
       Verteidigungsministerium kontrollieren soll. Zuvor hatte ein Abgesandter
       des Ministeriums gesagt, das Lager auf Kuba sei zu einem
       Rekrutierungswerkzeug von Terroristen geworden. Es sei kein Zufall, dass
       die Henker des Islamischen Staates ihre Opfer in das Orange der Häftlinge
       von Guantánamo kleideten.
       
       Viele Häftlinge sitzen dort ein, ohne dass es einen Beleg für Verbrechen
       gäbe. Von den noch 122 Insassen sollten 54 eigentlich freigelassen werden.
       Und es wurde gefoltert. Vermeintlich sanft, wie US-Behörden behaupten, aber
       das liest sich [5][im kürzlich erschienen „Guantanamo-Tagebuch“ des
       mauretanischen Häftlings Mohamedou Ould Slahi] anders. Tortur in Schichten.
       Stundenlanges Stehen unter Ischiasschmerzen, angekettet; in den Pausen
       lassen Wärter den Häftling nicht schlafen. Wieder Stehen, zwischendurch
       Beschallung mit lauter Musik. Tagelang. Wochenlang.
       
       Slahi konnte nie eine Schuld nachgewiesen werden. Dennoch hat er kein
       antiamerikanisches Pamphlet geschrieben. Er unterscheidet zwischen
       freundlichen Bewachern und grausamen, zwischen den zurückhaltenderen
       Männern und Frauen des FBI und den hemmungslosen des Militärs. Und als er
       im Verhör barsch wird, weil ihm der Vernehmer nicht sagen will, warum er
       eigentlich gefangen gehalten wird, schreibt er: „Ich gebe zu, dass ich mich
       gegenüber ihm unhöflich verhielt, aber ich war wütend.“ Slahi reflektiert.
       Manchmal ist er sogar witzig.
       
       Ausgerechnet aus diesem Ort kommt also ein Zeugnis ebenjener
       Menschlichkeit, wie sie sich Frank-Walter Steinmeier vielleicht vorstellt.
       
       8 Feb 2015
       
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 (DIR) [2] http://www.blick.ch/news/ausland/koran-verbietet-verbrennungen-wie-sehr-schadet-sich-is-mit-dieser-barbarei-id3458331.html
 (DIR) [3] http://www.stern.de/politik/ausland/is-toetet-jordanische-geisel-pilot-bei-lebendigem-leib-verbrannt-2171006.html
 (DIR) [4] http://https
 (DIR) [5] /Tagebuch-eines-Guantanmo-Haeftlings/!153202/
       
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