# taz.de -- Griechische Finanz-Diplomatie: Tsipras’ Roadshow
       
       > Er kommt, lächelt, spricht und rast weiter: Wie Alexis Tsipras in Europa
       > für sein neues Griechenland wirbt.
       
 (IMG) Bild: Immer schön lächeln: Alexis Tsipras (l.) und François Hollande in Paris.
       
       BRÜSSEL/PARIS/ROM taz | „Kalimera“, begrüßt Europas Parlamentspräsident
       Martin Schulz per Handschlag den griechischen Premier. „Dein Griechisch
       macht Fortschritte“, freut sich Alexis Tsipras mit einem breiten Lächeln.
       Es ist der einzige Dialog, der bei Tsipras’ Blitzbesuch bei der EU
       veröffentlicht wird. Doch er ist typisch für die Stimmung. Entspannt und
       freundlich wird der Linkspolitiker auch von Kommissionschef Jean-Claude
       Juncker und Ratspräsident Donald Tusk empfangen. Küsschen links, Küsschen
       rechts, Umarmung, Schulterklopfen – so das immer gleiche Ritual.
       
       Alexis Tsipras befindet sich schon seit Wochenanfang auf einer
       umfangreichen Werbetour. Erst Nikosia, am Dienstag Rom, Mittwoch Brüssel
       und Paris – der griechische Ministerpräsident will Verständnis dafür
       wecken, dass sein Land die Schuldenlast so nicht länger tragen kann.
       
       Gelöst und gut gelaunt wirkten Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und
       Tsipras schon am Montagabend, als sie in Rom vor die Presse traten. „Wir
       sprechen die gleiche Sprache“, versicherte Tsipras. Renzi stellte zwei
       Dinge klar. Erstens sei auch Italien Griechenland-Gläubiger; und zweitens
       hätten die beiden „über technische Lösungen nicht gesprochen“. Dann aber
       legte er nach, gerade als Gläubiger habe Italien keinerlei Interesse, „den
       Schuldner zu erdrosseln“. Auch Italien will schließlich seit Monaten
       „Europa dazu bringen, dass mehr über Wachstum gesprochen wird“; das sei
       zwar „keine einfache Schlacht, aber „etwas in Europa ist in Bewegung
       geraten“.
       
       Renzis Botschaft war klar. „Bei allen Meinungsverschiedenheiten im Detail“
       sieht er Tsipras auch als Verbündeten, dem „wir helfen müssen, auch wenn
       wir ihm nicht immer recht geben“. Schließlich seien die beiden 40-Jährigen
       „geeint durch die Idee, der Politik wieder die Möglichkeit zu geben, die
       Dinge zu ändern und die jungen Generationen wieder näher an den Staat
       heranzuführen“. Ein Bonmot erlaubte sich Renzi dann auch noch: „Ich habe
       mein erstes Jahr als Premier damit zugebracht, in Europa als gefährlicher
       Linker und in Italien als gefährlicher Rechter angeklagt zu werden. Für
       mich ist es ein echter Segen, dass jetzt Tspiras auf der Bühne ist!“
       
       Von Stress oder gar Streit ist auch am Mittwoch in Brüssel nichts zu
       spüren. Die ersten krawalligen Regierungstage in Athen scheinen vergessen.
       Zu Gast bei Freunden – so lässt sich die Atmosphäre jetzt beschreiben.
       Während deutsche Politiker beständig ein Haar in der neuen griechischen
       Suppe finden, hören die EU-Verantwortlichen erst einmal zu. Fast anderthalb
       Stunden spricht Juncker mit Tsipras über das griechische Schuldendrama.
       Auch danach haben sie das Lächeln nicht verloren.
       
       ## Juncker und Tsipras lächeln
       
       Zufall ist das nicht. Juncker und Tsipras kennen sich schon aus dem
       Europawahlkampf 2014. Der Luxemburger war damals Spitzenkandidat der
       konservativen Europäischen Volkspartei, der Grieche warb für die
       Europäische Linke. Verstanden haben sie sich trotzdem. Juncker sprang
       Tsipras sogar bei einer Wahlsendung bei, als dieser sich standhaft
       weigerte, Englisch zu sprechen – und organisierte eine Simultanübersetzung.
       
       So etwas verbindet. Allerdings will sich Juncker auch nicht einwickeln
       lassen. Am Tag vor Tsipras’ Blitzbesuch in Brüssel warnte er: „Man wird
       nicht alles ändern wegen eines Wahlresultats, das einigen gefällt und
       anderen missfällt.“ Immerhin hat Juncker schon durchblicken lassen, was er
       ändern will: So möchte der EU-Kommissionschef die in Griechenland verhasste
       Troika der Gläubigerländer abschaffen. Das hat er schon im Europa-Wahlkampf
       erklärt; nun denken seine Experten über mögliche Alternativen nach.
       
       Auch für eine Umschuldung Griechenlands ist Juncker offen. Hinter den
       Kulissen laufen schon Gespräche mit der Europäischen Zentralbank und dem
       Internationalen Währungsfonds. Ein Schuldenerlass hingegen ist tabu, genau
       wie ein Ende der Spar- und Reformpolitik. Juncker will deshalb aber nicht
       bis zum Äußersten gehen und Griechenland mit einem Rauswurf aus dem Euro
       drohen. Ein „Grexit“ stehe nicht zur Debatte, heißt es in der
       EU-Kommission.
       
       Eine etwas andere, dunklere Tonlage wählt Ratspräsident Tusk. Er rechne mit
       schwierigen Gesprächen zwischen der griechischen Regierung und den
       Finanzministern der Eurozone, teilt Tusk nach der „offenen“ – sprich:
       schwierigen – Aussprache mit Tsipras mit. Für eine Einigung seien
       entschlossene Anstrengungen notwendig. Das klang schon fast so düster wie
       in Berlin. Ein Zufall ist das nicht: Tusk steht Angela Merkel nahe und hat
       zudem die undankbare Aufgabe, den nächsten EU-Gipfel zu organisieren. Die
       griechische Schuldenkrise wird dabei wohl zum Topthema werden.
       
       ## Verständnisvolle Freunde
       
       Spätestens seit dem herzlichen Empfang von Finanzminister Janis Varoufakis
       wusste Tsipras, dass er in Paris verständnisvolle Freunde treffen würde.
       Schließlich muss auch Frankreich wegen seines Haushaltsdefizits bei den
       EU-Partnern um Entgegenkommen bitten. Doch vielleicht ist die Atmosphäre in
       Paris beim Treffen mit Staatspräsident François Hollande doch weniger
       entspannt als in Rom.
       
       Für den protokollarisch steif auftretenden Hollande kommt es nicht infrage,
       auf seine gewohnte „Arbeitskleidung“ (Anzug und Krawatte) zu verzichten, um
       in Sachen Nonchalance mit seinem Gast zu wetteifern. Hollande unterstreicht
       die Bedeutung der europäischen Regeln, die alle, auch Frankreich,
       respektieren müssten, selbst wenn das nicht immer einfach sei.
       
       Eine schnelle Lösung erwartet niemand in Brüssel, Rom oder Paris. Auch eine
       Sondersitzung der Euro-Finanzminister dürfte noch keine Entwarnung bringen.
       Alle Beteiligten spielen auf Zeit. Erst Ende Februar ist Deadline, wenn
       Griechenland das Geld ausgeht. Das hindert Tsipras allerdings nicht, gute
       Laune zu verbreiten. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte der jugendliche
       Sonnyboy vor seinem Abschied aus Brüssel. „Ich bin sicher, dass wir eine
       für beide Seiten akzeptable Lösung für unsere gemeinsame Zukunft finden.“
       Jetzt muss nur noch die Kanzlerin mitspielen.
       
       4 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Rudolf Balmer
 (DIR) Michael Braun
       
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