# taz.de -- Kaube wird „FAZ“-Herausgeber: Scharfer Einzelfallprüfer
       
       > Jürgen Kaube wird der fürs Feuilleton zuständige „FAZ“- Herausgeber. Die
       > Entscheidung steht für ein Primat der Redaktion über die Medienmanager.
       
 (IMG) Bild: Von Jürgen Kaube (2 von l.) ist eine intellektuelle Gegenwartsbegleitung zu erwarten.
       
       Das könnte interessant werden. Der 52-jährige Jürgen Kaube wird nun also
       der fürs Feuilleton zuständige Herausgeber der FAZ werden und damit der
       Nachfolger des großen Debattenzampanos Frank Schirrmacher, der im Juni
       dieses Jahres überraschend starb. Eine Hauslösung. Bisher war Jürgen Kaube
       in der Frankfurter Zeitung für die Geisteswissenschaften zuständig. Auch
       eine Lösung mit Ecken und Kanten.
       
       Wie Jürgen Kaube sich vor einigen Monaten mit der Schriftstellerin Sibylle
       Lewitscharoff beschäftigte, war intellektuell ziemlich elegant und
       vielleicht sogar bezeichnend. Das war auf dem Höhepunkt der
       „Halbwesen“-Aufregung um die berüchtigte Dresdner Rede, die Autorin brachte
       in diskursiv ungünstiger Lage ihren neuen Roman „Killmousky“ heraus, einen
       Krimi. Jürgen Kaube ließ nun Aufregung Aufregung sein, las das Buch,
       stellte fest, dass es langweilig war, und fragte sich, warum das so ist.
       Fein säuberlich arbeitete er heraus, dass es Regeln gibt, denen
       Kriminalromane folgen müssen, damit es spannend wird, und dass
       Lewitscharoff diese Regeln missachtet hat. Das war in gewisser Weise noch
       viel entlarvender als die berechtigte Empörung über ihre Rede.
       Lewitscharoff stand als Möchtegernschriftstellerin da, die ihr Handwerk
       nicht beherrscht. So etwas bleibt hängen.
       
       In Porträts wird Jürgen Kaube gerne mit dem Attribut der Kühle beschrieben,
       genau in solchen Artikeln zeigt sie sich. Leser, die sich von
       Feuilletonisten eine warme, wohlwollende Zugewandtheit zu den schönen
       Dingen der Kultur versprechen, werden von ihm herausgefordert. Er betreibt
       Einzelfallprüfung, gelegentlich auch eine scharfe. Wenn als Ergebnis dieser
       Prüfung herauskommt, dass der Gegenstand interessant ist, auch Spaß bringt
       – schön. Zunächst aber besteht Kaube auf einem kritischen Abstand zum
       Gegenstand. Bildungsbeflissenen Floskeln gegenüber, nach denen man mit
       Kunst und Kultur die Gesellschaft heilen könne, kann er dagegen auch schon
       mal den bad boy heraushängen lassen.
       
       Mit dergleichen Akkuratesse und Kühle hat Kaube auch im Plagiatsfall
       Karl-Theodor zu Guttenberg agiert. Wenn sie im System der Wissenschaft
       agieren, müssen sich auch hohe Politiker den wissenschaftlichen Regeln
       unterwerfen, fertig. Moralisierung ist da gar nicht nötig. Man hängt das
       nicht zu hoch, wenn man behauptet, dass Kaube mit seinen scharfen
       Interventionen einiges zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers
       beigetragen hat. Was im konservativen Umfeld der FAZ für eine hohe
       Bereitschaft zu Druckresistenz spricht.
       
       Aus der Schule von Niklas Luhmann 
       
       Jürgen Kaube selbst kommt aus der Schule des Soziologen Niklas Luhmann,
       dessen Gesellschaftstheorie gerade nicht auf Konsens ausgerichtet ist (wie
       die seines großen Konkurrenten Jürgen Habermas), sondern auf Differenzen
       und Unterscheidungen. Es ist gut, diesen Aspekt bei Kaube stets im
       Hinterkopf zu haben. Von Niklas Luhmann stammt auch die für
       feuilletonistische Debatten fundamentale, gleichwohl oft missachtete
       Einsicht, dass es nichts bringt, flammende Appelle an „die“ Gesellschaft zu
       verfassen. Das ist nur gut für die eigene Empörungsabfuhr; es existiert
       kein Adressat, der sich davon angesprochen fühlen würde.
       
       Man hat sich in den vergangenen Jahren schon manches Mal gefragt, was Kaube
       von den gedanklich gelegentlich fluffigen „Wir müssen, sonst
       ...“-Simplifikationen seines Vorgängers wohl wirklich gehalten hat. Von ihm
       selbst jedenfalls ist eine intellektuelle Gegenwartsbegleitung zu erwarten,
       die möglichst schwurbellos verfährt und die eigenen Metaebenen stets
       mitreflektiert. Seine Berufung auf den Herausgeberposten lässt sich als
       Wette verstehen, dass man auch mit Komplexität in Debatten Aufmerksamkeit
       erzeugen kann. Und wenn Kaube mit dem Hammer zuschlägt, was ihm auch nicht
       fremd ist, nennt er immer konkret die seiner Meinung nach Schuldigen,
       zuletzt etwa in einer Polemik gegen Kritiker des Historikers Jörg
       Baberowski. Was immer man davon hält, auf jeden Fall ist das Visier bei
       solchen Interventionen bei Kaube offen.
       
       In Chefredaktionen und Gremien ist gerade die Meinung Mode, dass man mit
       einer Senkung der intellektuellen Ansprüche auf kulturellen Gebieten Leser
       ködern könnte. Die Entscheidung, Jürgen Kaube zum FAZ-Herausgeber zu
       machen, wirkt da erfrischend störrisch, und zwar getragen vom Setzen auf
       intellektuelles Selbstbewusstsein. Wie immer man zu ihm steht, die
       Entscheidung steht für ein Primat der Redaktion über die Medienmanager und
       Marketingkollegen.
       
       Interessant wird aber auch werden, wie sich Kaube selbst als
       Zeitungsmanager verhält, der er als Herausgeber nun auch sein muss. Frank
       Schirrmacher konnte lange aus dem Vollen schöpfen, Jürgen Kaube wird mit
       Kürzungen klarkommen müssen. Die Printkrise mit ihren Stellenstreichungen,
       Seitenreduzierungen und journalistischen Selbstverständniskrisen hat die
       Frankfurter Kollegen zuletzt arg erwischt. Max Weber, über den Jürgen Kaube
       dieses Jahr eine Biografie geschrieben hat, würde von der Notwendigkeit des
       Bohrens harter Bretter sprechen. Und die Regeln, denen das folgt, muss man
       selbst inmitten des Pulverdampfs von Internetentwicklungen und
       Auflagenzahlen immer erst herausfinden.
       
       9 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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