# taz.de -- Plädoyers im Mollath-Prozess: Zwei Realitäten
       
       > Die Staatsanwaltschaft sieht Mollath als schuldig und glaubt seiner
       > „Komplotthypothese“ nicht. Mollaths Verteidiger gehen erneut dessen
       > Ex-Frau an.
       
 (IMG) Bild: Am Freitag sprachen sie: Mollaths Verteidiger Gerhard Strate und Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl.
       
       REGENSBURG taz | Sein erster Freispruch 2006 brachte Mollath für über
       sieben Jahre in die Psychiatrie. Jetzt will er nicht nur die „Minusseite“,
       sondern auch das „Plus“ eines Freispruchs erfahren, sagte er zu Beginn des
       15. Verhandlungstags in seinem Wiederaufnahmeverfahren im Regensburg. Er
       will für unschuldig erklärt werden, seine Frau misshandelt und Dutzende
       Autoreifen zerstochen zu haben.
       
       Diesen Gefallen tat ihm Staatsanwalt Wolfhard Meindl in seinem Plädoyer
       nicht. Er befand Mollath in allen drei Anklagepunkten – gefährliche
       Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung – für schuldig.
       Allerdings könnten ihm nur sieben der neun angeklagten Fälle von
       zerstochenen Reifen nachgewiesen werden. Mollath sei zu dem Zeitpunkt der
       Taten voll schuldfähig gewesen und sowohl damals als jetzt nicht als
       gefährlich einzustufen. Eine Einweisung in den Maßregelvollzug lehne Meindl
       deshalb ab.
       
       Auch im Ausgangsverfahren 2006 befanden die Richter, Mollath habe die Taten
       begangen, sie sprachen ihn aber frei und wiesen ihn als schuldunfähig und
       gefährlich in die Psychiatrie ein. Da es sich um ein
       Wiederaufnahmeverfahren handelt, kann Mollath nicht schlechter gestellt
       werden als in seinem ersten Urteil. Staatsanwalt Meindl musste deshalb
       beantragen, Mollath freizusprechen, obwohl er ihn für schuldig hält.
       
       Er ist überzeugt, Mollath hat seine Frau geschlagen, gewürgt und gebissen.
       An die „Komplotthypothese“ von Mollath glaubt er nicht. Dieser hatte zuvor
       behauptet, seine Frau wollte ihn „kostengünstig“ in der Psychiatrie
       „entsorgen“, weil er ihre illegalen Schwarzgeldschiebereien anzeigen
       wollte. Ihre Verletzungen, die ein Arzt in einem Attest bestätigte,
       stammten nicht von ihm sondern von einer gemeinsamen Autofahrt, bei der sie
       plötzlich aus dem fahrenden Auto gesprungen sei. Bei einem solchen Sprung
       könne sie aber nur schwerlich „gewürgt“ und „gebissen“ worden sein, so
       Meindl.
       
       ## Nicht mit dem eigenen Leben gespielt
       
       Dass sie Würgemale sowie eine Bisswunde hatte, sieht er als erwiesen an.
       Mehrere Zeugen hatten dies unabhängig voneinander bestätigt. Meindl schloss
       auch aus, dass Mollaths Ex-Frau Petra M. sich die Verletzungen selbst
       zugefügt hätte. Jeder Würgevorgang sei prinzipiell lebensgefährlich. Dass
       Petra M. mit „ihrem eigenen Leben“ gespielt hätte, etwa indem sie sich von
       einem Dritten würgen ließ, hält Meindl für äußerst unwahrscheinlich.
       Außerdem habe Mollath nie abgestritten, dass es zu einer tätlichen
       Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Frau gekommen sei. Er meinte
       immer, er hätte sich nur „gewehrt“.
       
       Auch die Aussage von Mollaths bestem Freund Edward B., Petra M. hätte
       gedroht „Wenn der Gustl mich und meine Bank anzeigt, dann mach ich ihn
       fertig, dann zeig ich ihn auch an“ sei kein Beweis für eine Intrige gegen
       Mollath. „Sie hat das wahrgemacht, was sie angekündigt hat“, sagte Meindl,
       nach dem Motto „Wie du mir so ich dir“. Selbst wenn Petra M. „Unmengen von
       Schwarzgeld in die Schweiz gebracht“ habe, wie Mollath es behauptete, sei
       das noch kein „Rechtfertigungsgrund für Schlagen, Treten, Würgen, Beißen“,
       sagte Meindl.
       
       Doch ob schuldig oder nicht, „Freispruch ist Freispruch“, sagte Meindl.
       Deshalb sollten die Prozesskosten wie bei jedem Freispruch von der
       Staatskasse übernommen werden. Außerdem habe Mollath Anspruch auf
       Entschädigung für seine Zeit in der Psychiatrie, da er seine Unterbringung
       dort nicht selbst verursacht hatte. Staatsanwalt Meindl wendet sich nun
       direkt an Mollath, der erstarrt auf seinem Stuhl klebt und den Staatsanwalt
       aus zu Schlitzen verengten Augen beobachtet.
       
       ## Der Dreh- und Angelpunkt
       
       „Wenn man die Akten ganz genau anschaut, dann erfährt man den Grund, warum
       Sie in die Psychiatrie gekommen sind“, sagte Meindl. Der „Dreh- und
       Angelpunkt“, warum Mollath über sieben Jahre lang in der Psychiatrie saß,
       sei eine Dienstaufsichtsbeschwerde gewesen. Eigentlich hätte Mollath wegen
       der Reifenstecherei gar nicht angeklagt werden sollen, so Meindl. Der
       zuständige Staatsanwalt hatte die Ermittlungen eingestellt.
       
       Doch als das einer der Geschädigten, der mittlerweile verstorbene
       Rechtsanwalt G., erfuhr, legte er Beschwerde ein. In dieser schilderte er,
       wie gefährlich es war, als aus seinen Reifen während der Fahrt die Luft
       entwich und sein Fahrzeug ins Schlingern kam. Nur deshalb wurden in
       Mollaths Ausgangsverfahren „schlichte Sachbeschädigungungen als hoch
       gefährliche Geschehnisse“ gewertet. Nur deshalb konnte Mollath als
       gefährlich in die Psychiatrie eingewiesen werden.
       
       „Das hat das Ruder zu Ihren Lasten herumgerissen“, sagte Staatsanwalt
       Meindl. Und, dass sich die Richter damals nicht die Mühe machten, sich zu
       fragen, ob es überhaupt sein kann, dass ein Auto ins Schlingern kommt, wenn
       aus den Vorderreifen die Luft entweicht. Im jetzigen Verfahren stellte der
       Sachverständige Hubert Rauscher klar, dass dem nicht so sei.
       
       ## Gegenrede hinterm Stehpult
       
       Der Nebenklägeranwalt schloss sich den Ausführungen von Staatsanwalt Meindl
       an. Es war nun an Mollaths Anwalt Strate die Argumentation der
       Staatsanwaltschaft zu widerlegen. Als einziger trug er sein Plädoyer hinter
       einem Stehpult vor. Seine Strategie: Petra M., Mollaths Ex-Frau, als
       Lügnerin zu enttarnen, die von Anfang an geplant hat, Mollath in der
       Psychiatrie wegzusperren. Ihr Motiv sah Strate wie sein Mandant darin,
       Mollath zum Schweigen zu bringen über die Schwarzgeldschiebereien seiner
       Frau.
       
       Auffällig sei, dass Petra M. die angebliche Misshandlung immer wieder
       anders geschildert hatte. Einmal will sie mit der flachen Hand geschlagen
       worden sein, einmal mit Fäusten, einmal lag sie bäuchlings auf dem Boden,
       einmal mit dem Rücken. Auch ihre „Ersatzzeugin“ Petra S., die
       Lebensgefährtin ihres Bruders, auf deren Aussagen fast die ganze Anklage
       basiert, sei eine „dreiste“ Lügnerin.
       
       Während sie in der ersten Verhandlung laut Protokoll sagte, die
       Verletzungen von Petra M. habe nur der Arzt untersucht, lieferte sie im
       jetzigen Verfahren eine ausführliche Schilderung von blauen Flecken und
       einer Bisswunde. Und selbst wenn die Aussagen des Attests für „bare Münze“
       genommen würden, so Strate, sei noch lange nicht erwiesen, dass Mollath der
       Urheber sei.
       
       Auch bei den Reifenstechereien lieferte die Verteidigung keine Erklärung,
       wer die Reifen zerstochen haben könnte. Sie wies nur darauf hin, dass
       Mollaths Ex-Frau und ihr Umfeld ein erhebliches Interesse daran hatten, sie
       Mollath in die Schuhe zu schieben.
       
       ## Mollaths ironischer Dank
       
       Mollath selbst unterstellte in seinem letzten Wort, dass „jemand anderes
       aus bestimmten Gründen die Sachbeschädigung begangen haben könnte“. Das
       Urteil der Staatsanwaltschaft habe ihn „erschüttert“. Seine Ex-Frau sei
       kein „Hascherl“ gewesen, die sich von einem Mann jahrelang dominieren
       lasse. Für die von Staatsanwalt Meindl angekündigte Entschädigung – „14
       Euro für einen Tag in der Hölle“ – bedankte er sich mit beißender Stimme
       bei der Staatsanwaltschaft.
       
       Mollaths Bitte an das Gericht war dagegen ernst gemeint: „Ich bitte Sie um
       ein gerechtes Urteil, für das sich niemand schämen muss“. Das Urteil soll
       am Donnerstag verkündet werden.
       
       9 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Schnell
       
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