# taz.de -- Flugzeugabschuss in der Ukraine: Propaganda und Verunsicherung
       
       > Der Kreml macht ausschließlich die Regierung der Ukraine für den
       > Flugzeugabsturz verantwortlich. Zugleich bemüht er sich um
       > Schadensbegrenzung.
       
 (IMG) Bild: „Eine schreckliche Tragödie“ heißt die Sprachregelung in Moskau: Blumen auf Wrackteilen des Flugzeugs.
       
       MOSKAU taz | Moskau bleibt sich treu. Auch in Reaktion auf die
       Flugzeugkatastrophe vermittelt die russische Regierung den Eindruck, als
       habe ihr Land mit den Ereignissen in der Ukraine nichts zu tun. Die Linie
       gab Präsident Wladimir Putin noch am späten Donnerstagabend vor, als er der
       Ukraine die alleinige Verantwortung für die „schreckliche Tragödie“
       zuschrieb: „Es besteht kein Zweifel, dass das Land, auf dessen Staatsgebiet
       diese schreckliche Tragödie geschehen ist, die Verantwortung trägt“.
       
       Denn diese Tragödie hätte es nie gegeben, wenn die Militäreinsätze der
       Kiewer Regierung im Südosten der Ukraine nicht wieder aufgenommen worden
       wären, sagte Putin. Während damit indirekt doch eine Verantwortung der
       südostukrainischen Separatisten für die „Tragödie“ nahegelegt wird, fügt
       sich diese Begründung nahtlos in die seit Monaten von Moskau vorgebrachte
       Argumentation, dass die Ursache des Konflikts bei der Ukraine zu suchen
       sei.
       
       Der Abschuss der Passagiermaschine dürfte unterdessen jetzt mehr
       Aufmerksamkeit auf die Ereignisse in der Ostukraine und Moskaus direkte
       Verwicklung lenken. Noch ist es nicht geklärt, wer die Boden-Luft-Rakete
       abgeschossen hat. Waren es ukrainisches Militärs, russische Einheiten
       jenseits der Grenze oder stecken die Separatisten dahinter? Die
       Indizienlage neigt zu Letzteren.
       
       Der Kreml ist aber verunsichert. Putins Pressesprecher Dmitri Peskow lehnte
       es ab, sich zu dem Unglück und einer möglichen russischen Spur zu äußern.
       Präsident Putin trug der Regierung auf, alles zu tun, um ein objektives
       Bild von der Katastrophe zu erhalten.
       
       ## Zu dumm für Raketenwerfer?
       
       Die staatlichen russischen Medien sind derweil mit Irreführung und
       Indoktrinierung beschäftigt. Seit dem Unglücksabend wird der russischen
       Öffentlichkeit ein Sammelsurium von Gerüchten und Verschwörungstheorien
       präsentiert, die es darauf anlegen, die russischen Söldner aus dem
       Schussfeld zu holen. Eine Version geht davon aus, dass die ukrainischen
       Militärs das Flugzeug verwechselt hätten: Eigentlich hätten sie es auf
       Putins Präsidentenjet abgesehen, der sich auf dem Rückflug aus Brasilien im
       ukrainischen Luftraum befunden hätte.
       
       Mitteilungen westlicher Militärexperten werden im TV eingeblendet, um
       Verdachtsmomente zu zerstreuen. Und russische Militärs zweifeln unterdessen
       an den technischen Kenntnissen der Separatisten, die komplizierte
       Raketenwerfer nicht bedienen könnten. Populär sind auch gewöhnliche
       technische Defekte als Unglücksursache. Aus Protest gegen die ihm
       auferlegte nicht wahrheitsgetreue Berichterstattung legte am Freitag der
       London-Korrespondent des Staatssenders „Russia Today“ sein Amt nieder.
       
       Wladimir Putin ist zwar Brandstifter in der Ukraine, aber er wird den
       Ultranationalisten in den selbst ernannten Republiken des Ostens keinen
       Abschussauftrag erteilt haben. Die Katastrophe sprengt dennoch das
       bisherige Szenario, das den Konflikt kurz unter der Schmerzgrenze für den
       Westen ansiedelte. Dieser Abschuss macht aus einem begrenzten
       osteuropäischen einen globaleren Konflikt. Das Verhältnis des Westens zu
       Russland muss grundlegend neu verortet werden. Das wollte die EU bis
       gestern noch umgehen. Auch nicht ausgeschlossen ist, dass Präsident Putin
       jene rechtsradikalen Söldner, die er einst losschickte, nun nicht mehr
       bändigen kann.
       
       ## Keine Flugschreiber in Moskau
       
       Unabhängig von der endgültigen Beweislage wird Putin mit der unschuldigen
       Position eines Zaungastes nun nicht mehr davonkommen. So sieht nun alles
       nach Schadensbegrenzung aus. Am Freitag rief Putin zur Waffenruhe in der
       Ostukraine auf und sagte, er stehe mit dem ukrainischen Präsidenten Petro
       Poroschenko in Kontakt. Russlands Außenminister Sergej Lawrow schloss sich
       den Forderungen nach einer internationalen Untersuchungskommission an. Wie
       sich Russland daran beteiligen könnte, ließ er offen.
       
       Lawrow dementierte außerdem Behauptungen russischer Medien, wonach einer
       der beiden Flugschreiber der Absturzmaschine von den sogenannten
       Separatisten bereits gefunden und nach Moskau weitergeleitet worden sei.
       Moskau habe nicht die Absicht, die Flugschreiber an sich zu nehmen, sagte
       Lawrow.
       
       18 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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