# taz.de -- Aberglaube bei der WM: Schweini steigt als Letzter aus
       
       > Die Vorbereitungen auf ein WM-Spiel sind nicht nur fußballerischer Natur.
       > Auch abergläubische Rituale spielen eine wichtige Rolle.
       
 (IMG) Bild: Den Mannschaftsbus verlässt Bastian Schweinsteiger immer als Letzter: Wenn's denn hilft...
       
       BERLIN taz | WM 1990 in Italien. Deutschland spielt im Endspiel gegen
       Argentinien. Wenige Minuten vor dem regulären Spielende entscheidet der
       Unparteiische beim Spielstand von 0:0 auf Strafstoß für Deutschland.
       Normalerweise ein Job für Kapitän Lothar Matthäus, der im Viertelfinale
       schon erfolgreich zum Elfmeter angetreten ist.
       
       Aber der sonst so selbstbewusste Matthäus weigert sich, will nicht
       schießen. Andreas Brehme übernimmt und verwandelt. Deutschland wird zum
       dritten Mal Weltmeister. Später erklärt der Rekordnationalspieler, dass er
       in der Halbzeitpause seine Schuhe hat wechseln müssen.
       
       Der Aberglaube nimmt im Sport zuweilen skurrile Formen an – so auch im
       Fußball. Zahlreiche Profis haben Rituale, die vor, während oder nach einer
       Partie strengstens befolgt werden. DFB-Torwart Manuel Neuer berührt vor
       jeder Halbzeit Pfosten und Latte des eigenen Gehäuses.
       
       Mittelfeldstratege Bastian Schweinsteiger verlässt dagegen stets als
       Letzter den Mannschaftsbus und betritt auch als Letzter das Spielfeld. Und
       Kloses WM-Torrekord hätte es – nach Klose – vermutlich nicht gegeben, wenn
       er sich nicht zuerst den rechten Schuh anziehen und mit eben diesem zuerst
       den Rasen betreten würde.
       
       Werner Mickler, sportpsychologischer Experte der Deutschen Sporthochschule
       in Köln und DFB-Trainerausbilder, sieht darin einen plausiblen Grund: „Es
       gibt Dinge, die ich als Spieler während des Spiels nicht beeinflussen kann.
       Darum versuchen einige an bestimmten Ritualen festzuhalten, die ihnen
       helfen in immer den gleichen positiven Zustand zu gelangen – insbesondere,
       wenn es vorher schon gut funktioniert hat.“
       
       ## Sich selbst erfüllende Prophezeiung
       
       Mickler erkennt darin eine Art „sich selbst erfüllende Prophezeiung“. Denn
       wenn ein Sportler überzeugt davon ist, dass eine immer wiederkehrende
       Handlung wirkt, dann steigen die Aussichten auf tatsächlichen Erfolg. „Wenn
       Spieler also gewisse Routinen durchführen, dann gibt ihnen das eine Form
       der Sicherheit.“
       
       Das gilt nicht nur für Spieler, sondern auch für Fans: Um die Fußballgötter
       gnädig zu stimmen wird oft der genauen Tagesablauf vom letzten Sieg penibel
       nachgeahmt. Das Fantrikot wird trotz Ketchupflecken nicht gewaschen und am
       Spieltag wird immer dieselbe Unterhose getragen. Die regelmäßige Rasur wird
       eingestellt, in einigen Haushalten kommt das Siegesknabberzeug in die
       Snackschale.
       
       „Viele Anhänger glauben, sie könnten den Spielverlauf durch gewisse Rituale
       positiv beeinflussen“, so der Sportpsychologe. „Sie sind überzeugt davon,
       indem sie etwas Bestimmtes tun, können sie ihre Mannschaft unterstützen.
       Und als Fan versuchen sie alles, um ihrem Team zu helfen.“
       
       ## Löw und Flick im Partnerlook
       
       Das deutsche Trainergespann steht den Marotten seiner Schützlinge in nichts
       nach. Bundestrainer Joachim Löw und sein Co-Trainer Hansi Flick sind schon
       zur WM 2010 in Südafrika als Modezwillinge in Erscheinung getreten. Vor
       vier Jahren waren es blaue Kaschmirpullover, in Brasilien komplettieren nun
       dunkelblaue Hemden den Partnerlook, der die Erfolgschancen erhöhen soll.
       
       Ähnlich, wenn auch nicht so stilvoll, handhabt es Brasiliens Nationalcoach
       Luis Felipe Scolari mit seiner Sportjacke. „Ich trage immer eine Jacke, und
       wenn ich das nicht tue, ist es so, als ob ein Glücksbringer fehlt“, erklärt
       der 65-Jährige. Auch hochsommerliche Temperaturen können ihn davon nicht
       abhalten. Im Halbfinale vermochte allerdings auch die Jacke Scolaris nichts
       gegen die deutsche Offensive auszurichten.
       
       Mickler sieht in den Marotten letztlich etwas Positives: „Diese Rituale
       sind eine Hilfe. Es löst die Anspannung und bekämpft die Nervosität.“ Er
       warnt jedoch auch vor einer zu großen Abhängigkeit. „Wenn ich mir aneigne
       vor einem Spiel immer gewisse Dinge zu tun und habe dann einmal nicht die
       Möglichkeit dazu – aus welchen Gründen auch immer – kann das zu einer
       mentalen Blockade oder geringerem Selbstvertrauen führen. Man ist plötzlich
       davon überzeugt, dass einem jetzt sowieso nichts mehr gelingen kann.“
       
       ## Zimmernummern entfernt
       
       Bei Deutschlands Finalgegner Argentinien ist es vor allem Sportdirektor
       Carlos Bilardo, der den Glauben an höhere Mächte in die Mannschaft trägt.
       So soll er bei der Ankunft im WM-Quartier die Zimmernummern 13 und 17
       entfernt haben, da diese Pech und Unglück bringen würden. Bereits bei der
       WM 1986 in Mexiko war Bilardo Trainer der Albiceleste und untersagte seinen
       Spielern, während des Turniers Hähnchenfleisch zu essen. Geschadet hat es
       nicht – Argentinien wurde gegen Deutschland Weltmeister.
       
       Wie auch immer das Finale am Sonntag ausgeht, nach Abpfiff wird es die
       geben, die sich in ihren Ritualen bestätigt fühlen, aber auch diejenigen,
       die enttäuscht sind, dass es trotz sorgfältiger Ausführung nicht zum Titel
       gereicht hat. Zum Glück findet sich dann meist ganz schnell etwas Neues,
       das beim nächsten Spiel auf keinen Fall anders gemacht werden darf.
       
       13 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Honekamp
       
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       Fußballspieler und Trainer haben jede Menge Marotten. Brasiliens Trainer
       ist da ganz weit vorne. Aber auch Carlos Bilardo, Manager der Argentinier,
       hat seine Rituale.