# taz.de -- Europawahlkampf der Grünen: Joschka und die Zwerge 
       
       > Der frühere Außenminister Fischer diskutiert in Berlin über die Ukraine
       > und Putin. Dabei ist er ganz der Alte und bügelt Kritik mit leichter Hand
       > ab.
       
 (IMG) Bild: Joschka Fischer (r.) schaut kritisch auf Rebecca Harms und Cem Özdemir.
       
       BERLIN taz | Vor fünf Minuten hätte es losgehen sollen. Doch im kleinen
       Kaiserin-Friedrich-Hörsaal der Berliner Charité sind noch allerhand Plätze
       frei. Dabei hat sich hoher Besuch angekündigt zu dieser Diskussionsrunde
       der Grünen gleich gegenüber der Parteizentrale: Joschka kommt! Und das auch
       noch mitten im Wahlkampffinale.
       
       Die Grünen brauchen dringend Aufmerksamkeit. Die öffentliche EU-Wahldebatte
       ist auf die Frage „Schulz oder Juncker“ zusammengeschnurrt. Vergangene
       Woche kamen gerade einmal drei Journalisten zu einem Pressefrühstück des
       Grünen-Spitzenkandidaten Sven Giegold ans Brandenburger Tor. Nun aber sind
       fast alle da – von Spiegel Online bis zur FAZ –, um nicht zu verpassen, was
       dem Außenminister a.D. so einfällt zum Thema „Friedensmacht Europa,
       Herausforderung Ukraine“.
       
       Moderator und Grünen-Chef Cem Özdemir begrüßt die „Grünen-Ikone“, lobt und
       dankt in alle Richtungen („Toller Raum hier!“). Fischer wiederum, modische
       Hornbrille, die verschränkten Arme auf dem Bauch abgelegt, bedenkt die
       grüne Spitzenkandidatin und Mitdiskutantin Rebecca Harms mit
       Freundlichkeiten. Auch der polnische Publizist Adam Krzeminski provoziert
       keinen Widerspruch. Ja, es geht harmonisch zu an diesem Montagabend.
       
       Schnell wird man sich einig, dass die „Putin-Versteher“ nichts verstanden
       hätten und eine europäische Energie-Union jetzt die richtige Konsequenz aus
       der Krise wäre. Kollegialer Wink von Fischer: Die Grünen könnten bei diesem
       strategisch bedeutsamen Projekt, das „aktive Friedenspolitik“ sei, doch
       eine „sehr wichtige Funktion“ übernehmen. Sogar eine kleine Huldigung des
       Ex-Außenministers an den großen Europäer Helmut Kohl geht ohne Einspruch
       durch.
       
       ## Protest abbügeln
       
       Erst gegen Ende droht es, doch noch kontrovers zu werden. Rebecca Harms
       nimmt die Euro-Maidan-Bewegung gegen Faschismus-Vorwürfe in Schutz. Dann
       bringt sie einen Vergleich, der lautes Raunen im Saal provoziert: Teile des
       rechten Sektors in der Ukraine wären in Deutschland der „Schwarze Block“
       bei Demos. Es handele sich um eine Radikalisierung, verursacht durch den
       Umgang des Staats mit gewaltfreien Demonstranten.
       
       Prompt springt ihr der „Veteran“ (Fischer über Fischer) zur Seite: „Wenn
       hier einer was von Schwarzen Blöcken versteht, dann bin ich das!“, ruft er
       belustigt und bügelt den zaghaften Protest aus dem Saal ab: Die
       Faschismus-These sei ein „Delegitimierungsversuch“, den man nicht mitmachen
       sollte.
       
       Immerhin, Fischer ist jetzt in Fahrt. Im Saal meldet sich eine Grüne aus
       der „Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden“ zu Wort. Putin hätte vielleicht
       mehr einbezogen werden müssen, sagt sie. Jedenfalls missfalle ihr die
       Generalkritik an den „Russlandverstehern“. Der Ex-Außenminister und die
       Friedens-AG scheinen seit dem Kosovo-Einsatz noch immer lange Rechnungen
       offen zu haben. Fischer spöttelt: Die BAG Frieden, sei „eine Institution,
       der ich traditionell sehr eng verbunden war.“ Hinweis an die jüngere
       Generation im Saal: „Das war jetzt ironisch gemeint.“ Dann schenkt er der
       Dame ordentlich ein: Ob sie schonmal drüber nachgedacht habe, dass nicht
       nur Stärke einen Konflikt verschärfen könne? Er jedenfalls fürchte im
       Moment „eher eine Eskalation durch Schwäche“. Niemand widerspricht.
       
       Am Ende dankt Cem Özdemir den Gästen, „die das wirklich toll gemacht
       haben“, überreicht ihnen ein Buchpräsent. Er selbst ist kaum zu Wort
       gekommen.
       
       20 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Geisler
       
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