# taz.de -- Förderung für CCS-Technologie: EU-Kohle für Kohle
       
       > Im britischen Selby entsteht ein fossiles Kraftwerk. Dessen
       > CO2-Emissionen sollen unter die Nordsee geleitet und dort gespeichert
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Keine 20 Kilometer von Selby entfernt, in Ferrybridge, gibt es schon ein Kohlekraftwerk.
       
       DUBLIN taz | In Großbritannien entsteht das erste von der Europäischen
       Union geförderte Projekt zur Lagerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2)
       unter der Erdoberfläche. 300 Millionen Euro will Brüssel für ein
       Kohlekraftwerk bei Selby in der nordenglischen Grafschaft Yorkshire
       bereitstellen, das Strom für 630.000 Haushalte liefern soll. Der Clou: 90
       Prozent der CO2-Emissionen sollen aufgefangen und durch ein Rohrsystem an
       einen Speicherplatz unter dem Meeresboden der Nordsee geleitet werden –
       immerhin zwei Millionen Tonnen im Jahr. Das Projekt trägt den Namen „White
       Rose CCS“. CCS steht für Carbon Capture and Storage.
       
       Gebaut wird „White Rose“ von Capture Power, einem Konsortium aus der
       französischen Alstom, der britischen Stromfirma Drax und dem
       Industriegas-Unternehmen BOC. Das Geld wird allerdings erst im Sommer 2015
       fließen – wenn die Betreiber bis dahin nachgewiesen haben, dass das Projekt
       realisierbar und das nötige Eigenkapital da ist.
       
       CCS ist eine umstrittene Möglichkeit, die Aufheizung der Atmosphäre durch
       zu viel CO2-Einleitung zu verringern, ohne beispielsweise komplett auf
       Kohlekraftwerke zu verzichten. In den letzten Jahren hatten vor allem die
       hohen Kosten die Entwicklung zurückgeworfen. Experten schätzen, dass sich
       der Strompreis um die Hälfte erhöht oder gar verdoppelt, wenn ein Kraftwerk
       mit CCS arbeitet.
       
       Die EU hatte gehofft, dass der Handel mit CO2-Ausstoßrechten einen Anreiz
       für die CCS-Entwicklung bieten würde, weil CCS-Kraftwerke entweder keine
       Zertifikate kaufen oder aber ihnen zugeteilte Rechte weiterverkaufen
       könnten. Doch nach dem Preisverfall sind die wenig attraktiv. Nun setzt die
       EU auf direkte Subventionen, die sie allerdings ebenfalls wie Sauerbier
       anbieten muss.
       
       ## Abhängig von der politischen Lage
       
       Auch die britische Regierung hatte bereits vor sieben Jahren erfolglos
       einen CCS-Wettbewerb im Wert von einer Milliarde Pfund ausgeschrieben. Sie
       hat aber weiterhin vor, eine Vorreiterrolle zu übernehmen, und plant die
       Förderung eines weiteren Projekts: Das Energie-Unternehmen Scottish and
       Southern Energy will CCS in einem Gaskraftwerk im schottischen Aberdeen
       installieren und das CO2 100 Kilometer nördlich in ein erschöpftes
       Erdgasfeld unter der Nordsee leiten. Dieses Projekt hängt aber von der
       politischen Lage ab. Wenn die Schotten im September für Unabhängigkeit
       stimmen, wird es mit den Zuschüssen aus London nichts.
       
       Der Weltklimarat gehört zu den CCS-Skeptikern. Im jüngsten Teil ihrer
       Klimaberichte schreiben die Forscher: „Wenn nicht rasch gehandelt wird,
       helfen nur noch Verfahren wie die noch unausgereifte Speicherung von CO2
       unter dem Erdboden oder eine verstärkte Biomassenutzung.“
       
       Der Europa-Abgeordnete und umweltpolitische Sprecher der Liberalen
       Demokraten, Chris Davies, äußerte sich dennoch erfreut über die zu
       erwartende EU-Förderung von „White Rose“. „Die finanzielle Unterstützung
       für das erste CCS-Kraftwerk in unserem Land oder gar in Europa ist ein
       großer Gewinn für Großbritannien“, sagte er. „Es unterstreicht das
       politische Engagement der Regierung, sicherzustellen, dass wir weiterhin
       fossile Brennstoffe verwenden können, ohne zum Problem der globalen
       Erwärmung beizutragen.“ Kritiker sehen genau darin die Gefahr. Sie warnen,
       dass die Technologie Ländern eine Ausrede liefere, ihre CO2-Emissionen
       nicht zu reduzieren.
       
       23 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) CCS
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Kohlekraftwerke
 (DIR) Kraftstoff
 (DIR) Ostsee
 (DIR) Alstom
 (DIR) Europa
 (DIR) CCS
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kohlendioxid als Rohstoff: Ausruhen auf der CO2-Matratze
       
       Vom Klimakiller zum Innovationstreiber. Neue Techniken zur Nutzung von
       Kohlendioxid kommen aus der Forschung in die Anwendung.
       
 (DIR) Sauerstoffmangel in der Ostsee: Todeszone? Kein Problem
       
       Die Todeszonen der Ostsee wachsen. Die Bundesregierung sieht dadurch jedoch
       weder Meeresbewohner noch Tourismus gefährdet.
       
 (DIR) Übernahmepoker um Alstom: Siemens bereitet Angebot vor
       
       Siemens will den französischen Konzern übernehmen. Franzosen wollen
       verhindern, dass der US-Konkurrent General Electric Alstom aufkauft.
       
 (DIR) Klimagas kommt nicht unter die Erde: Verbot statt Moratorium
       
       Das Verpressen von Kohlendioxid in den Boden will Niedersachsens rot-grüne
       Landesregierung per Gesetz untersagen. Bislang galt lediglich ein
       Moratorium.
       
 (DIR) Klimapolitik in EU: Es gibt keine Energiewende
       
       Die EU war Vorreiter bei Klimaschutz, Erneuerbaren und Energieeffizienz.
       Seit der Eurokrise ist das vergessen. Unter den Staaten gibt es keinen
       Konsens mehr.
       
 (DIR) Kommentar CCS-Beschluss der EU: Unterirdischer Lobbyismus
       
       Über das Papier zur Speicherung von Kohlendioxid im Boden freut sich die
       Kohlelobby. Eine klimafreundliche Wirtschaft sieht anders aus.
       
 (DIR) Europaparlament für CO2-Verpressung: Das Kartell der Klimaretter
       
       Das Europaparlament ist sich sicher: Um den weltweiten Temparaturanstieg
       unter zwei Grad zu halten, muss Kohlendioxid in die Erde gepumpt werden.