# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Die Jägerschnitzelfrau
       
       > „Ich bin auf Partys immer die Betrunkenste“, sagt Ildiko von Kürthy. Aber
       > warum verweigern Sie One-Night-Stands? Im Café mit der Bestsellerautorin.
       
 (IMG) Bild: Sie muss den Massengeschmack nicht suchen. Sie sei der Massengeschmack, sagt Ildiko von Kürthy.
       
       Ich komme schwer erkältet, und als Erstes warne ich sie, aber Ildiko von
       Kürthy lacht und sagt: „Sie können mich jederzeit küssen, kein Problem“.
       Also: Das fängt ja mal wirklich interessant an.
       
       Sie hat ein Café am Hamburger Mittelweg betreten, ein Kilometer südlich von
       Harvestehude, wo sie mit Kleinfamilie lebt. Nachher holt sie den älteren
       Sohn von der Schule ab. Sie trägt perfect casual: eine leichte Kapuzenjacke
       und Jeans. Man hört ihr die Aachener Herkunft an.
       
       Kürthy hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten einige Millionen Bücher
       verkauft. Es fing an mit dem Superbestseller „Mondscheintarif“: Cora
       Hübsch, 33, wartet nach dem ersten Geschlechtsverkehr, dass ER sie anruft.
       Und es ging so weiter.
       
       Selbstverständlich muss sie häufig herhalten für pauschale Ablehnung der
       Unterhaltungsindustrie. Für Kulturpessimismus. Für Abgrenzungsbedürfnisse
       und Neidreflexe eines geistigen Mainstreams, der sich gegen Mainstream
       verwahren will. Ich habe ihr Werk vor zehn Jahren auch als
       „Oberschenkelliteratur“ bezeichnet. Jetzt interessiert mich: Was hat Kürthy
       ihren Leserinnen heute zu geben?
       
       ## Wie kriegt man als Frau ein gutes Leben hin
       
       Ihr neues Buch, „Sternschanze“, handelt auf der ersten Ebene von einer
       nicht berufstätigen Frau von 43 Jahren („Nicki“), deren beruflich
       erfolgreicher Mann („Oliver“) sich von ihr trennt, weil sie einen Liebhaber
       hat („Tom“). Es geht auch um Falten, Übergewicht und das Übliche. Aber auf
       der zweiten Ebene ist „Sternschanze“ ein Essay zur Frage, wie man als Frau
       ein gutes Leben hinkriegen kann, wenn es ernst geworden ist. Es geht um
       verlorene Kinder, das Sterben und den Verlust der Eltern. Die
       Bedingungslosigkeit einer Vaterliebe. „Meine Bücher sind so wie ich“, sagt
       Kürthy, „sie werden mit mir erwachsener, nachdenklicher, melancholischer.“
       Sie ist jetzt 46.
       
       Es ist ein Risiko, das sie eingeht: Goutieren ihre Leserinnen die neuen
       düsteren Passagen? Sie hofft. „Das Sterben der Eltern beschäftigt alle
       Frauen in meinem Alter“, sagt sie, „selbst wenn die Eltern noch gesund
       sind.“
       
       Grundsätzlich muss sie den Massengeschmack nicht suchen. Sie sei der
       Massengeschmack. „Ich bin in vielerlei Hinsicht nicht individuell, finde
       das ganz gut, und das macht mich erfolgreich“, sagt sie. Beim Stern, für
       den sie bis 2005 zehn Jahre Unterhaltungsredakteurin war, galt sie als
       „nettes Mädel“, das in Redaktionskonferenzen nicht weiter auffiel; und auch
       nicht mit ihren Geschichten. Sie ist „so ein Jägerschnitzeltyp“. Wenn sie
       einen Song gut findet, ist der hundertprozentig schon in den Charts. Und
       was sie wählt, ist immer regierungsfähig. Also Merkel? Ja, Merkel. Sie
       findet, man soll wählen, aber hinterher auch dazu stehen. Dass eine
       weitgehend konformistische Mittelschicht sich in Nonkonformismus-Fantasien
       geriert, findet sie „unreif“.
       
       In einem ist Ildiko von Kürthy allerdings gar nicht Mainstream: Sie macht
       sich das Leben leicht und ist schnell mit sich zufrieden. „Ich kenne fast
       nur Frauen, die es sich wahnsinnig schwermachen, alles richtig machen
       wollen, Kinder, Karriere, Partnerschaft, Fettverbrennung, sich unglücklich
       planen und darunter sehr leiden.“ Sie leidet nicht mal beim Schreiben ihrer
       Bücher, wie sich das für Literaten gehört. „Es geht mir darum, beim
       Schreiben eine gute Zeit zu haben, Lebensqualität zu gewinnen, Türen zu
       öffnen.“ Ihre Arbeitsmethode geht so: Sie verarbeitet, was sie erlebt und
       fühlt. Und findet beim Schreiben heraus, was es bedeutet. „Finden Sie mal
       eine Autorin, die von sich sagt, dass sie es sich leicht macht“, sagt sie.
       
       ## Mit Schwächen nicht mehr hadern
       
       Im Gegensatz zu ihren Protagonistinnen hat sie aufgehört, mit ihren
       Schwächen zu hadern. Ihre Figur Rona van Dongen sagt es so: „Hör auf, auf
       deine hässlichen Füße zu glotzen, wenn du schöne Titten hast.“ Sie
       empfindet die Schwächen immer mehr als Schattenseiten ihrer Stärken.
       
       Heißt? „Ich bin irrsinnig schnell beleidigt und fast nicht fähig, Kritik
       anzunehmen, aber dafür bin ich auch empfindsam und sehr emotional zu
       anderen.“ Wie wirkt sich die Unfähigkeit, Kritik zu ertragen, aus, wenn ihr
       Mann ihre Bücher lektoriert?
       
       „Es gibt unfassbaren Ärger.“
       
       Sie habe noch die Streitkultur eines Teenagers. „Ich bin aber auch
       teenagerhaft, wenn Sie mir einen Pfannekuchen backen. Dann bin ich der
       glücklichste Mensch der Welt.“ Sie ist auch Kolumnistin der
       Frauenzeitschrift Brigitte, hat für die mal einen Test gemacht: in fünf
       Wochen so jung und schön wie möglich. Kein Alkohol, früh ins Bett, gesunde
       Ernährung, Sport, Botox.
       
       Wie war’s?
       
       Sie sah gut aus, Botox war okay, aber gesund essen macht ihr keinen Spaß,
       früh ins Bett gehen auch nicht. Und: „Ich liebe es, mich abends mit meinem
       Mann schön gemächlich zu beduseln.“ Das sei ihr Lebensthema: nicht aufhören
       können. Nicht mit Schokolade, nicht mit Gesprächen. „Ich bin auf Partys
       immer die Letzte, immer die Betrunkenste, immer die Lustigste. Ich finde
       nicht das richtige Maß.“
       
       Das geht so weit, dass sie One-Night-Stands stets verweigerte.
       „One-Night-Stand ist mir total fremd. Ich habe fast alle Männer geheiratet,
       mit denen ich geschlafen habe.“
       
       Oh. Es sind bisher zwei. Weil: „Warum etwas nicht wieder tun, wenn es gut
       war?“
       
       Im besten Fall sieht man so aus, wie man ist, sagt Ildiko von Kürthy. Wenn
       das so sein sollte, ist sie eine glückliche Frau.
       
       19 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
       ## TAGS
       
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