# taz.de -- Ukip-Chef Farage bei der AfD: Ungeliebter Gleichgesinnter bejubelt
       
       > In Köln spenden AfD-Anhänger heftigen Beifall für den britischen
       > Rechtspopulisten und EU-Gegner Nigel Farage. Zum Leidwesen der
       > Parteiführung.
       
 (IMG) Bild: Der neue Schwarm älterer ultrakonservativer Herren: Nigel Farage
       
       KÖLN taz | Am Schluss seiner Rede gerät Nigel Farage ins Schwärmen. Die
       Alternative für Deutschland (AfD) habe viele brillante Leute in ihren
       Reihen: Ökonomen, Akademiker und Geschäftsleute. „Ich wünsche der Partei
       sehr viel Glück“, ruft der schillernde britische Politiker in den vollen
       Saal. Es sei „sehr, sehr wichtig, dass Sie jetzt eine politische Partei in
       Deutschland haben, die AfD, die Sie wählen können“. Seine enthusiastischen
       Worte gelten einer Partei, die ihn eigentlich gar nicht mag. Zumindest
       behauptet das deren Bundesvorsitzender Bernd Lucke.
       
       Die AfD-Mitglieder, die sich am Donnerstagabend im Kölner Maritim
       versammelt haben, sehen das anders. Das überwiegend ältere männliche
       Publikum ist begeistert von dem eloquenten Farage. Mit seinen scharfen
       Attacken gegen die Europäische Union trifft der Vorsitzende der United
       Kingdom Independence Party (UKIP) genau ihren Nerv. Rund 350 Gäste sind der
       Einladung der Jungen Alternative (JA) gefolgt, um den britischen EU-Gegner
       live zu erleben – weit mehr, als das kleine Häuflein antifaschistischer
       Gegendemonstranten, das vor der Tür gegen den Auftritt des Rechtspopulisten
       protestiert. Farage, dessen Partei derzeit in Großbritannien in den
       Umfragen auf über 25 Prozent der Wählerstimmen kommt, genießt seinen
       Aufritt. „Endlich weht ein euroskeptischer Wind durch ganz Nordeuropa“,
       jubiliert der Europaabgeordnete.
       
       Mit einem Anteil von 20 bis 25 Prozent an Euroskeptikern rechnet Farage im
       nächsten Europaparlament. Die AfD zählt er selbstverständlich dazu. Ob sie
       mit seiner Ukip eine gemeinsame Fraktion bilden wird, ist unklar. Um den
       Eindruck zu vermeiden, die AfD suche die Nähe zu Rechtspopulisten, hat sich
       zwar Parteichef Lucke bislang stets von Farage abgegrenzt. Stattdessen will
       er lieber mit den britischen Konservativen zusammenarbeiten. Doch die haben
       bereits abgewunken.
       
       Mit Farage auf der Bühne sitzt AfD-Mitgründer Martin E. Renner. Der
       gelernte Betriebswirt nimmt für sich in Anspruch, Parteinamen und -logo
       ersonnen zu haben. Mit dabei ist auch Marcus Pretzell, der am vergangenen
       Wochenende in den AfD-Bundesvorstand gewählt wurde. Bei der Europawahl
       kandidiert der Bielefelder Rechtsanwalt auf Platz 7 der AfD-Liste. Die
       Aufgabenverteilung zwischen den beiden klappt perfekt. Der aalglatte
       Pretzell versucht, den seriösen Politiker zu geben. Deswegen verzichtet er
       auf all zu scharfe Töne und wahrt auch die Distanz zu Farage.
       
       ## Interessante Gemeinsamkeiten
       
       Zwar gebe es „viele interessante Gemeinsamkeiten“, doch in einem wichtigen
       Punkt unterscheide man sich: Im Gegensatz zu dem Briten halte er die EU für
       reformierbar. „Ich glaube nicht, dass es aus deutscher Sicht wirklich
       praktikabel und sinnvoll ist, aus der Europäischen Union auszusteigen“,
       sagt Pretzell. Die BRD sei „eben keine Insel im Nordatlantik“. Das sei „der
       wesentliche Dissens, den die Ukip und die AfD haben, dass wir als eine
       Partei, die für Deutschland in das Europäische Parlament einziehen möchte,
       eben deutsche Interessen vertreten“. Mit wem die AfD im Europaparlament
       eine Fraktion bilden wird, darauf will sich Pretzell „aktuell nicht
       festlegen“. Nur eine Einschränkung macht er: „Zumindest ich persönlich
       möchte nicht mit dem Front National kooperieren.“
       
       Keinen größeren Dissens haben die AfDler und der Ukip-Mann an diesem Abend,
       wenn es um das Thema Zuwanderung geht – zur Freude des
       wohlstandschauvinistischen Klientel, das sich im Maritim-Hotel versammelt
       hat. Der Kampf gegen „Multikulti“ ist der Part von Martin E. Renner. Heftig
       geißelt er „die Generosität, mit der jedwede Zuwanderung durch die
       deutschen Eliten begrüßt und auf Assimilation verzichtet“ werde.
       Deutschland müsse „darauf bestehen, dass alle Einwanderer unsere Werte,
       Bräuche, Rechts- und Moralvorstellungen, sowie das kulturelle Erbe der
       Aufnahmegesellschaft für sich annehmen und auch leben wollen“. Deswegen
       könne es "von seinen Einwanderern und ihren Nachgeborenen eine bewusste
       Entscheidung für die Übernahme der neuen – unserer – kulturellen Identität
       verlangen“. Das Publikum klatscht dankbar Beifall.
       
       Renner zählt in der AfD zum nationalkonservativen Flügel. In der
       Parteiführung ist er inzwischen nicht mehr wohlgelitten. Denn er ist
       derjenige, der Farage nach Köln geholt hat. Im November vergangenen Jahres
       trafen sich die beiden in Brüssel – zum Leidwesen von Lucke. Damals habe
       ihm Farage versprochen, nach Deutschland zu kommen, berichtet Renner. Da
       die AfD-Bundesspitze jedoch um Abgrenzung von der Ukip bemüht ist, dauerte
       es eine Weile, bis mit der erst im Februar gegründeten JA ein formal
       anderer Veranstalter gefunden werden konnte. Das Event ist ein kalkulierter
       Affront gegen Lucke. Der Auftritt von Farage stehe „im Widerspruch zu einem
       Beschluss des AfD-Bundesvorstands“, teilt Parteisprecher Christian Lüth
       mit.
       
       ## Schriftliche Fragen
       
       Von einer „Bildungsveranstaltung einer Jugendorganisation“, die mit der
       Partei nichts zu tun habe, spricht der JA-Bundesvorsitzende Philipp Ritz.
       Die rechten Jungspunde sind tunlichst bemüht, alles unter Kontrolle zu
       behalten. Kein Eklat soll das innerparteilich heikle Treffen belasten.
       Teilnehmer mussten sich vorab unter Angabe seiner Personalausweis- oder
       Reisepassnummer anmelden. Redebeiträge aus dem Publikum sind nicht
       vorgesehen. Wer eine Frage stellen will, muss sie „schriftlich einreichen
       oder zu Protokoll geben“. Entsprechend wenig spektakulär verläuft die
       „Diskussion“. Als Gastgeschenk bekommt Farage zum Abschluss ein
       5-Liter-Fäschen Kölsch überreicht.
       
       Journalisten, die nicht nur über die Veranstaltung schreiben wollten, wurde
       zwei Tage vorher eine zweiseitige „Vereinbarung über die Anfertigung von
       Bild-, Video- und Tonaufnahmen“ zugeschickt. Darin sollten sie sich unter
       anderem verpflichten, keine Aufnahmen vom Sicherheitspersonal der
       Veranstalter zu veröffentlichen. Außerdem sollten die Journalisten sich
       verpflichten, die Akkreditierung deutlich sichtbar am Körper tragen und
       „Weisungen des Veranstalters unverzüglich Folge zu leisten“. Bei
       Zuwiderhandlungen drohe eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro. Mit
       „ladungsfähiger Anschrift“ versehen, sollte diese - juristisch kaum
       haltbare - Vertrag „unterschrieben, gestempelt beziehungsweise gesiegelt
       und getackert“ mitgebracht werden.
       
       Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte empört. „Das stellt einen
       klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit dar“, urteilte
       DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Nach den Tiraden des
       AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegen die Medien auf dem Bundesparteitag steht
       das Demokratieverständnis dieser Partei in Frage.“ Eiligst distanzierte
       sich der AfD-Bundesvorstand, „klar von dem medienfeindlichen Verhalten der
       Jungen Alternative und fordert diese auf, in ihrem eigenen Interesse den
       Medienvertretern zu jeder öffentlichen Veranstaltung freien und
       ungehinderten Zutritt zu gewähren“.
       
       28 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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