# taz.de -- Berliner Szenen: Am Ende wird gemurmelt
       
       > Ein Studium, das mit Hegel, Marx und Freud begann, endet mit einer Nuss
       > als Kopf, einer alten Wolldecke und Schienenersatzverkehr.
       
 (IMG) Bild: Knut. Nicht beim Feldenkrais, aber auch mit grüner Wolldecke.
       
       Das Licht ist schummrig, ich liege auf dem Boden. Unter mir eine Wolldecke.
       Der Feldenkraislehrer geht langsam und auf Strümpfen im Raum herum und
       redet. Vorhin haben wir uns vorgestellt, dass unser Becken eine Pampelmuse
       ist, der Brustkorb eine Tomate und der Kopf eine Nuss. Jetzt liegen wir,
       zehn Leute, auf dem Boden und atmen.
       
       Es ist mein letzter Unisportkurs. Das heißt, ich werde auch in Zukunft
       welche machen können, wenn ich nicht mehr immatrikuliert bin, aber dann
       halt teurer.
       
       Ich habe alles ausprobiert, was ich interessant fand: Trampolinspringen,
       Bollywoodtanzen, Hathayoga, Kundaliniyoga, Poweryoga (das fand ich am
       besten), Yoga und Schwimmen (war auch super, gab es aber irgendwann nicht
       mehr), Pantomime, Improvisationstheater, Shiatsu. Einmal sogar
       Bauch-Beine-Po, mit B. zusammen. Wir wurden von der Trainerin mit den
       Extensions oft angemotzt, weil wir lachen mussten, sie hat dann im Rhythmus
       dieser Atzenmucke, zu der wir uns bewegen mussten, gerufen: „Keeeiiiiin
       Gequatsche!“
       
       Jetzt liege ich auf einer dunkelgrünen Decke, die ein bisschen müffelt, und
       der Feldenkraislehrer sagt, wir sollen uns auf die Seite drehen. Einrollen
       wie ein Embryo. Weiteratmen. Jetzt beim Ausatmen Geräusche machen. „Macht
       mal Vokale“, sagt der Feldenkraislehrer, und wir machen „Aah“ und „Ooh“ und
       „Eeh“. „Jetzt murmelt mal.“ Wir murmeln. „Mmmh.“
       
       Und dann sagt er: „Jetzt murmelt mal ein Wort. Eines, das wir alle lieben,
       mit vielen Vokalen, sehr hübsch: Schienenersatzverkehr.“ Wir murmeln. Und
       so endet mein Studium, mein wunderschönes 17-semestriges Studium voller
       Hegel und Marx und Freud und Habermas, indem ich in Jogginghose und
       Kapuzenpulli im Halbdunkeln auf einer alten Decke liege und
       „Schienenersatzverkehr“ murmle. „Schiieee… neeen… eer… saatz… veeer…
       keeehr.“ Was für ein Ende.
       
       27 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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