# taz.de -- Eurokolumne: Wilder Westen auf dem Finanzmarkt
       
       > Der Bankensektor wurde inzwischen mit leichten Regulierungen belegt. Um
       > diesen zu entgehen, gründen sich die ominösen Schattenbanken.
       
 (IMG) Bild: Schattenbanken nutzen weiter schlüpfrige Geldgeschäfte um Kapital zu vermehren
       
       Die Frage, wie künftige Zusammenbrüche und Finanzmarktkrisen vermieden
       werden können, lässt sich nur seriös beantworten, indem man die Ursache der
       letzten Krise klar verortet. Historisch ist der Start in den Boom und
       Absturz der Finanzmärkte eindeutig:
       
       Am 27. Oktober 1986 hatte Maggy Thatcher mit dem „Big Bang“ über Nacht
       schützende Regeln für die Geschäfte am Finanzplatz London aufgehoben. Die
       USA folgten mit der Aufhebung des Trennbankensystems, Deutschland
       verschaffte vor allem in der Phase der rot-grünen Bundesregierung den
       entfesselten Märkten Spielraum.
       
       Auch das Ende dieses weltweiten Kasinokapitalismus ist schnell erzählt.
       Nachdem sich die Finanzmärkte gegenüber der realen Wertschöpfung immer mehr
       entkoppelt hatten, kam es sichtbar ab 2007 zum Absturz. Spekulativ
       hochgetriebene, strukturierte Wertpapiere erwiesen sich als wertlos, als
       toxische Produkte. Banken mussten ihren Schrott in „Bad Banks“ auslagern,
       die reale Produktionswirtschaft geriet in Mitleidenschaft und schließlich
       hat der Reparaturbetrieb Staat seine Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
       belastet.
       
       Im jetzt achten Jahr der Finanzmarktkrise muss immer noch die bange Frage
       gestellt werden, ob ein erneuter Zusammenbruch des fragilen Systems der
       Investmentspekulanten droht. Die weltweit große Zahl von Aktivitäten zur
       Regulierung und Kontrolle scheint gegen einen weiteren Handlungsbedarf zu
       sprechen.
       
       Dazu zählen Regeln zur Ausstattung der Banken mit mehr Eigenkapital, zum
       Verbot des krisenanfälligen Eigenhandels mit spekulativen Finanzprodukten
       durch die Banken, zur Trennung des Kundengeschäfts vom Investmentbanking,
       zu Haftungs- und Bonifragen sowie zur Einschränkung des Turbohandels an den
       Börsen.
       
       Doch die Wirksamkeitsschwelle der vielen Regulierungen fällt insgesamt viel
       zu gering aus. Der Bankenlobby ist es wieder einmal gelungen, die Manöver
       der Politik unter dem Druck einer tief frustrierten Öffentlichkeit zu
       verwässern. Dies gilt auch für die EU-Kommission, die weitergehende, kluge
       Vorschläge des Europäischen Parlaments nicht aufgenommen hat.
       
       ## Die Antwort: Es bildeten sich Schattenbanken ohne Lizens
       
       Als Antwort selbst auf diese „Regulierung light“ hat sich eine Flucht in
       den Schatten der Finanzmärkte ausgebreitet. In schnellem Tempo ist ein
       System von Schattenbanken herangewachsen. Hier werden bankähnliche
       Funktionen ohne Bankenlizenz forciert. Dazu gehören vor allem die
       Kreditvergabe mit einem hohen Anteil der Fremdfinanzierung sowie das
       Angebot von scheinbar hochrentierlichen Anlageprodukten für vermögensstarke
       Einleger.
       
       Das Ausmaß des expandierenden „Schattenbankensystems“ ist mittlerweile
       bedrohlich. Der „Financial Stability Board“ der G-20-Gruppe schätzt den
       Anteil des im Schattenbankensystem bewegten Volumens für 2011 auf 20 bis 30
       Prozent des gesamten Finanzmarktsystems und auf 50 Prozent aller
       Bankenaktiva.
       
       Die brandgefährlichen Risiken durch das Schattenbankensystem liegen auf der
       Hand. Wegen der Verbändelung bei Anlageprodukten sowie der Kreditvergabe
       mit dem regulierten Bankensystem schlagen Zusammenbrüche dieser Quasibanken
       auf das Finanzsystem durch.
       
       Im März 2012 hat die EU-Kommission zu den Schattenbanken ein recht
       informatives „Grünbuch“ vorgelegt. Dort sind brauchbare Angaben zu den
       Hintergründen und Instrumenten zur Bändigung dieser zwielichtigen Zone
       nachzulesen. Bis auf die geplante Regulierung der Geldmarktfonds im
       September 2013 ist danach trotz der wachsenden Krisengefahr kaum etwas
       geschehen.
       
       Wiederum steht dafür Michel Barnier, der zuständige EU-Kommissar. Er lobt
       die Quasibankinstitute wegen ihrer „wichtigen Rolle bei der Finanzierung
       der Realwirtschaft“. Erforderlich sei deshalb lediglich die Schaffung von
       Transparenz. Verklausuliert lässt er eine unverantwortliche Lösung
       anklingen.
       
       Weniger Regulierung im lizenzierten Bankensektor senke den Druck, in den
       Schatten des Bankensystems zu flüchten. Die Schattenbanken drohen zur
       Richtschnur der Reform des Bankensektors missbraucht zu werden. Das wäre
       jedoch ein schwerer Fehler. Die Finanzmärkte brauchen einen verbindlichen
       Ordnungsrahmen. Geschäfte im Zwielicht gehören geächtet.
       
       6 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Hickel
       
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