# taz.de -- Die Wahrheit: Der Talkshowtourist
       
       > In der Arena des deutschen Laberfernsehens tritt der Krawall-Journalist
       > Roger Köppel als erfolgreichster Ekelexport der Schweiz auf.
       
 (IMG) Bild: Mit seinem schwer ins Dreckige spielenden Grinsen wurde der Schweizer Journalist Roger Köppel fernsehbekannt.
       
       An dieser Stelle eine gute Nachricht: Das deutsche Ekelpaketwesen bringt
       offensichtlich weniger prominente Exemplare hervor als gemeinhin vermutet.
       Oder wie sonst ist es zu erklären, dass hiesige Fernsehtalkshows für die
       Rolle des irrlichternden politischen Amokläufers alle Nase lang Roger
       Köppel aus der Schweiz einbestellen?
       
       Erst kürzlich brachte der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche das
       Kunststück fertig, innerhalb weniger Tage sowohl bei „Beckmann“ als auch
       bei „Hart aber fair“ seinen Salm loszuwerden. Eine durch und durch
       unangenehme Type, neben der selbst AfD-Chef Bernd „Lucky“ Lucke, der Mann,
       der schneller grient als sein Schatten, halbwegs moderat und
       CSU-Hardlinerin Haderthauer wie eine Linke wirkt.
       
       Egal ob Zuwanderungsstopp, Steuerbetrug oder elendig ertrunkene
       Flüchtlinge: Überall, wo mit einem Mindestmaß an Mitgefühl ausgestattete
       Menschen einer Meinung sind, verficht Köppel die andere.
       
       Bei den Schweizer Volksabstimmungen setzte er sich für einen
       Einwanderungsstopp, die Abschiebung krimineller Ausländer und ein
       Minarettverbot ein – Themen, mit denen hierzulande klassischerweise
       rechtsextreme Splitterparteien auf Stimmenfang gehen; er verteidigte die
       Thesen Thilo Sarrazins und hält Feminismus für die „Rache der weniger
       hübschen Frauen an den Männern mit den hübschen Frauen“. Ein Satz, der
       offenbar genügt, um statt als Knalltüte als eloquent durchzugehen.
       
       ## Halbwegs verstrahlt
       
       Sein rechtes Erweckungserlebnis hatte der Mann mit dem Minenspiel eines
       Tebartz-van Elst und der Empathie eines Terminators, als er im Frühjahr
       2000 den Anführer der Schweizerischen Volkspartei, Christoph Blocher, traf.
       Blocher ist für Köppel eine „Kernfusion aus Margaret Thatcher, Ronald
       Reagan und Franz Josef Strauß“, wie er einmal schrieb – Grund genug also,
       die Begegnung halbwegs verstrahlt zu verlassen.
       
       Die Weltwoche trimmte er fortan von einer linksliberalen Zeitschrift zur
       rechten Postille. Für Aufsehen sorgte das Blatt nicht zuletzt im Jahr 2012,
       als es das Foto eines mit einer Pistole spielenden Roma-Kindes absichtsvoll
       sinnverkehrend auf den Titel hob.
       
       All dies wird nun mit einer Talkshow-Einladung nach der anderen belohnt,
       wobei auch Höflichkeitsfloskeln wie „Wenn ich mir erlauben darf“ oder „Ich
       möchte mich ja nicht einmischen“ kaum darüber hinwegtäuschen können, dass
       Köppels Krawall ein kalkulierter ist: Über seine verbalen Ausfälle freut er
       sich wie ein Dreijähriger, der am Esstisch „Kacka“ sagt und auf die
       entgleisenden Gesichtszüge seiner Eltern wartet; in einem Fernsehinterview
       erklärte er mal, das Entscheidende an einem Gespräch sei, „dass man die
       andere Person provoziert“. Mit anderen Worten: Der Mann, der selbst dem
       possierlichen Schweizer Zungenschlag etwas Aggressives verleiht, ist
       jemand, mit dem man sich so richtig gern mal nicht unterhält.
       
       ## Menschenfeindlicher Sermon
       
       Sich selbst sieht Köppel als Freund der Meinungsvielfalt, wobei er jedem
       ins Wort fällt, der eine andere vertritt, und wehleidig wird, wenn er
       selbst mal nicht ausreden darf, weil jemand seinen menschenfeindlichen
       Sermon nicht länger erträgt.
       
       Bleibt die Frage, warum es permanent der enervierende Egomane aus der
       Schweiz sein muss, der in Fernsehtalkshows seine Nobelanzüge auftragen
       darf? Ist seine Telefonnummer die einzige, die sich unter dem Stichwort
       „Polit-Tourette“ in der Kontaktdatenbank der Redaktionen findet? Haben
       Arnulf Baring und Peter Scholl-Latour das Stadium der Transportfähigkeit
       mittlerweile verlassen? Ist es tatsächlich so, wie Spiegel Online lobt,
       dass es in Deutschland „schlicht keinen annähernd so eloquenten, eleganten,
       kampflustigen und konservativen Rhetor“ gibt? Oder liegt es eher daran,
       dass man für einen Provokateur ähnlichen Kalibers hierzulande bei
       rechtsextremen Parteien vorstellig werden müsste – was aber natürlich nicht
       geht?
       
       Köppel selbst zieht sich gern darauf zurück, aus dem Ausland zu sein, oder
       aber – noch wirkungsvoller – über einen Migrationshintergrund zu verfügen.
       Schließlich seien seine Großeltern einstmals aus dem ostpreußischen
       Königsberg in die Schweiz emigriert, wie er kürzlich bei „Beckmann“
       verriet. So viel sei zur Ehrenrettung des einheimischen Ekelpaketwesens
       also doch angemerkt: Zu 25 Prozent ist Köppel ein Deutscher.
       
       21 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philip Meinhold
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Peter Scholl-Latour
 (DIR) Diether Dehm
 (DIR) Regensburg
 (DIR) Montagsdemos
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Tatort
 (DIR) Helene Fischer
 (DIR) Internet
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Autor von „Der Tod im Reisfeld“: Peter Scholl-Latour ist tot
       
       Der streitbare wie umstrittene Journalist war bis zuletzt Gast in den
       Talkshows dieser Republik. Am Samstag starb er im Alter von 90 Jahren in
       Rhöndorf am Rhein.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Rote Socke mit Schuss
       
       Oppositionsgeist, der beim unterbelichteten Publikum ankommt: Diether
       „Troubadix“ Dehm ist ein Schurke, der die Welt beherrschen will.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Byzanz an der Donau
       
       Bling, Bling: Tebartz der Prächtige zieht nach Regensburg. Die Stadt
       erstrahlt – mit drei Teilchenbeschleunigern und zwei Delfinarien.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Irre demokratisch
       
       Zur einschlägigen Widerstandsfolklore gehört auch die Montagsdemo. Doch
       zunehmend bemächtigen sich unangenehme Populisten dieser Veranstaltungen.
       
 (DIR) Rechtspopulismus in Europa: Schimpfen auf Roger Köppel
       
       Ist die Schweiz ein Vorbild für die Rechtspopulisten in Europa? Neben
       anderen konfrontiert Gregor Gysi den Chef der Weltwoche auf dem taz.lab.
       
 (DIR) Sarrazin auf Bundespressekonferenz: Den Müll trennen
       
       Sein neues Buch wollte Thilo Sarrazin vorstellen – und niemand kam, ihm den
       Mund zu verbieten. Über mediale Ignoranz klagt er trotzdem.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Mord ist Ihr Hobby?
       
       Die Krimischule der Wahrheit: Zehn Tipps für ein erfolgreiches
       „Tatort“-Drehbuch, mit dem Sie bei Fernsehmachern und -zuschauern
       garantiert punkten.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Scharf wie Marmelade
       
       Das Schlagerwesen Helene Fischer und ihr Feuerwerk der Langeweile.
       Perfektion vor allem in den Disziplinen Dösbackigkeit und Gefühlsduselei.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Cool wie Merkel
       
       Bei den Meinungsumfragen im Videotext ist die Welt noch überschaubar. Die
       Sender gewähren tief gehende Einblicke in das Bewusstsein der Zuschauer.