# taz.de -- Ski-Freestyle in Sotschi: Ein Kreuzbandriss als Glücksfall
       
       > Die Freeskierin Sabrina Cakmakli tritt in Sotschi als einzige Deutsche in
       > der Disziplin „Halfpipe“ an. Die Unterstützung durch den Verband ist
       > dürftig.
       
 (IMG) Bild: Mit gekreuzten Brettern durch die Luft: Ein Freeskier in Sotschi.
       
       BERLIN taz | Mit einem wohlwollenden Rat nahm der Weg von Sabrina Cakmakli
       nach Sotschi seinen Anfang. „Mein Trainer“, erzählt die 19-Jährige, „hat
       mir gesagt, ich soll mal mitkommen, mir nicht so einen Stress machen und
       ein bisschen Halfpipe fahren.“ Diese Empfehlung von Thomas Hlawitschka
       erfolgte erst vergangenen August im Trainingslager in Neuseeland. „Das war
       eher zum Spaß. Ich habe es nie ernst gesehen“, erinnert sich die
       Freeskierin an ihre ersten Versuche.
       
       Ein halbes Jahr später schaffte sie in der Halfpipe in Calgary als
       Weltcup-Zwölfte die nationale Norm, um sich für den Premierenwettbewerb der
       Olympischen Winterspiele zu qualifizieren – und das ist nur eine von
       mehreren Wunderlichkeiten in Cakmaklis Geschichte.
       
       Eigentlich wollte sie nämlich im ebenfalls neuen Slopestyle-Wettbewerb in
       Sotschi starten. Doch nach ihrem Kreuzbandriss im Januar 2013 haderte sie
       im vorigen Sommer damit, dass das Training im Hindernisparcours für das
       ramponierte Knie zu anspruchsvoll war. Zwischen den Steilwänden in der
       Halfpipe, wo die Gelenke weniger beansprucht werden, wurde ihr Traum von
       den Olympischen Spielen wieder mit Leben gefüllt.
       
       Spricht nun das rasante Vorpreschen in den Elitezirkel ihrer neuen
       Disziplin für Cakmaklis Vielseitigkeit oder für eine noch wenig entwickelte
       Sportart? „Beides“, antwortet diese salomonisch. Sie beherrsche die
       Sprungelemente grundsätzlich schon vom Slopestyle. Sie habe eben nur
       umlernen müssen. Andererseits räumt sie ein, sei die Konkurrenz im
       Unterschied zu den Männern noch nicht so groß. Anders ausgedrückt: Bei den
       Freeski-Frauen ist noch vieles möglich. Wobei Cakmakli durchaus Grenzen
       gesetzt sind. Sie sagt, wenn sie in Sotschi ins Finale unter die besten
       Zwölf käme, wäre das ein großer Erfolg.
       
       ## Glücksfall für den Skiverband
       
       Für den deutschen Skiverband ist Sabrina Cakmakli allemal ein wunderlicher
       Glücksfall. Nur dank ihres Kreuzbandrisses hat man nun doch eine Athletin
       in der Halfpipe aufzubieten. Denn mit den olympischen Trendsportarten
       stehen die Funktionäre in Deutschland auf Kriegsfuß.
       
       Im Grunde geht es Sabrina Cakmakli nicht viel anders als den jamaikanischen
       Bobfahrern, die bei den Winterspielen in Calgary 1988 viele belustigten. So
       wie es in der Karibik keinen Eiskanal gibt, verfügte man in der
       international so renommierten Wintersportnation Deutschland bis vor drei
       Jahren über keine Halfpipe. Cakmakli ist eine Exilsportlerin. Zum Training
       muss sie ins Ausland reisen.
       
       Und die einzige Halfpipe am Nebelhorn in Oberstdorf, findet Cakmakli, könne
       man eigentlich auch nicht richtig gelten lassen. Sie erklärt: „Die ist
       immer erst gegen Frühjahr fertig, wenn die Saison sowieso schon vorbei
       ist.“ Obwohl in Sotschi nun schon 20 Goldmedaillen in den
       Freestyle-Wettbewerben der Snowboard- und Skiakrobaten vergeben werden,
       während es in den hierzulande hochsubventionierten Rodel- und
       Bobdisziplinen nur sieben Goldplaketten zu gewinnen gibt, fehlt den
       Funktionären bislang die Bereitschaft, die Geldzuflüsse neu zu verteilen.
       
       Die nötigen Investitionen wären auch nicht unerheblich. Um eine Halfpipe
       nach internationalen Wettbewerbsstandards einen Winter lang zu betreiben,
       müsse man schon mit etwa 120.000 Euro rechnen, erklärt Daniel Schiessl, der
       als Teammanager der erst vor einem guten Jahr gegründete deutsche
       Freeski-Nationalmannschaft betreut.
       
       ## Entspannte Exilsportler
       
       Bei den Freeskiern geht man bislang erstaunlich gelassen mit der dürftigen
       Unterstützung um. Sabrina Cakmakli sagt, das seien eben sportpolitische
       Prozesse, die etwas länger dauern würden. Wenn sie mit dem
       Freeski-Nationalteam unterwegs sei, würden ihr ja immerhin die Hälfte der
       Reisekosten finanziert werden. Geld, das aus den Töpfen der Sportförderung
       des Bundesinnenministeriums kommt.
       
       Für die andere Hälfte und die alltäglichen Ausgaben muss sich Cakmakli
       weiterhin bei potentiellen Privatsponsoren selbst anpreisen. Und weil das
       nicht ganz ausreicht, arbeitet sie, die im Sommer ihr Abitur bestand,
       nebenher noch als Bedienung in einem Restaurant. Auch Schiessl, der mit der
       Freeski Network GmbH eine Gesellschaft gegründet hat, welche die Interessen
       der Freeskier vertritt und mit dem Deutschen Skiverband (DSV) ein
       Kooperationsabkommen hat, arrangiert sich mit den dürftigen Verhältnissen.
       
       Um ihre individuelle Unabhängigkeit zu erhalten, sind die Freeskier gar
       nicht so sehr darauf erpicht, komplett unter die raumgreifenden Fittiche
       des DSV genommen zu werden. So hält sich Schiessl mit Kritik an den
       derzeitigen Zuständen zurück. „Im europäischen Vergleich“, sagt er, „stehen
       wir gar nicht so schlecht da mit der Finanzierung unserer Maßnahmen.“ Es
       fehle eben nur die Infrastruktur.
       
       Dass das Erfolgsdenken bei den Freeskiern nicht mit der üblichen
       Besessenheit von Leistungssportlern verfolgt wird, kann den Erfolg auch
       begünstigen. Das zeigt die Geschichte von Sabrina Cakmakli: entspannt
       bleiben, nicht so viel Stress machen und dann nach Sotschi fahren dürfen.
       
       8 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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