# taz.de -- Wintersportler im Staatsdienst: Uniform und sorgenfrei
       
       > Deutschlands Wintersportler werden fast ausschließlich von der
       > Bundeswehr, dem Zoll oder der Polizei gefördert. Aber wie sieht es bei
       > der Konkurrenz aus?
       
 (IMG) Bild: Biathletin Andrea Henkel bei einer Übung ihrer Bundeswehrsportgruppe.
       
       BERLIN taz | Sogar der große Ingemar Stenmark, Doppelolympiasieger im
       Slalom und Riesenslalom, war mal beim Militär. Er und weitere rund 6.000
       Spitzensportler gehörten besonderen Armeesporteinheiten an, die es zwischen
       1967 und 2000 bei der schwedischen Armee gab.
       
       Diese waren allerdings nicht speziell zur Förderung und Herausbildung von
       Topsportlern eingerichtet worden, sondern sollten diesen ermöglichen,
       parallel zu ihrer Wehrpflicht intensiv zu trainieren. Vor 14 Jahren wurden
       diese Sportplutonen dann ganz abgeschafft: Das Militär musste sparen.
       
       Ähnlich sieht es in den skandinavischen Nachbarländern aus. Es gilt nicht
       als Aufgabe des Militärs oder der Polizei, Spitzensportler zu fördern. So
       verfolgt die Sportschule des finnischen Militärs in Lahti vor allem das
       Ziel, Topsportlern während der bis zu einjährigen Wehrpflicht nebenbei gute
       Trainingsmöglichkeiten zu bieten.
       
       Die norwegische Idrettstropp („Sporttruppe“), die es bis zu ihrer Auflösung
       2004 gab, sollte ebenfalls primär dazu beitragen, dass Soldaten mit
       hochrangigen Sportresultaten Training und Militärdienst besser miteinander
       vereinbaren konnten. Nunmehr ist in Norwegen Spitzensport ein Grund dafür,
       sich von der Wehrpflicht freistellen zu lassen.
       
       Eine wichtige Rolle in Skandinavien spielen die Schulen. In Schweden gibt
       es seit den 1970er Jahren Sportgymnasien, in denen Jugendliche die
       eigentliche Gymnasialausbildung mit ihrem Sport verbinden können. Heute
       werden für rund 30 verschiedene Sportarten in landesweit über 50 Gymnasien
       solche speziellen Ausbildungsgänge angeboten.
       
       Ähnliches gilt für Finnland, und auch in Norwegen wurden beginnend ab 1981
       über ein Dutzend Spitzensportgymnasien eingerichtet. Hat man die
       absolviert, winken Talent-Stipendien und Aufnahme in Trainingszentren der
       einzelnen Sportverbände oder des Nationalen Olympischen Komitees, die es
       ermöglichen, auch ohne Arbeit oder Studium Spitzensport zu betreiben.
       GoldmedaillengewinnerInnen und Weltmeister wie Ole Einar Bjørndalen, Liv
       Grete Poirée, Tarjei Bø, Lasse Kjus oder auch Thor Hushovd gingen diesen
       Weg.
       
       Noch weniger Armisten schicken die USA nach Sotschi. Von 230
       Wintersportlern sind es nur 6, die im sogenannten Army World Class Athlete
       Program trainieren. Es sind Rodler und Bobfahrer wie der Nationalgardist,
       Seargent Nick Cunningham, oder Captain Christopher Fogt, der sogar im Irak
       war. „Ich versuche das Ethos des Kämpfers auf den Sport zu übertragen, ich
       repräsentiere mehr als nur das Team und mich“, sagt er.
       
       ## Militärs und fünf verschiedene Polzeien
       
       Anders ist es in Italien. Die meisten Italiener besitzen eine Uniform.
       Dennoch würden die 122 nominierten Athleten ein recht buntes Bild abgeben,
       wenn sie in ihrer Berufskleidung zum Fototermin erschienen. Denn gleich
       zwei Waffengattungen der Streitkräfte und sechs verschiedene Polizeien sind
       in Sotschi unter der italienischen Flagge am Start.
       
       Die Vielfalt erklärt sich aus dem heftigen Polizeipluralismus, der auf dem
       Stiefel herrscht. Platz eins mit 25 Sportlern belegt die Guardia di
       Finanza, die Finanzpolizei, deren Daseinsgrund eigentlich die Jagd auf
       Steuersünder ist.
       
       Die Carabinieri entsenden 17 Athleten – unter ihnen Schlittenfahrer Armin
       Zoeggeler, der die Fahne ins Stadion tragen wird. Die Forstpolizei stellt
       12 Athleten, die ganz normale Staatspolizei 11, die Knastpolizei Polizia
       Penitenziaria immerhin noch 7 Uniformierte, unter letzteren übrigens die
       adrette Eiskunstläuferin Carolina Kostner.
       
       ## ... und ein paar Zivile
       
       Hinzu kommen noch die Streitkräfte. Das Heer verfügt über ein stolzes
       Kontingent von 20 Sportsmännern und -frauen. Aber auch die Luftwaffe
       schafft es, immerhin 5 ihrer Angehörigen nach Sotschi zu schicken, unter
       ihnen Costantino Ughi, Bremser im Bob. Etwa 80 Prozent der Azzurri sind
       Uniformträger. Aber 25 ganz gewöhnliche Sportler mit ganz gewöhnlichen
       Zivilberufen dürfen auch mittun.
       
       Im Organigramm des französischen Verteidigungsministeriums haben die
       uniformierten Spitzensportler ihr eigenes Zentrum: das Centre National des
       Sports de la Défense (CNSD). Es informiert regelmäßig über die Erfolge der
       Mitglieder der französischen Armee, Marine, Luftwaffe und Gendarmerie bei
       militärischen Wettkämpfen, aber auch bei ganz zivilen Anlässen wie
       Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.
       
       Derzeit sind beim CNSD 180 männliche und weibliche Berufssoldaten als
       Spitzensportler registriert. Sie werden gehätschelt und gefördert, denn die
       Imagepflege ist ausdrücklich ihre Aufgabe: „Sie dienen in den Streitkräften
       intern als Vorbild, um die für den militärischen Beruf wichtige sportliche
       Betätigung zu fördern.“ Und weiter im Text: „Diese Sportler verkörpern
       (gegen außen) auch die Verteidigung und deren Werte in der zivilen
       Gesellschaft. Sie sind so ein Bindeglied zwischen der Armee und der
       Nation.“
       
       ## Hurtige Heeressportler
       
       Bei den Spielen von Peking machten diese Militärsportler zwar nur 8,6
       Prozent der französischen Teilnehmer aus, doch sie gewannen ein Drittel
       aller Medaillen. Bei den Winterspielen in Vancouver kamen 20 Prozent der
       TeilnehmerInnen aus den Reihen der Streitkräfte, sie brachten aber 37
       Prozent der Medaillen heim. Ähnlich zahlreich und erfolgreich, so hofft man
       beim CNSD, sollen auch die uniformierten Olympiateilnehmer aus Frankreich
       in Sotschi sein.
       
       Österreichs Gefreiter Thomas Diethart ließ sich nicht nur in Bischofshofen,
       sondern auch im österreichischen Bundesheer als Überraschungssieger der
       Vierschanzentournee feiern. Der 21-jährige Skispringer wurde nach seiner
       Grundausbildung am 1. Januar als Zeitsoldat verpflichtet. Er wird
       Österreich und dessen Armee auch in Sotschi vertreten.
       
       Der Überflieger aus dem Flachland ist nicht der einzige Berufssoldat, der
       die rot-weiß-rote Fahne hochhalten wird. Auch die Gebrüder Wolfgang und
       Andreas Linger, die im Doppelsitzer rodeln, tragen manchmal Uniform.
       Zwischen 30 und 50 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei
       olympischen Winterspielen beziehen Heeressold. Von den ersten Winterspielen
       in Chamonix, 1924, bis Vancouver, 2010, haben sie immerhin 45 Medaillen
       erobert, darunter 12 goldene.
       
       ## 5.000 Spitzensportler vom Bundesheer
       
       Bei den Sommerspielen ist der Prozentsatz der Soldaten in der
       österreichischen Mannschaft noch größer, nur die Medaillenausbeute (18 seit
       1896) ist deutlich bescheidener. Das Bundesheer hat in den vergangenen 30
       Jahren an die 5.000 Spitzensportler gefördert.
       
       Vor vier Jahren kamen die nordischen Kombinierer, die Rodler und die
       Skispringer mit Goldmedaillen nach Hause. 6 von ihnen dienen. Das
       Heeresleistungssportzentrum in Innsbruck bringt regelmäßig Weltmeister und
       Olympiasieger hervor. Seit sich das Bundesheer für Frauen geöffnet hat,
       nutzen auch immer mehr Spitzensportlerinnen die Möglichkeit, auf
       Regimentskosten zu trainieren.
       
       Zugführerin Nina Reithmayer holte in Vancouver Silber im Rodeln,
       Slalomkönigin Marlies Schild wird mit ihren zwei Medaillen 2006 in Turin
       als Korporal geführt. Sonst sind die Soldaten bei den Alpinen weniger dicht
       gesät. Die besten unter ihnen können von Preisgeldern und Werbeeinnahmen
       prächtig leben. Um die Zukunftshoffnungen kümmert sich der ÖSV. (MB, MV,
       RB, RLD, WOLFF)
       
       5 Feb 2014
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Streitkräfte
 (DIR) Polizei
 (DIR) Militär
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Titelverteidigerin im Riesenslalom: Partout keine Siegeskandidatin
       
       Viktoria Rebensburg gewann Gold in Vancouver. Ob die 24-Jährige den
       Olympiasieg im Riesenslalom am Dienstag wiederholen kann, ist fraglich.
       
 (DIR) Sotschi 2014 – Nordische Kombination: Frenzel fließt
       
       Eric Frenzel springt und läuft in der Nordischen Kombination allen davon.
       Vor Olympia hat er ein Gefühl „wie ein Kleinkind vor Weihnachten“.
       
 (DIR) Sotschi 2014 – Skispringen, Einzel: Die Überfliegerinnen
       
       Endlich ist das Springen und Segeln von Schanzen auch für Frauen olympisch.
       Sara Takanashi ist Favoritin – die junge Carina Vogt will auch eine
       Medaille.
       
 (DIR) Sotschi 2014 – Rodeln, Einsitzer: Skifahren war ihr zu langsam
       
       Alex Gough scheint als Einzige fähig, die deutsche Dominanz im
       Frauenrennrodeln zu brechen. Bereits 2011 gelang der Kanadierin dieses
       Kunststück.
       
 (DIR) Ski-Freestyle in Sotschi: Ein Kreuzbandriss als Glücksfall
       
       Die Freeskierin Sabrina Cakmakli tritt in Sotschi als einzige Deutsche in
       der Disziplin „Halfpipe“ an. Die Unterstützung durch den Verband ist
       dürftig.
       
 (DIR) Indiens Rodler Shiva Keshavan: Yogastunden für Rodelhilfe
       
       Zum fünften Mal nimmt Shiva Keshavan an olympischen Winterspielen teil.
       Weil das IOC Indien ausgeschlossen hat, startet er unter der olympischen
       Fahne.
       
 (DIR) Trendsport in Sotschi: Saltos bis der Arzt kommt
       
       Die Leistungsentwicklung im Ski-Freestyle und Snowboard ist enorm. Die
       Folge sind spektakuläre Sprünge – aber auch schwere Stürze.
       
 (DIR) Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Hort des Schreckens
       
       Doppeltoiletten, Straßenköter, Nacktscanner, FSB und kolorierter Dreck.
       Unsere Auftakt-Kolumne aus Sotschi verspricht spannende Wochen.
       
 (DIR) Fahnenträgerin zur Eröffnungsfeier: Höfl-Riesch macht's
       
       Die Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch wird das deutsche Team am Freitag
       anführen. Sie taugt eher zum Vorbild als Claudia Pechstein. Andrea Henkel
       hatte verzichtet.
       
 (DIR) Sicherheit in Sotschi: USA warnt vor Terroranschlägen
       
       Potenzielle Anschlagsziele seien eher Orte außerhalb des Sportevents, so
       die Einschätzung in Washington. Pussy Riot kritisieren Olympiabauten als
       „Fremdkörper“.
       
 (DIR) Debatte um deutsche Sportler nach Olympia: Erbsenzähler in Uniform
       
       Nach den Olympischen Spielen in London stellt sich eine letzte Frage. Wer
       war besser: Sportsoldaten oder Zivilisten? Ein bizarrer Streit ist
       entbrannt.