# taz.de -- Polizeirecht und Gefahrengebiete: Jeder kann durchsucht werden
       
       > Die Ausweisung von Gefahrengebieten ist eine Hamburger Spezialität.
       > Umstritten ist jedoch, ob die Befugnis mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
       
 (IMG) Bild: Ja was haben wir denn da in der Tasche?
       
       FREIBURG taz | Die Einrichtung von Gefahrengebieten, in denen Bürger
       verdachtsunabhängig kontrolliert werden können, ist seit 2005 im Hamburger
       „Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei“ geregelt. Damals ging es
       vor allem um die Verdrängung der offenen Drogenszene in Hamburg.
       
       In anderen Bundesländern sind verdachtsunabhängige Kontrollen in der Regel
       nur an einzelnen „gefährlichen Orten“, in Verkehrsanlagen sowie an
       Kontrollstellen und im Grenzgebiet zum Ausland möglich.
       
       Konkret heißt es im Hamburger Gesetz: „Die Polizei darf im öffentlichen
       Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen,
       ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen,
       soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in
       diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die
       Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist“ (§ 4 Abs. 2).
       
       Eine richterliche Anordnung zur Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nicht
       erforderlich. Die Maßnahme muss auch nicht zwingend öffentlich bekannt
       gemacht werden. Eine genaue zeitliche Befristung ist ebenfalls nicht
       vorgesehen. Allerdings ist die Maßnahme laut Gesetz zu beenden, wenn sich
       die „Lageerkenntnisse“ der Polizei ändern. Betroffene können beim
       Verwaltungsgericht Hamburg klagen, wenn sie meinen, ein Gefahrengebiet sei
       zu Unrecht oder unnötig lange eingerichtet worden.
       
       Von Anfang an war umstritten, ob die neue Befugnis mit dem Grundgesetz
       vereinbar ist. Im Oktober 2012 entschied das Hamburger Verwaltungsgericht,
       dass die verdachtsunabhängigen Kontrollen in Gefahrengebieten
       verfassungskonform sind, wenn die Vorschriften eng ausgelegt werden. Anlass
       war die Ausweisung des Schanzenviertels als Gefahrengebiet am Vorabend des
       1. Mai 2011, als mit Ausschreitungen gerechnet wurde.
       
       ## Taschen sind nicht tabu
       
       Bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle kann jeder durchsucht werden, der
       nach dem polizeilichen Lagebild als potenzieller Straftäter in Betracht
       kommt. Wenn es um linksradikale Angriffe auf die Polizei geht, kann also
       jeder durchsucht werden, den die Polizei für einen Autonomen hält. Auf
       einen Verdacht gegen die konkrete Person kommt es nicht an. Anders als bei
       einer bloßen Identitätsfeststellung dürfen im Gefahrengebiet auch die
       mitgeführten Sachen, zum Beispiel Taschen, inspiziert werden. Laut
       Verwaltungsgericht dürfen dabei aber keine Metalldetektoren und Spürhunde
       eingesetzt werden.
       
       Aufenthaltsverbote können nur verhängt werden, „wenn Tatsachen die Annahme
       rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird“. Die
       Speicherung als linker Straftäter genügt laut Verwaltungsgericht dazu
       ebenso wenig wie ein nur sprachlich aggressives Verhalten bei der
       Kontrolle.
       
       Aufenthaltsverbote können maximal für sechs Monate verhängt werden und
       gehen damit über den punktuellen Platzverweis hinaus. Das Betreten der
       eigenen Wohnung muss immer möglich bleiben. Die Regelung der
       Aufenthaltsverbote im Hamburger Gesetz zum Schutz der öffentlichen
       Sicherheit und Ordnung (§ 12b) erfolgte ebenfalls 2005, normierte aber eine
       schon vorher übliche Praxis der Hamburger Polizei.
       
       5 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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