# taz.de -- Putin-Gegner Michail Chodorkowski: Vom Straflager direkt nach Berlin
       
       > Angela Merkel hatte sich mehrfach für Chodorkowski stark gemacht. Kaum
       > wurde der von Präsident Putin begnadigt, flog er im Privatjet nach
       > Deutschland aus.
       
 (IMG) Bild: Da saß er noch auf der Anklagebank: Chodorkowski im November 2010.
       
       MOSKAU taz | Der freigelassene frühere Oligarch und Putin-Herausforderer
       Michail Chodorkowski ist überraschend in Berlin-Schönefeld gelandet, wo er
       von Mitarbeitern der Bundespolizei und Exbundesaußenminister Hans-Dietrich
       Genscher in Empfang genommen wurde. In Berlin wolle er seine kranke Mutter
       besuchen, hatte die russische Agentur RIA Nowosti vor der Ausreise
       Chodorkowskis aus Russland gemeldet.
       
       Marina Chodorkorkowskaja hält sich zurzeit in Moskau auf, soll aber schon
       am Samstag in Berlin eintreffen. Bis zum 11. Dezember war die 80-Jährige in
       einer Berliner Klinik behandelt worden.
       
       Beobachter vermuteten schon früh, dass die Ausreise Chodorkowskis Teil
       einer Vereinbarung mit dem Kreml ist und der Deal über Bundeskanzlerin
       Angela Merkel abgewickelt wurde. Ihr Name fiel bereits am Donnerstag,
       unmittelbar nachdem Präsident Putin die Begnadigung angekündigt hatte.
       
       Tatsächlich bestätigte das Auswärtige Amt in Berlin am Abend, dass die
       deutsche Botschaft in Moskau an den Vorbereitungen beteiligt war. Merkels
       Regierungssprecher sagte, dass sich die Kanzlerin mehrfach für den
       Inhaftierten eingesetzt habe. Ablauf und Prozedere der Ausreise erinnern an
       das Schicksal des sowjetischen Dissidenten und Literaturnobelpreisträgers
       Alexander Solschenizyn, der 1974 nach langer Lagerhaft nach Deutschland
       abgeschoben wurde.
       
       ## Den sowjetischen Methoden verhaftet
       
       Chodorkowsi erreichte Berlin an Bord einer Privatmaschine. Das Flugzeug
       habe die Unternehmensgruppe OPO Bettermann aus Menden im Sauerland auf
       Wunsch des ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher zur
       Verfügung gestellt, teilte eine PR-Agentur mit. Das Unternehmen ist in
       Geschäften mit Russland engagiert. Das Auswärtige Amt erklärte, dass
       Genscher mit Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel die Ausreise
       organisiert habe. Chodorkowsi selbst bedankte sich bei dem ehemaligen
       Bundesaußenminister. Er sagte: „Ich denke besonders an diejenigen, die
       weiter in Haft sitzen.“
       
       Die Abwicklung des Casus Chodorkowski zeigt einmal mehr, wie Ex-KGBler
       Wladimir Putin sowjetischem Stil und Methoden verhaftet bleibt. Wie vor 39
       Jahren konnte es auch diesmal dem Kreml nicht schnell genug gehen. Am
       Donnerstag kündigte Wladimir Putin quasi im Vorbeigehen die Begnadigung des
       seit zehn Jahren einsitzenden Exölmilliardärs an und sorgte damit weltweit
       für eine Sensation. Am nächsten Morgen erschien der unterschriebene
       Gnadenerlass bereits auf der Website des Kreml und trat mit sofortiger
       Wirkung in Kraft.
       
       In der Strafkolonie im karelischen Segescha an der Grenze zu Finnland blieb
       dem Begnadigten kaum noch Zeit, seine Sachen zu packen und sich den letzten
       Lohn auszahlen zu lassen, schrieb die Iswestija. Am Mittag verließ dann
       Putins persönlicher Häftling die Strafkolonie in Begleitung seines Anwalts.
       
       ## Geheimdienstler kamen zu Besuch
       
       Der 20. Dezember ist nun nicht nur für den 50-jährigen Chodorkowski ein
       Feiertag. Auch Wladimir Putin begeht ihn regelmäßig im Kreis von
       Gleichgesinnten. Die „Tschekisten“ – Russlands Geheimdienstler – feiern an
       diesem Tag nämlich den Ehrentag ihrer Berufsgemeinschaft. Dass Freilassung
       und tschekistischer Ehrentag zusammenfallen, mag ein Zufall sein. Daran
       will in Russland jedoch niemand mehr recht glauben.
       
       Chodorkowski sagte in Berlin, er habe kein Schuldeingeständnis
       unterschrieben. „Die Frage hat sich nicht gestellt“, sagte er. „Ich habe
       mich am 12. November an den Präsidenten gewandt mit der Bitte um Gnade
       angesichts familiärer Umstände und freue mich über die positive
       Entscheidung“, sagte er.
       
       Laut Kommersant war Chodorkowski vor Kurzem von Geheimdienstlern in der
       Strafkolonie besucht worden. Vermutlich hätten die Gesandten den Häftling
       durch Androhung eines weiteren Verfahrens dazu bewogen, der Begnadigung
       zuzustimmen, mutmaßt das Blatt.
       
       20 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Michail Chodorkowski
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Russland
 (DIR) Begnadigung
 (DIR) Straflager
 (DIR) Michail Chodorkowski
 (DIR) Russland
 (DIR) Michail Chodorkowski
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Michail Chodorkowski
 (DIR) Familie
 (DIR) Michail Chodorkowski
 (DIR) Russland
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Wladimir Putin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Chodorkowski verlässt Berlin: Kreml-Kritiker in die Schweiz gereist
       
       Michail Chodorkowski ist am Sonntag in Basel angekommen. Die Schweiz hatte
       ihm ein Visum ausgestellt. Dort liegt auch ein Teil seines Vermögens.
       
 (DIR) Pussy-Riot in Russland: Putin muss weg
       
       Die aus der Haft entlassenen Punk-Musikerinnen verlangen weiter ein Ende
       der Putin-Herrschaft. Sie wollen sich für einen humaneren Strafvollzug
       einsetzen.
       
 (DIR) Amnestie: „Ein russisch-sowjetisches System“
       
       „Ich hatte kaum mehr geglaubt, dass ich den Tag noch erlebe“, sagt die
       grüne Osteuropa-Politikerin Marieluise Beck. Seit Jahren hält sie engen
       Kontakt zu Michail Chodorkowski. Am zweiten Tag nach seiner Freilassung,
       als die Fernsehjournalisten vor dem Hotel Adlon warteten, traf sie sich mit
       ihm.
       
 (DIR) Kommentar Michail Chodorkowski: Menschenrechte sind nicht teilbar
       
       Wer Chodorkowski sagt, muss auch Snowden sagen: Es gibt keinen juristischen
       Grund, dem früheren NSA-Mitarbeiter die Aufnahme zu verweigern.
       
 (DIR) Michail Chodorkowski in Berlin: Ziellos in Berlin
       
       Der Kremlkritiker sagt beim ersten Auftritt in Freiheit, er wolle weder
       Politik noch Geschäfte machen. Aber er will sich für politische Gefangene
       einsetzen.
       
 (DIR) Michail Chodorkowski in Berlin: In Russland droht erneute Haft
       
       Der Kreml-Gegner Chordorkowski will nicht zurück nach Russland. Er
       befürchtet, dort erneut festgehalten zu werden. Am Nachmittag will er sich
       in Berlin näher äußern.
       
 (DIR) Freigelassener Kreml-Gegner: Chodorkowski trifft Familie in Berlin
       
       Michail Chodorkowski hat seinen Sohn bereits gesehen, nun sind die Eltern
       des Kreml-Kritikers in Deutschland gelandet. Für Sonntag ist eine
       Pressekonferenz angekündigt.
       
 (DIR) Begnadigungen in Russland: Chodorkowski ist frei
       
       Putin begnadigte einige seiner Kritiker, darunter auch Michail
       Chodorkowski. Von einem Gnadengesuch wissen dessen Anwälte aber nichts.
       
 (DIR) Kommentar Freilassung Chodorkowskis: Die Scheinöffnung
       
       Die Begnadigung des Ex-Ölmagnaten ist eine gute Nachricht, aber kein Grund
       für Euphorie. Putins Geste hat handfeste Gründe.
       
 (DIR) Putin lässt seine Gegner frei: Gnade wird olympische Disziplin
       
       Gut Wetter für Olympia in Sotschi: Freiheit für Chodorkowski und
       Pussy-Riot. Wladimir Putin begnadigt einige seiner ärgsten Widersacher.
       
 (DIR) Begnadigung für Kremlkritiker: Chodorkowski soll freikommen
       
       Kremlchef Putin hat eine Begnadigung seines seit zehn Jahren inhaftierten
       Gegners Chodorkowski angekündigt. Er werde ein Gnadengesuch unterschreiben.
       
 (DIR) Amnestiegesetz in Russland: Putin selektiert
       
       Das Amnestiegesetz wird nachgebessert. Greenpeace- und
       Pussy-Riot-Mitglieder können freikommen. Putin-Kritiker Chodorkowskij
       bleibt jedoch in Haft.