# taz.de -- Flüchtlingsunterkunft in Berlin: Akten belegen Deal mit BMW
       
       > Die Senatskanzlei hat dem Autobauer „verbindlich zugesagt“, dass ein
       > Asylbewerberheim in der Nähe einer neuen Niederlassung Ende 2013
       > geschlossen werde.
       
 (IMG) Bild: BMW will jetzt erstmal "intern" klären.
       
       Hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dem Automobilbauer
       BMW zugesagt, ein Flüchtlingsheim neben der künftigen
       BMW-Hauptstadtrepräsentanz zu schließen, sobald diese eröffnet wird? Der
       Senat bestreitet das. BMW bestreitet das. Doch die Akten in der
       Senatskanzlei zu dem Vorgang sprechen eine andere Sprache.
       
       Vergangene Woche hatte die taz berichtet, dass der Vertrag mit dem
       Betreiber eines Flüchtlingsheims in der Charlottenburger Rognitzstraße
       auslaufen sollte – obwohl es durchaus Bedarf dafür gibt. Der Grund: BMW
       habe Probleme mit den Nachbarn – und der Senat sei darauf eingegangen.
       „Nach den mir vorgelegten Unterlagen gab es eine Zusage der Senatskanzlei
       gegenüber BMW, das Flüchtlingsheim Ende 2013 zu schließen“, sagte die grüne
       Abgeordnete Canan Bayram der taz. Bayram hat in dieser Woche Akten in der
       Senatskanzlei eingesehen. Die taz durfte einen Teil davon auswerten.
       
       ## Warum diese Zusage?
       
       So schrieb am 17. Januar 2011 ein Mitarbeiter der Senatskanzlei an BMW:
       „Wie bereits telefonisch übermittelt, bestätige ich Ihnen hiermit im
       Auftrag des Regierenden Bürgermeisters, dass das Landesamt für Gesundheit
       und Soziales dem Regierenden Bürgermeister verbindlich zugesagt hat, dass
       die Nutzungsdauer des Heimes für Asylbewerber […] vertraglich auf drei
       Jahre (bis Ende 2013) befristet wird.“ Für Senatssprecher Richard Meng gibt
       das Schreiben lediglich den damaligen Planungsstand des für die
       Unterbringung von Asylbewerbern zuständigen Landesamtes für Gesundheit und
       Soziales wieder. Aber warum erfolgte die Zusage dann „verbindlich“ und auch
       schriftlich, nachdem sie bereits telefonisch gegeben war?
       
       Dem Schreiben war ein intensiver Kontakt zwischen dem Autobauer und den
       Behörden vorausgegangen. Darüber berichtet Berlin Partner, die
       Wirtschaftsförderagentur der Stadt, am 21. Dezember 2010 an die
       Senatskanzlei. Vorausgesetzt, diese Angaben wurden korrekt wiedergegeben,
       hat BMW im Oktober 2010 vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erfahren,
       dass der Bezirk unmittelbar neben ihrem Grundstück ein Obdachlosenheim mit
       einem Pachtvertrag von fünf bis zehn Jahren plant. Das sei „ein
       Ausschlusskriterium für BMW“, schreibt Berlin Partner und spricht von „sehr
       emotionalen Auseinandersetzungen zwischen dem damaligen Berliner
       Niederlassungsleiter von BMW und dem damaligen Baustadtrat“. BMW wolle
       schließlich 80 Millionen Euro investieren und 300 Arbeitsplätze schaffen,
       steht in dem Schreiben.
       
       Weil die Fronten zwischen BMW und dem Bezirk verhärtet seien, sollte am 12.
       Januar 2011 ein Spitzengespräch zwischen BMW und Klaus Wowereit
       stattfinden. Ob es tatsächlich dazu gekommen ist, geht aus den der grünen
       Abgeordneten vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Fakt ist aber, dass es
       wenige Tage danach das oben erwähnte ominöse Schreiben der Senatskanzlei
       gab – noch rechtzeitig vor dem 28. Januar 2011, dem Tag, an dem der
       BMW-Vorstand in München laut Berlin Partner „über das weitere Vorgehen“,
       also wohl über den Bau der neuen Niederlassung entscheiden wollte.
       
       Dass Berlin statt eines Obdachlosenheimes ein Asylheim einrichtete, lässt
       sich auf verschiedene Weise erklären. Die Senatskanzlei spricht in den
       Akten von einem Missverständnis. Möglich ist aber auch, dass schon dies ein
       Entgegenkommen gegenüber BMW war. In den Akten wird argumentiert, dass aus
       der Erfahrung heraus mit einem „Asylbewerberheim in der Nachbarschaft keine
       Probleme zu erwarten“ seien.
       
       ## Viele Widersprüche
       
       Es gibt noch einen weiteren Widerspruch: Das Flüchtlingsheim hatte
       ursprünglich nur einen Vertrag bis zum Sommer 2013, nicht bis Ende 2013,
       wie die Senatskanzlei damals in Aussicht stellte. Constanze Frey, die
       Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), erklärt das auf diese
       Weise: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales sei „auf Basis der
       damaligen Flüchtlingszahlen und der Prognosen des Bamf nicht davon
       ausgegangen, dass eine längerfristige Nutzung der Einrichtung nötig werden
       würde“.
       
       Im Sommer 2013 erklärte aber der bezirkliche Sozialstadtrat Carsten
       Engelmann (CDU), das Heim werde auf Wunsch von BMW schließen. Im Juli
       fragte die taz daraufhin Franz Allert, dem Präsidenten des Landesamtes für
       Gesundheit und Soziales. Allert dementierte die Schließung im Sommer und
       sagte, der Vertrag sei verlängert worden. Was er nicht sagte: Er wurde
       genau bis zum 31. Dezember verlängert, also bis zu dem Tag, den die
       Senatskanzlei seinerzeit BMW „verbindlich“ in Aussicht gestellt hatte.
       Spätestens da waren den Behörden allerdings die stetig steigenden
       Flüchtlingszahlen bewusst.
       
       ## BMW wollte nicht reden
       
       Die grüne Bezirksverordnete Nadia Rouhani ergänzt: Sie habe Ende November
       im Auftrag des zuständigen Ausschusses des Bezirksparlaments um einen
       Gesprächstermin bei BMW gebeten. Dabei sollte sie um eine
       Vertragsverlängerung bitten. Rouhani: „Seitens BMW wurde mir erklärt, es
       gäbe keinen Gesprächsbedarf. Das seinerseits mit dem Senat verhandelte
       gelte.“
       
       Hat es 2013 noch ein Gespräch zwischen Senat und BMW gegeben? Das
       dementiert der Senat. Aber warum wurde die dringend benötigte
       Vertragsverlängerung erst dann in Aussicht gestellt, als die taz
       berichtete?
       
       BMW-Sprecherin Birgit Hiller sagte der taz, ihr Unternehmen habe kein
       Interesse an einer Verdrängung der Asylbewerber. „Sollte es tatsächlich zu
       Äußerungen hinsichtlich einer gewünschten Nicht-Verlängerung des Vertrags
       gekommen sein, so sind dies Äußerungen von Einzelpersonen. Diese spiegeln
       nicht die Haltung des Unternehmens wider. Wir prüfen den Vorgang intern.“
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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