# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Finale: Pläne, die scheitern, scheitern nicht
       
       > Was bisher geschah: Ein Mord soll Leena von DER LUST erlösen. Ein Mord!
       > Und das, obwohl Leena sich gar nicht mehr so sicher ist, ob sie überhaupt
       > erlöst werden will
       
 (IMG) Bild: Leena gerät außer Kontrolle. Das Monster in ihr erwacht.
       
       Genau“, wiederholte Leena. „Nicht irgendein Mord. Du willst, dass ich einen
       Teil von mir selbst umbringe! Geht’s noch infamer?“
       
       „Jetzt werd mal nicht pathetisch, du hast doch selbst …“
       
       Leena schnitt Nuray das Wort ab. „Pathetisch? Du willst, dass ich DIE LUST
       ermorde!“ Ihre Stimme schraubte sich in Kopftonlagen, von denen sie nicht
       einmal gewusst hatte, dass sie ihrer mächtig war.
       
       „Na und?“, konterte Nuray. „Du wolltest doch, dass sie verschwindet! Und
       wenn unser Plan geklappt hätte, wär sie das ja auch längst.“
       
       „Ach stimmt, der ach-so-geheimnisvolle Plan! Dann kann ich dem Typen, der
       Kay verprügelt hat, ja geradezu dankbar sein.“
       
       Nuray schnaubte. „Spar dir deinen Sarkasmus und kümmer dich endlich um
       diese verdammte LUST! Denk bloß an all die Sachen, die sie dich hat tun
       lassen …“
       
       „Aber es war doch nicht alles Scheiße!“ Leenas Stimme überschlug sich
       mehrfach. „Es war auch toll! Sie … sie macht mein Leben aufregend!“
       
       „Gefährlich!“, brüllte Nuray gegen sie an. „Sie macht es gefährlich. Und
       überhaupt: DU wolltest doch unbedingt frei sein von ihr! Endlich wieder
       selbst entscheiden. Dein eigenes Leben führen …“
       
       „Aber doch nicht, indem ich DIE LUST umbringe!“, tobte Leena. „Meine eigene
       LUST!“
       
       Sie standen sich schwer atmend gegenüber. Leena sah die Ader an Nurays
       Stirn pochen. Sie presste die Zahnreihen aufeinander, bis ihre
       Kiefergelenke schmerzten. Vor ihren Augen tanzten Punkte. Rote, gelbe,
       grüne. Ausgerechnet Nuray hatte sich gegen sie verschworen. Leena bebte vor
       Zorn. Sie spürte, wie ein uralter Instinkt in ihr erwachte, der Nuray die
       Zähne in die Kehle schlagen wollte.
       
       „Okay“, unterbrach Nuray ihre Gedanken. „Du kannst es nicht? Dann mach ich
       es.“ Sie trat einen Schritt auf Leena zu. „Wo ist sie?“
       
       Leena spürte den zitternden Körper DER LUST an ihrem Rücken. Schützend
       griff sie hinter sich. Nuray lachte siegessicher. „Jetzt sag nicht, dass
       sie sich hinter dir versteckt hat“, sagte sie. „Wie originell!“
       
       Leena ließ DIE LUST los und hob drohend die Arme. „Wag es nicht, sie
       anzufassen!“, spie sie. „Ich werde mir das nicht nehmen lassen! Ich werde
       nicht zulassen …“
       
       Blitzschnell griff Nuray um Leena herum und erwischte DIE LUST am Arm.
       
       „Ha!“, triumphierte sie. Sie zerrte die kreischende LUST hinter Leena
       hervor. Leena bekam DIE LUST gerade noch am anderen Arm zu fassen. Einige
       Sekunden lang zogen Nuray und sie in unterschiedliche Richtungen. Dann ließ
       Nuray los, und die jäh befreite LUST prallte hinter Leena gegen die Wand.
       Leena konnte ihren Instinkt nicht mehr kontrollieren. Das Monster in ihr
       erwachte.
       
       Sie stürzte sich auf Nuray.
       
       „Lass die Finger von ihr“, fauchte sie. „Wag es nicht …!“
       
       Sie legte Nuray die Hände um den Hals. Das Monster ließ ihr keine Zeit,
       sich über die Genugtuung in Nurays Augen zu wundern. Leenas Hände waren
       Klauen. Starke Klauen.
       
       „NEIN!“, schrie DIE LUST.
       
       Dann wurde es schwarz um Leena.
       
       Liebe Leena, 
       
       ich werde dich vermissen. Obwohl ich nach wie vor nicht verstehe, warum du
       dich so vor mir gefürchtet hast – schließlich hast du mich doch selbst
       geboren … Erinnerst du dich? Ich war die Antwort auf die Leere, auf die
       Langeweile deines Lebens. Aber du hast ständig nur gekämpft – gegen dich,
       gegen mich und am Ende sogar gegen Nuray. Du kannst von Glück sagen, dass
       es mir gelungen ist, dir deinen blöden Tablet-Computer über den Kopf zu
       ziehen. Stell dir mal vor, dass du Nuray am Ende tatsächlich umgebracht
       hättest! Und dann? 
       
       Dir Mordlust beizubringen stand nie auf meiner Agenda. Für diese
       wahnsinnige Idee kannst du dich bei deinen Freundinnen bedanken – bei denen
       und bei ihrem irren Plan, von dem sie dachten, ich krieg nichts davon mit. 
       
       Er ist übrigens aufgegangen, halbwegs. Sie wollten dich so sehr
       provozieren, dass du dich von mir abwendest. Oder mit mir verschmilzt.
       Beides ist nicht passiert. Stattdessen musste ich mich gegen dich stellen,
       um dich vor dir zu retten. 
       
       Aber abgesehen davon haben sie ihr Ziel erreicht: Ich gehe, weil ich dir
       nichts mehr beibringen kann. Du bist frei, auch wenn du deine zwölf Punkte
       nicht ganz erfüllt hast. Aber du hast Dinge gefunden, die dir Lust
       bereiten. Vier sogar. 
       
       Ich hoffe, in ein paar Tagen lachst du wieder. Du siehst schön aus, wenn du
       lachst. Wenn du entrüstet bist und ergriffen. Du bist lustig, wenn du
       betrunken bist. Und du kämpfst für deine Freunde. … Du hast für mich
       gekämpft, als du dachtest, Nuray würde mich töten. 
       
       Ich werde dich vermissen.
       
       31 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tania Witte
       
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