# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 21: Katzenjammer
       
       > Was bisher geschah: Leena und ihre weltberühmte Partybekanntschaft
       > suchen, als Männer getarnt, die Lust und das „echte“ Berlin. Sie landen
       > in einer Karaokebar und es wird wild.
       
 (IMG) Bild: Nach drei Tagen kommt Leena endlich zu sich. In einem Luxushotel.
       
       Es klopfte. Eine Tür wurde geöffnet. Murmeln, Klirren, zu. Das Rauschen
       einer Dusche. Leena schlug die Augen auf. Warum beginnen alle Tage damit,
       die Augen zu öffnen?, fragte sie sich und fand die Frage dumm. Zumal dieser
       Tag schon auf den zweiten Blick anders war als erwartet.
       
       Das Bett, in dem sie – quer – lag, war riesenhaft und ihr gänzlich fremd.
       Ebenso wie das Zimmer, in dem ihre gesamte Neuköllner Wohnung Platz
       gefunden hätte. Es roch nach Raumspray und Kaffee. Das Laken hatte sich um
       ihren nackten Körper gewunden wie die Schlange um den Äskulapstab. Wobei
       Leena hätte schwören können, dass es andersherum abgelaufen war. Die Dusche
       verstummte.
       
       Ich bin nicht alleine, kombinierte sie. Und – den Ausmaßen des Zimmers nach
       zu urteilen – in einem Hotel. Für weitere Nachforschungen reichte ihr
       detektivischer Spürsinn nicht. Eine Tür öffnete sich und ein Mensch lief
       auf das Bett zu. Leena kniff die Augen zusammen und gab sich Mühe,
       möglichst friedlich auszusehen. Die Schritte hielten an ihrer Seite an.
       
       Lös dich in Luft auf, dachte sie, lös dich einfach in Luft auf. Der Mensch
       stellte etwas neben ihr ab. Eine Hand in ihrem Haar, ein Kuss auf ihrer
       Wange. Leena atmete tief und traumlos. Schritte entfernten sich, es
       raschelte und klapperte, dann schlug die Tür zu. Stille.
       
       Leena zwang sich, die Augen noch vier weitere Atemzüge lang geschlossen zu
       halten. Dann öffnete sie beide zugleich. Zum zweiten Mal. Vor ihrer Nase
       stand ein Tablett. Milchkaffee, Croissants, Brötchen, Rührei, eine Auswahl
       an Obst, Marmeladen und Butter. Im Brotkorb steckte ein Zettel. Leena zog
       ihn heraus und drehte sich auf den Rücken.
       
       Danke. Das war schön. Ich hoffe, du hast ein Stück Lust gefunden. Love. S. 
       
       Fuck, dachte Leena. Das klingt nach …
       
       Hände, Finger, Lippen. Umschlungene Glieder, gierig, schlafend, überwach.
       Küsse auf schwitziger Haut. Orgasmen – multiple? …
       
       Sie schüttelte sich. Ich bin zwar nackt, beruhigte sie sich, aber daran
       würde ich mich erinnern. Mal abgesehen davon, dass ich es niemals tun
       würde. Sie wollte sich gerade entspannen, als sie begriff. DIE LUST! Sie
       zuckte zusammen. DIE LUST hatte die Kontrolle über sie übernommen. Leena
       stöhnte ungläubig. Sie las den Zettel erneut.
       
       Er war auf Hotelbriefpapier geschrieben. Leena sah den Namen ihrer
       Unterkunft, gab es auf, sich zu wundern und schaltete ihr Handy an. Nuray
       hatte angerufen. Sieben Mal. Leena warf ihren ohnehin aufgeweichten
       Veganismus über Bord, strich Butter auf das Croissant und rief zurück.
       
       Eine knappe Stunde später saß ihre beste Freundin neben ihr auf dem Bett.
       Es war Leena weder gelungen, das Bett zu verlassen noch sich zu duschen und
       anzuziehen. Sie war luftleer.
       
       „Raus mit der Sprache“, forderte Nuray und steckte ihre Füße unter Leenas
       Decke. „Was machst du in so einem Luxusschuppen? Hast du im Lotto gewonnen
       oder einen reichen Menschen abgeschleppt?“
       
       „So was“, gestand Leena und erzählte. Der Großteil ihrer Erinnerungen war
       zu absurd, um wahr zu sein. Sie kam ins Schlittern.
       
       „Und dann bist du aufgewacht und jemand war hier?“, half Nuray.
       
       Leena nickte vage.
       
       „Wer?“, wollte Nuray wissen und biss in ihr Honigbrötchen.
       
       „Keine Ahnung“, gestand Leena.
       
       „Du verarschst mich.“
       
       „Echt wahr. Mein Kopf ist eine Wüste.“
       
       „Hattet ihr Sex?“ Nuray entblößte ihre Vanessa-Paradis-Zahnlücke – einen
       Augenblick nur, dann gefror Leenas Antwort ihr Lächeln.
       
       „Nicht, dass ich wüsste.“ Der Schreck stand ratlos zwischen ihnen, bis
       Nuray ihn in die Knie zwang.
       
       „Okay“, sagte sie langsam. „So kann das nicht weitergehen. Wo ist sie
       jetzt?“
       
       „Sie? Ich weiß nicht mal, ob es eine sie oder ein er war.“
       
       „Das mein ich nicht, Leena. Ich will wissen, wo DIE LUST ist.“
       
       Leena horchte in sich hinein. Es war still. Niemand sprach in ihr und auch
       ihr Körper fühlte sich selbstbestimmbar an. Sie überflog den Raum, konnte
       DIE LUST aber auch im Außen nicht entdecken.
       
       „Ich weiß es nicht“, antwortete sie schließlich. „Vielleicht ist sie …
       weg?“
       
       „Träum weiter. Die ist wahrscheinlich nur erschöpft von den ganzen
       Eskapaden.“ Grimmig deutete Nuray mit dem Buttermesser in Richtung des
       Zettels. „Die kommt wieder, verlass dich drauf! Und dagegen müssen wir was
       unternehmen, Leena. Überleg mal, was alles hätte passieren können! Du
       nimmst Drogen, verspielst all dein Geld, gewinnst das Vielfache und landest
       mit einem fremden Menschen in einem Luxushotel am Gendarmenmarkt wieder mit
       einem“, sie überlegte kurz, „Filmriss von fast drei Tagen.“
       
       Leenas innere Rechenmaschine ratterte. „Mittwoch?“, fragte sie schließlich.
       „Heute ist Mittwoch?!“
       
       19 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tania Witte
       
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       Die Autorin Tania Witte schreibt ab sofort jede Woche den Fortsetzungsroman
       „Lust. Ausgerechnet“. Protagonistin Leena wird mit ihrer Lust konfrontiert.