# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 12: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
       
       > Was bisher geschah: Leena versucht sich als Voyeurin im Swingerclub. Doch
       > bei der Erwähnung des SM-Spielzimmers nimmt sie Reißaus.
       
 (IMG) Bild: Isabelle will Leena unbedingt auf eine SM-Party schleppen.
       
       Sie wollte dir also das Spielzimmer zeigen“, wiederholte Isabelle und schob
       sich eine Gabel Curry in den Mund. „Deshalb bist du weggelaufen?“
       
       Leena errötete beim Gedanken an ihren unrühmlichen Abgang aus dem
       Swingerclub. Sie schob die Kichererbsen auf ihrem Teller von rechts nach
       links. Rechts, links, rechts, links.
       
       „Ich bin eben doch keine Voyeurin“, resümierte sie schließlich. „Und
       überhaupt sollte ich dieses blöde Sexthema einfach abhaken und mich mit
       anderen Lüsten beschäftigen. Essen zum Beispiel.“
       
       „Ja“, bekräftigte Isabelle mit Blick auf die zerwühlte Masse auf Leenas
       Teller, „das sieht in der Tat sehr lustvoll aus.“
       
       Leena seufzte. Seit sie vegan lebte, hatte Essen für sie an Genuss
       eingebüßt. Weil sie selbst nicht kochen konnte, weder vegan noch überhaupt,
       weil kein Mensch vegane Fertiggerichte entwickelte und Restaurants vegan
       lebende Menschen selten mitdachten. Und weil sie Fleisch liebte. Fleisch
       und Käse und Eier und Honig. Verdammt.
       
       „Hast du es mal probiert?“, wollte Isabelle wissen.
       
       „Klar, was denkst du denn? Ich hab mein ganzes Leben lang Tiere gegessen.
       Aber irgendwann hat mein Gewissen … Ich leb jetzt schon seit fünf Jahren
       vegan, dabei lieb’ ich Fleisch ...“
       
       „Fleisch? Wie kommst du denn jetzt darauf?“, hakte Isabelle ein. „Ich
       wollte wissen, ob du schon mal SM ausprobiert hast.“
       
       „SM?“
       
       „Na, wenn dich das ’Spielzimmer‘ im Club so verstört hat, liegt das doch
       nah. Es sei denn, du hast dabei an Bauklötzchen, Puppenhäuser und
       Matchboxautos gedacht.“
       
       „Haha“, machte Leena. Ihr Herz begann erneut, gegen sie zu schlagen.
       
       „Warum versucht du’s nicht mal?“, wollte Isabelle, die offene, sinnliche
       Isabelle, die in feministischen Pornos mitspielte, wissen. Sie klang, als
       hätte sie sich mit DER LUST abgesprochen, deren Forderung Leena noch
       überdeutlich im Ohr hatte: „Ich will, dass du jemanden verprügelst …“
       
       „Ich will aber niemanden verprügeln!“, schnaubte Leena Isabelle
       stellvertretend für DIE LUST an und fing einen irritierten Blick des
       älteren Ehepaares am Nebentisch auf. Kein Wunder, dachte sie. Ist ja auch
       wirklich ein absonderlicher Dialog, den wir hier führen. Isabelle schluckte
       ungerührt den letzten Bissen ihres Abendessens herunter und spülte mit
       Mango-Lassi nach.
       
       „Beim SM wird niemand ’verprügelt‘ …“, begann sie.
       
       „Das weiß ich doch!“ Leena schnitt ihr das Wort ab, um ihren aufmerksamen
       Tischnachbarn eine SM-Einführung zum Hauptgang zu ersparen. „Trotzdem: Ich
       wüsste nicht, was mir das bringen sollte.“
       
       „Och …“, sagte Isabelle auf eine Weise, die Leenas Herzschlag sein Tempo
       erneut verdoppeln ließ. Wenn das so weitergeht, dachte sie, lande ich nicht
       nur in der Klapse, weil ich Halluzinationen hab’, sondern auch beim
       Herzspezialisten. Sie wechselte das Thema.
       
       „Eigentlich ist Essen eine tolle Idee. Steht auch auf meiner Liste.“ Sie
       schob Isabelles leergeputzten Teller beiseite und stellte ihren eigenen
       darauf. Auf den freigewordenen Platz legte sie ihren Tablet. Ihre
       Was-ist-Lust?-Tabelle sah beeindruckend aus – was vor allem an den Notizen
       zu ihren Selbstversuchen lag, die immer ausführlicher wurden.
       
       „Krass, du bist ja schon richtig weit!“
       
       „Ja, oder?“, fragte Leena stolz. „Zwölf muss ich ausprobieren, drei müssen
       mir gefallen. Lachen war schon nicht schlecht.“ Sie tippte auf die Spalte,
       in der sie die vergebenen Punkte notierte. Bei „Lachen“ stand 8, „Porno“
       hatte sie von 5 auf 4 korrigiert, bei „Alkohol“ war sie sich noch uneins,
       weil sie sich an den Teil, währenddessen sie angeblich Spaß gehabt hatte,
       nicht erinnerte. „Faulsein“ hatte eine 2 und „Exhibitionismus“, weil es
       keine Null gab, eine 1.
       
       „Dein Exhibitionismus gilt nicht“, unterbrach Isabelle Leenas Erklärungen
       über die Rechenformel, mit der sie den Lustfaktor am Ende ausrechnen
       wollte. „Du hast den Film von deinem Lachflash schließlich nicht selbst ins
       Netz gestellt. Wenn du schon einen Deal mit DER LUST machst, solltest du
       fair sein.“
       
       „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, grummelte Leena. Aber Isabelles
       Argument war zu gut. Sie löschte die Exhibitionismus-Zeile und seufzte.
       „Wieso bin ich bloß weggerannt? Ich hätte schon fast die Hälfte geschafft
       haben können.“
       
       „Wir könnten nachsehen, ob es irgendwo eine SM-Party gibt.“ Isabelles Augen
       waren groß und unschuldig.
       
       Leena schob ihre Brille mit dem Zeigefinger ans Ende der Nasenwurzel. „Und
       dann?“, fragte sie. „Fifty Shades Of Grey in Kreuzberg?!“
       
       26 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tania Witte
       
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       Die Autorin Tania Witte schreibt ab sofort jede Woche den Fortsetzungsroman
       „Lust. Ausgerechnet“. Protagonistin Leena wird mit ihrer Lust konfrontiert.