# taz.de -- Bildungsexperte über Pisa-Studie: „Eine beachtliche Zunahme"
       
       > Von wegen Leistungsabfall: Deutsche Schüler sind besser geworden – auch
       > weil mehr von ihnen aufs Gymnasium gehen, sagt Forscher Eckhard Klieme.
       
 (IMG) Bild: Gute Schüler, ungerechtes System: Seit dem Pisa-Schock hat sich manches verbessert, manches nicht
       
       taz: Herr Klieme, die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler
       haben sich seit Beginn der Pisa-Untersuchungen immer weiter verbessert.
       Warum? 
       
       Eckhard Klieme: In den nationalen Ergänzungsanalysen zur letzten
       Pisa-Studie haben wir festgestellt, dass ein Grund dafür Veränderungen in
       der schulischen Bildungslaufbahn sind. Es gibt weniger Sitzenbleiber, und
       die Kinder werden früher eingeschult. Wenn die Jugendlichen dann durch Pisa
       getestet werden, sind sie schon weiter in ihrer Schulkarriere, haben mehr
       Lernerfahrung und schneiden deshalb besser ab. Außerdem besuchen fünf
       Prozent mehr Schüler ein Gymnasium – das ist eine beachtliche Zunahme.
       
       Heißt das, man müsste einfach alle Kinder aufs Gymnasium schicken, um
       bessere Studienergebnisse zu erzielen? 
       
       Solange wir das jetzige Schulsystem haben, geht das nicht. Viele Kinder
       würden dort auch nicht die Förderung bekommen, die sie brauchen. Aber klar
       ist: Schwächere Schüler können von besseren profitieren und mitgezogen
       werden. Wer sich zwischen zwei Schulformen entscheiden kann, lernt also in
       der höheren Schulform in der Regel mehr. Generell sollte unsere
       Gesellschaft so vielen Jugendlichen wie möglich die Chancen auf hohe
       Abschlüsse ermöglichen.
       
       Die erste Pisa-Studie vor zwölf Jahren löste eine große Bildungsdebatte
       aus, weil deutsche Schüler im internationalen Vergleich nur mäßig
       abschnitten. Im Dezember kommt eine neue Erhebung. Ist der Pisa-Schock
       überwunden? 
       
       Die große Aufregung ist weg, aber viele Probleme sind geblieben, zum
       Beispiel die Geschlechterunterschiede. Mädchen hatten auch bei der letzten
       Pisa-Erhebung nach wie vor die Nase vorn und waren in der Schule deutlich
       erfolgreicher. Auch die sozialen Ungleichheiten waren noch groß, Schüler
       aus den unteren sozialen Schichten waren beim Übergang aufs Gymnasium
       benachteiligt.
       
       Was ist mit den SchülerInnen, die das Gesamtergebnis eher nach unten
       drücken. Gibt es da „Risikogruppen“? 
       
       Ich würde nicht von Risikogruppen sprechen, die die Ergebnisse drücken. Das
       wäre eine falsche Zuschreibung der Verantwortung. Immerhin sind
       hauptsächlich die Schule und die Familien gefordert, wenn es darum geht,
       die Leistungen der Jugendlichen zu verbessern.
       
       Wir haben in Deutschland ungefähr ein Fünftel an Schülern, die ein
       minimales Bildungsniveau nicht erreichen. Viele von ihnen kommen aus
       bildungsfernen Familien. Diesen Problemfaktor halte ich für wichtiger als
       zum Beispiel den des Migrationshintergrunds. Denn beim Übergang zu
       weiterführenden Schulen entscheidet eher die soziale Herkunft als der
       Migrationsstatus.
       
       Sie untersuchen besonders die Leistungen von Kindern aus
       Einwandererfamilien. Haben auch sie sich verbessert? 
       
       Ja. Das liegt auch daran, dass 2009 im Vergleich zu 2000 die
       Einwandererfamilien zu Hause mehr Deutsch sprachen. Eine Rolle spielt auch,
       ob sich die Jugendlichen ihrer Herkunftskultur oder der deutschen Kultur
       zugehörig fühlen. Zwanzig Prozent der Kinder aus Einwandererfamilien
       schwanken zwischen den Kulturen. Diese Gruppe schneidet zum Beispiel beim
       Lesen schlechter ab, selbst wenn zu Hause Deutsch gesprochen wird.
       
       9 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Esslinger
       
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