# taz.de -- Comiczeichner Robert Crumb wird 70: Sex, Drugs und 19. Jahrhundert > Er wrang tatsächlich seine Seele aus. Heute feiert der Amerikaner Robert > Crumb, Schöpfer der genialen Freak-Comics, seinen 70. Geburtstag. (IMG) Bild: Unter LSD hat er in den 1970ern Protagonisten wie Mr. Natural, Fritz the Cat, Mr. Whiteman erfunden. Nun wird Bob Crumb 70. Die Karriere von Robert Crumb lehrt uns, was aus einem neurotischen Postkartenmaler werden kann. Wenn er die richtigen Drogen nimmt. Mit seinem ersten LSD-Trip 1965 „begannen für Mr. Bob Crumb die sechziger Jahre“, schreibt er in einer seiner autobiografischen Reminiszenzen. Bald darauf verlässt Crumb Cleveland und folgt dem Hippie-Trail gen Westen, vorerst, um etwas „freie Liebe“ abzustauben. Schließlich, um als großer Erneuerer des Comics dem Säuresumpf zu entsteigen. Crumb ging nie ganz auf in der psychedelischen Szene. Habituell ein „nineteenth century guy“, konnte er mit der Musik nichts anfangen. Ebenso wenig teilte er die naive Unbeschwertheit der Hippies. Ohne Haight-Ashbury wäre die Legende vermutlich nicht geboren worden. Hier gab es Anschauungsmaterial für seine Freak-Geschichten, ein adäquates Publikum, die Counterculture-Leserschaft, die auf eine solche aberwitzige Selbstbespiegelung nur gewartet zu haben schien. Und genügend wohltätige Chemie als Treibstoff. Seine berühmten Protagonisten Mr. Natural, Fritz the Cat, Mr. Whiteman sind ohne Ausnahme auf LSD entstanden. „Zap Comix“ waren Crumbs erster Eintrag in die Geschichtsbücher des Genres. Nicht wegen seiner formalen Innovationen. Sein Strich ist altmeisterlich, geradezu anachronistisch und steht in der Tradition früher Klassiker wie Edgar Segars „Popeye“. Neu waren hingegen die Themen und nicht zuletzt der Ton. Das „x“ stand für „x-rated“. Crumb schuf Erwachsenencomics, in denen Sex, Gewalt und Drogengebrauch explizit zur Darstellung kamen. Und zwar in einer Sprache, die gespickt war mit obszönen Sprüchen, politischen Slogans und Songzitaten. ## Der Comic als Instrument der Selbstanalyse Zu Beginn der siebziger Jahre laborierte auch Crumb an den kulturellen Transformationsprozessen jener Zeit. Aber es gelang ihm, sein Werk weiterzuentwickeln. Er ließ ab von den Drogen, heiratete die Künstlerkollegin Aline Kominsky, kam zur Ruhe und feilte an seinem Stil. In dieser Zeit erfand er seine aufwendige, an die satirischen Kupferstiche von Honoré Daumier oder gar William Hogarth erinnernde Schraffurtechnik. Crumb erzählte nun konsequent aus der Ich-Perspektive und funktionierte den Comic um zu einem Instrument der Selbstanalyse und -therapie. Er wrang tatsächlich seine Seele aus und brachte die dabei zutage tretenden Zwangsvorstellungen, Ängste, Verirrungen und sexuellen Obsessionen ohne Rücksicht auf sich, seine Familie und die gängige Moral zu Papier. Als er sich irgendwann zu wiederholen glaubte, auch seine Egonummer zur Masche zu verkommen schien, erweiterte er nochmals sein Repertoire und porträtierte seelenverwandte Künstler, geliebte Blues- und Jazzlegenden, aber auch Literaten wie Philipp K. Dick oder Franz Kafka. Vor Kurzem hat er sogar aus der „Genesis“ einen Comic gemacht. Aber das alles ist nur der halbe Crumb. Seine volle Durchschlagskraft entwickelt seine Kunst erst, wenn der eloquente, lebenskluge, grandios über die Stränge schlagende Erzähler mit von der Partie ist. 30 Aug 2013 ## AUTOREN (DIR) Frank Schäfer ## TAGS (DIR) Comic (DIR) Geburtstag (DIR) Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2022 (DIR) Comic (DIR) Comic (DIR) Zeichentrick (DIR) Comic (DIR) Francois Hollande (DIR) psychische Gesundheit (DIR) Pussy Riot ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Neuauflagen zweier Comics: Dauergeiler Kater und Bondage-Posen Comicklassiker, brauchen wir das? „Valentina Underground“ und „Fritz the Cat“ gibt es nun in prachtvollen Neuauflagen. (DIR) Zwei neue Comics von Ed Piskor: Von Phreaking und Scratching Ed Piskor blickt zurück in die USA der späten Siebziger: Mit der Musikenzyklopädie „Hip Hop Family Tree“ und der furiosen Hacker-Story „Wizzywig“. (DIR) Das Graphic Novel „Ausgeliefert": Zwischen Säuferin und Eierkopf Liebesentzug, Fernsehverbot, Alkohol: Die kanadische Autorin Geneviève Castrée macht sich daran, ihre schwierige Kindheit zu verarbeiten. (DIR) Zeichentrick-Legende aus Japan: Traumhafte Schweineseele Arte zeigt den Film „Prinzessin Mononoke“ des japanischen Künstlers Hayao Miyazaki. Der Zeichner von Heidi macht längst nicht mehr nur Kinderfilme. (DIR) Comiczeichner auf Reisen: Ein Fotoalbum voller Comics Emmanuel Guibert verbindet Comiczeichnungen mit Fotografien. Seine Berliner Reiseeindrücke hält er in Aquarell- und Tuschezeichnungen fest. (DIR) François Hollande als Comicfigur: Le Président im ständigen Fegefeuer Die Kritik an Frankreichs unnahbarem Präsidenten Hollande treibt künstlerische Blüten. In zwei neuen Comics wird er genüsslich aufs Korn genommen. (DIR) Kolumne Konservativ: Depressive Mickymäuse An der Krawatte die Haltung erkennen: Wäre es nicht schön, Menschen hörten auf, ihre Ängstlichkeit konservative Überzeugung zu nennen? (DIR) Gerichtszeichnerin über Pussy Riot: Kunst verändert das Bewusstsein Ihre Illustrationen im Prozess gegen Pussy Riot machten Viktoria Lomasko weltberühmt. Trotzdem äußert sie auch Kritik an den jungen Aktivistinnen.