# taz.de -- Sonnenmilch mit Nebenwirkungen: Hormonschutzfaktor 30
       
       > Brustkrebs vom Lippenstift? Minderwertiges Sperma von der Bodylotion? In
       > vielen Kosmetika finden sich Stoffe, die wie Hormone wirken.
       
 (IMG) Bild: Vorher auf die Toxfox-App geguckt? Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.
       
       BERLIN taz | Aufstehen, Zähne putzen, Haare mit Shampoo und Pflegespülung
       waschen, Duschgel, Körperlotion, Gesichtscreme, Deo, Wimperntusche: Man ist
       morgens noch nicht mal aus der Tür und hatte schon Kontakt mit acht
       verschiedenen Kosmetika-Produkten.
       
       Dieser tägliche Gebrauch unzähliger Cremes, Gels und Lotions könnte nicht
       so harmlos sein, wie gedacht: Fast jedes dritte Kosmetik-Produkt enthält
       hormonell wirksame Stoffe, die gesundheitliche Schäden verursachen können.
       Das ist das Ergebnis einer Studie des Bundes für Naturschutz Deutschland
       (BUND).
       
       Der ließ 60.000 Kosmetika auf 16 verschiedene Stoffe untersuchen, die von
       der EU als potenziell hormonell wirksam eingestuft werden, beispielsweise
       Methylparaben, dessen hormonelle Wirkung in Tierversuchen nachgewiesen
       wurde. Solche Stoffe fanden sich in einem Drittel der Kosmetika, bei
       manchen Herstellern sogar in fast der Hälfte der Produkte.
       
       Damit steige das Risiko für bestimme Krebsarten wie Brust-, Prostata- und
       Hodenkrebs, sagt Sarah Häuser, BUND-Chemikalienexpertin und eine der
       Initiatorinnen der Studie. Auch Unfruchtbarkeit, Konzentrationsstörungen
       und Fettleibigkeit stünden in Zusammenhang mit hormonaktiven Substanzen.
       
       ## Anstieg genitaler Fehlbildungen
       
       Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigten zudem, dass seit
       einigen Jahrzehnten weltweit häufiger hormonbedingte Krankheiten zu
       beobachten seien, was nicht auf natürliche Faktoren zurückgeführt werden
       könne. Dazu gehörten eine verminderte Spermienqualität bei jungen Männern,
       genitale Fehlbildungen bei Neugeborenen und eine Häufung hormonell
       bedingter Krebsarten. Diese Entwicklungen seien auf eine übermäßige
       Belastung der Menschen mit hormonaktiven Substanzen zurückzuführen, erklärt
       Häuser.
       
       „Das sind Aussagen, die derzeit wissenschaftlich nicht zu belegen sind“,
       widerspricht Professor Thomas Platzek vom Bundesinstitut für
       Risikobewertung (BfR). Es gebe keinerlei Hinweise, dass die Inhaltsstoffe,
       die in den Kosmetika verwendet würden, systemische Wirkungen im Körper
       hätten. Platzek hält die Kosmetika, wie sie heute auf dem Markt sind, für
       sicher.
       
       ## Der Industrieverband widerspricht
       
       Der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel hält die Darstellung des
       BUND für falsch: Die Mengen an potenziell schädlichen Inhaltsstoffen, mit
       denen Menschen in Kontakt kämen, seien so gering, dass eine „hormonähnliche
       Wirkung“ nicht eintreten könne.
       
       Der BUND fordert von den Herstellern von Kosmetika, auf die Nutzung
       hormonaktiver Substanzen zu verzichten. Die deutsche Politik solle sich ein
       Beispiel an Dänemark nehmen, wo die Stoffe Propyl- und Butylparaben seit
       2011 verboten sind. Zwar gebe es für manche Stoffe wie Methylparaben
       Höchstgrenzen.
       
       ## Der Cocktail ist das Problem
       
       Das Problem sei aber der „Cocktailmix“, warnt Jurek Vengels, der ebenfalls
       an der Studie beteiligt war. Bei der Menge an Produkten, mit denen man
       jeden Tag in Berührung käme, würden Höchstmengen schnell überschritten.
       Besonders gefährdet seien dabei Kleinkinder und Babys, Schwangere und
       Jugendliche in der Pubertät, die alle für hormonelle Einflüsse besonders
       empfänglich sind.
       
       Hersteller von Naturkosmetika verzichten auf hormonaktive Stoffe, bei der
       Drogeriemarktkette dm sind die Stoffe in nur 17 Prozent der hauseigenen
       Produkte gefunden worden. Vengels rät den Verbrauchern, die Gesamtbelastung
       zu minimieren. Dafür hat der BUND die App ToxFox entwickelt: Barcode eines
       Produkts einscannen, sofort werden alle schädlichen Substanzen angezeigt.
       Über die App lassen sich direkt Protestmails an die Hersteller verschicken.
       
       25 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gilda Sahebi
       
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