# taz.de -- Verkehr: Radfahrer sollen kürzertreten
       
       > Der Senat will Mittel für den Neubau von Radwegen kürzen – und damit
       > gegen den Koalitionsvertrag verstoßen. Im Parlament formiert sich
       > Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Wo bisher noch kein Radweg ist, kommt so schnell wahrscheinlich auch keiner mehr hin
       
       Der Senat will weniger Geld in Radwege investieren als bisher. Das ergibt
       sich aus dem Entwurf für den Doppelhaushalt 2014/2015, den der Senat in der
       vergangenen Woche beschlossen hat und dessen Details nun langsam an die
       Öffentlichkeit durchsickern. Im Haushalt sollen nur die Kosten für die
       Sanierung von bestehenden Radwegen stabil bei zwei Millionen Euro liegen.
       Die Kosten für den Neubau von Radwegen sollen dagegen sinken. Im Haushalt
       2012 und 2013 waren dafür jährlich 3,5 Millionen Euro eingeplant, die Summe
       soll nun nur noch bei 2,5 Millionen Euro liegen. Das Geld wird
       hauptsächlich eingesetzt, um Lücken im Radwegenetz zu schließen.
       
       Stefan Kohte vom Verkehrsclub Deutschland kritisiert: „Damit ignoriert der
       Senat die eigene Radverkehrsstrategie, die er erst vor vier Monaten
       verabschiedet hat. Wir fordern das Abgeordnetenhaus auf, den
       Senatsbeschluss zu korrigieren und im Verkehrsetat hin zu einer echten
       Radverkehrspolitik umzuschichten.“
       
       Tatsächlich heißt es in der Radverkehrsstrategie des Senates: „Der
       Nationale Radverkehrsplan (NRVP) der Bundesregierung sieht eine Untergrenze
       von 5 Euro pro Einwohner und Jahr bei den Investitionen für den Radverkehr
       vor. Es wird angestrebt, schrittweise bis 2017 diese Größenordnung im
       Rahmen der Investitionsmittel des Straßenbaus für Maßnahmen zur
       Radverkehrsförderung zu erreichen.“ Da Berlin 3,3 Millionen Einwohner hat,
       müssten die Investitionen eigentlich bei über 16 Millionen Euro pro Jahr
       liegen.
       
       Kohte zieht den Vergleich zu London. Dort hat Bürgermeister Boris Johnson
       in diesem Jahr seine „Vision for Cycling“ mit Investitionen von über 100
       Millionen Euro pro Jahr veröffentlicht. Kothe: „Allein schon durch die
       zeitliche Streckung einiger Straßenbauprojekte könnten viele Millionen für
       die Radverkehrsförderung freigesetzt werden.“
       
       Der Senat beschloss vor einer Woche, in seinem Entwurf für den
       Doppelhaushalt die Ausgaben an vielen verschiedenen Stellen zu kürzen. Er
       reagierte damit auf die Zensus-Ergebnisse, nach denen Berlin 180.000
       Einwohner weniger hat als bisher angenommen und daher jedes Jahr 470
       Millionen Euro weniger aus dem Länderfinanzausgleich erhält.
       
       Tilo Schütz vom Bund für Umwelt und Naturschutz findet es aber falsch,
       ausgerechnet hier zu sparen: „Der Radverkehr in Berlin wächst weiter. Dazu
       kommen die vielen neuen Pedelecs und e-bikes mit höheren Geschwindigkeiten,
       durch die auch neue Anforderungen an die Infrastruktur entstehen. Berlin
       muss vorbereitet sein, um Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern zu
       vermeiden.“
       
       Nach Ansicht des verkehrspolitischen Sprechers der Grünen im
       Abgeordnetenhaus, Stefan Gelbhaar, ist die Senatsentscheidung „ein erneuter
       Affront gegen die Radfahrerinnen und Radfahrer in Berlin. Mit der
       Entscheidung will der Senat wieder den Rückwärtsgang einlegen.“
       
       Die endgültige Entscheidung fällt das Abgeordnetenhaus bis Ende des Jahres.
       Bei den letzten Haushaltsberatungen hatte das Parlament eine vom Senat
       befürwortete Kürzung des Etats für Fahrradinvestitionen noch abgewehrt.
       Auch diesmal könnte es spannend werden. Als erste Gerüchte über eine
       Kürzung der Investitionen in Radwege auftauchten, hatte der CDU-Abgeordnete
       Danny Freymark, Klimaschutzpolitiker und Mitglied im
       Stadtentwicklungsausschuss des Parlaments, der taz gesagt: Wenn es
       tatsächlich zu Kürzungen komme, sei das „ein völlig falsches Signal für die
       Verkehrsentwicklung“.
       
       Wenn die Fraktionen von CDU und SPD mit ihrer Mehrheit im Parlament
       trotzdem die Mittel kürzen, würden sie damit gegen den Koalitionsvertrag
       verstoßen, den beide Parteien abgeschlossen haben. Unter der Überschrift
       „Fahrradfreundliches Berlin“ heißt es dort: „Das derzeitige
       Investitionsvolumen wird fortgeschrieben.“
       
       4 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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