# taz.de -- Endlager für Atommüll: Ein Gesetz – und 33 Leerstellen > Auf den letzten Drücker verabschiedet der Bundestag das Endlager-Gesetz. > Die Besetzung der entscheidenden Kommission wurde aber vertagt. (IMG) Bild: Die Suche nach einem Endlager ist irgendwie trostlos. BERLIN taz | Am Ende ging es alles recht schnell über die Bühne: Weniger als eine Stunde brauchte der – dünn besetzte – Bundestag am Freitagnachmittag, um abschließend über das „Standortauswahlgesetz“ zu beraten und abzustimmen. Und ungewohnt friedlich war die Debatte auch: Abgesehen von der Linkspartei, für die Dorothee Menzner das Gesetz als „Schnellschuss“ ablehnte, lobten alle Parteien den gefundenen Kompromiss. Der Bundestag sei dabei, „eine der letzten großen Streitfragen einer Lösung näherzubringen“, sagte ein blendend gelaunter Umweltminister Peter Altmaier (CDU). „Es ist ein gutes Gesetz“, pflichtete die Grüne Sylvia Kotting-Uhl bei – „das beste, was in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wurde.“ Für die SPD begrüßte Ute Vogt, dass „am Anfang des Prozesses ein starkes Votum des Parlaments steht“. Tatsächlich ist die Entscheidung ein Wendepunkt in der deutschen Atompolitik. War diese in den letzten 30 Jahren fast immer von massiven Konflikten zwischen den Parteien geprägt, gab es im Parlament nun erstmals einen breiten Konsens: Bis auf die Linken (und den FDP-Abgeordneten Jürgen Koppelin, der sich enthielt) votierten alle anwesenden Parlamentarier für das Gesetz; die Zustimmung im Bundesrat in der nächsten Woche ist damit reine Formsache. Doch ob dieser Konsens von Dauer ist, daran gibt es Zweifel. In den letzten Wochen musste Altmaier erleben, wie stark die Widerstände in seiner eigenen Partei sind. Bei der ersten entscheidenden Bedingung für den Konsens – dass kein weiterer Atommüll ins Zwischenlager nach Gorleben gebracht wird – verweigerten ihm die unionsregierten Bundesländer die Unterstützung, indem sie eine Aufnahme kategorisch ablehnten. Die Entscheidung, wohin die nächsten Castortransporte rollen, wurde darum aufs nächste Jahr vertagt. ## Die Kommission wächst Und Anfang der Woche wackelte plötzlich das zweite Zugeständnis an die Opposition – die Einrichtung einer Kommission aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die die Kriterien für ein Endlager erarbeiten soll. Unionsfraktionschef Volker Kauder und Bundestagspräsident Norbert Lammert hatten die Kommission infrage gestellt und den Umweltminister damit offen düpiert. Erst unmittelbar vor der Fraktionssitzung, als ein Scheitern des gesamten Konsenses im Raum stand, stimmten sie der Kommission in veränderter Form doch noch zu. Sie wird zum einen von 24 auf 33 Mitglieder vergrößert – statt sechs jeweils acht PolitkerInnen aus Bund und Ländern, statt zwei nun acht WissenschaftlerInnen, wie bisher jeweils zwei VertreterInnen von Umweltverbänden, Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaften, zusätzlich jetzt ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende. Zum anderen wurde entschieden, dass die PolitikerInnen nicht stimmberechtigt sind. Die letztlich entscheidende Frage, welche konkreten Personen in der Kommission sitzen, konnte aufgrund der komplizierten Verhandlungen allerdings noch nicht geklärt werden. Eigentlich sollte die Besetzung gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes geregelt werden; darauf hatte Niedersachsen explizit bestanden. Nun soll die Wahl durch Bundestag und Bundesrat frühestens im September erfolgen. Die Parteien geben sich optimistisch, dass die Besetzung einvernehmlich gelingen wird, auch wenn diese nun vom Gesetz entkoppelt ist und der Einigungsdruck dadurch geringer ist. „Wir werden das ebenso im Konsens lösen wie alle bisherigen Probleme auch“, sagt CDU-Minister Altmaier der taz. „Das kriegen wir schon hin“, meint auch der Grüne Jürgen Trittin lapidar. ## Die Kommission entscheidet Doch gerade über die Wissenschaftler könnte es Streit geben. Denn mit der Festlegung der Endlagerkriterien entscheidet die Kommission faktisch über den Verbleib von Gorleben im weiteren Verfahren. Wie zuletzt im Untersuchungsausschuss deutlich wurde, haben viele Experten dazu eine feste Meinung – was Konsequenzen für ihre Akzeptanz haben dürfte. „Wenn die Union Bruno Thomauske nominiert, würden wir das nicht akzeptieren“, sagt die Grüne Sylvia Kotting-Uhl. Der ehemalige Mitarbeiter des Bundesamts für Strahlenschutz und des Energiekonzerns Vattenfall gilt als wichtiger Gorleben-Befürworter. Wenn die Grünen allerdings Unionsvorschläge blockieren, dürften CDU und CSU im Gegenzug mögliche Gorleben-kritische Wissenschaftler der Grünen verhindern. Streit zeichnet sich auch um die Plätze der Zivilgesellschaft ab. So drängt etwa die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, in der es viele Gorleben-Befürworter gibt, auf einen der Sitze – was andere Gewerkschaften kritisch sehen. Von der Industrie ist zu hören, dass über Atomforum und BDI die AKW-Betreiber nominiert werden sollen, während der kritischere Dachverband BDEW nicht zum Zug kommt. Eine Zweidrittelmehrheit, die für Entscheidungen über die Kriterien notwendig ist, dürfte unter den 16 stimmberechtigten Mitgliedern der Kommission auf jeden Fall schwierig zu erreichen sein. Aus der Wissenschaft kommt dennoch vorsichtige Zustimmung zum deutschen Verfahren. Der gefundene Kompromiss sei „verdienstvoll“, sagt etwa der Schweizer Geologe und Sozialwissenschaftler Marcos Buser, der lange in der Endlager-Kommission der Schweiz mitwirkte, bis er sie wegen des zu großen Einflusses der Atomwirtschaft verließ. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Kommission sei „die Kompetenz und Integrität der Mitglieder“. Kritischer äußert sich der deutsche Sozialwissenschaftler Klaus Leggewie: „Um Akzeptanz zu erreichen, müsste das Beteiligungsverfahren stärker dezentralisiert werden“, sagte er der taz. 28 Jun 2013 ## AUTOREN (DIR) Malte Kreutzfeldt ## TAGS (DIR) Atommüll (DIR) Atommüllendlager (DIR) Bundestag (DIR) Peter Altmaier (DIR) Schwerpunkt Atomkraft (DIR) Endlagersuche (DIR) Gorleben (DIR) Atommüll (DIR) Atommüll (DIR) Endlagersuchgesetz (DIR) Castor (DIR) Atommüll (DIR) Atommüllendlager (DIR) Schacht Konrad (DIR) Gorleben ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Besetzung der Endlager-Kommission: N.N. strahlt für die Umweltvertreter Der Bundestag wählt für die Endlager-Kommission ein Expertengremium ohne Vertreter der Umweltverbände. Sie hatten aus Protest niemanden benannt. (DIR) Zombie-Endlager: Ein Plan B für Gorleben Will Umweltminister Peter Altmaier den Salzstock doch als mögliches Endlager im Auge behalten? Oder warum lässt er nun klagen? (DIR) Radioaktive Abfälle in Deutschland: Atommüll im Porträt Erstmals haben Aktivisten eine Bestandaufnahme zu allen bekannten radioaktiven Abfällen vorgelegt. Der Bericht umfasst 92 Standorte. (DIR) Atommüll Endlager-Kommission: Umweltverbände unter Druck Die Parteien halten am Zeitplan für die Besetzung der Endlager-Kommission fest. Aber die deutschen Umweltverbänder wollen noch nicht. (DIR) Atommüll in Deutschland: Grüne gegen Werner Müller Die Bundestagsparteien dementieren einen Bericht, dass der ehemalige Wirtschaftsminister die Endlager-Kommission leiten soll. (DIR) Castorblockade von 2011: Freiluft-Knast war illegal Das Landgericht Lüneburg erklärt den Polizeikessel von 2011 für rechtswidrig. Nun sind Schadenersatzklagen der illegal Festgesetzten möglich. (DIR) Endlager-Kommission: Atom-Gewerkschaft sucht Standort Für die wichtige Endlager-Kommission nominiert der DGB ausgerechnet die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Die war bisher großer Fan von Gorleben. (DIR) Konsens zum Endlagersuchgesetz: Kein Amt für politische Entsorgung In der Kommission zur Endlagersuche sollen die Vertreter von Bundestag und Bundesrat nicht abstimmen dürfen. Das soll für Entpolitisierung sorgen. (DIR) Atommüll for ever: Genehmigung futsch, Müll bleibt Nach dem Urteil über das Zwischenlager in Brunsbüttel wird in Schleswig-Holstein und Niedersachsen über die Folgen diskutiert. Atom-Kritiker sehen Sicherheit der Zwischenlager nicht gewährleistet. Kurzfristig bleibt der Müll aber erst mal, wo er ist. (DIR) Verteuertes Atommüll-Endlager: Schacht Konrad kommt später Die Umrüstung des ehemaligen Salzbergwerks zum Endlager verzögert sich weiter. Was heißt das für andere Zwischenlager? (DIR) Streit um Atommüll: Gesetz jetzt, Konsens später Bund und Länder lösen den Streit um die Castor-Behälter – indem sie ihn auf 2014 vertagen. Das rettet das geplante Endlager-Gesetz fürs Erste.