# taz.de -- Kolumne Alles Bio: Was heißt Ideologiekritik?
       
       > In der Linken gehört Diskurs zur Ideologiekritik und Stillstand ist der
       > Tod. Genau das kann leicht zu einem Trip werden.
       
 (IMG) Bild: Eine vertrackte Situation – wie das Ende eines guten Pilztrips
       
       Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, einen Umweg zu wählen.
       
       Wir befinden uns im Wald. Im Gehölz raschelt es, verschiedene Arten von
       Moos bedecken den Boden. Es kracht, wenn man auf dem unebenen Boden auf
       Holz tritt. Ist man länger im Wald, zeigen sich Wege, die Tiere oder
       Menschen vorgezeichnet haben, weil sie sich angeboten haben.
       
       Ideologiekritik ist in der Linken ein schönes Spiel, denn Diskurs gehört
       dazu und Stillstand ist Tod. Wer jedoch Ideologiekritik übt, weil ein
       anderer gesagt hat, dass sie zu üben ist, handelt unselbstständig. Wer
       ideologisch unideologisch ist, ist ideologisch.
       
       Eine vertrackte Situation, die an das Ende eines guten Pilztrips erinnert.
       LSD ist besser als Pilze. Ein Gedanke verstrickt sich immer wieder in
       denselben und man macht sich, obwohl man weiß, dass es in einigen Stunden
       anders sein wird, etwas Sorgen, verrückt zu werden. Man kommt nicht raus,
       so wie es heute immer schwerer wird, sich außerhalb des Kapitalismus zu
       befinden. In [1][einer Blogkritik zum tazlab war zu lesen]: die Freiheit
       ist die Freiheit zur Leistung. Ich kann etwas tun, muss es aber nicht. Die
       Kontrolle liegt ganz bei mir. Herr und Knecht sind vereint.
       
       Hier befinden wir uns also. Der moderne Kapitalismus erfordert ein genaues
       Hinsehen und Vorsicht mit dem Verkünden von Fortschritt und Freiheit, wie
       auch der moderne Faschismus nicht nur Straßenmobs, Polizeihorden und
       Folterwillkür in sich birgt.
       
       Es ist der Krieg gegen dich, es sind sexistische, rasistische,
       ökofaschistische oder antisemitische Gedanken, die einsickern und
       eingesickert sind. Vorurteile machen das Leben einfacher und nur, weil auf
       der Straße keine Frauen mehr geschlagen werden, heißt das nicht, dass es
       keinen Sexismus mehr gibt oder in Zukunft mehr geben wird. [2][Die
       Aufschrei-Debatte] ist eine der üblichen und nötigen Erschütterungswellen,
       die die Frauenbewegung alle paar Jahre braucht.
       
       Die Debatte ist auch Zeichen dafür, dass es neue Perspektiven und
       Instrumente gibt. Es ist im Internet möglich, fröhlich und militant zu
       handeln und mit Worten zuzuschlagen. [3][„Schlag zurück“, singen Früchte
       des Zorns.] Im Internet können Frauen zurückschlagen, wenn Männer
       geschlagen haben. Männer schlagen, indem sie Frauen in die Psychiatrie
       schicken, das geht schon lange so. Hysterie, Emotionalität, Wahnsinn.
       
       Wir befinden uns also im Wald und wissen nicht, wohin wir gehen. Der Wald
       ist bedroht, nicht durch sauren Regen, sondern durch Ausverkauf, Rodungen,
       Ölbohrungen, gentechnisch verändertes Saatgut. Das ist schlimm, weil im und
       vom Wald Menschen leben, die ohne ihn nicht leben können, mit ihm aber sehr
       gut.
       
       Der Wald wird verwüstet. Verwüstung ist mehr als Zerstörung. Die Zerstörung
       beseitigt nur das bisher Gewachsene und Gebaute, die Verwüstung aber
       unterbindet künftiges Wachstum und verwehrt jedes Bauen. Das Wort „die
       Wüste wächst“ kommt aus einem anderen Ort als die gängigen Beurteilungen
       unserer Zeit. [4][„Die Wüste wächst“, sagt Nietzsche.] Er fügt hinzu: „weh
       dem, der Wüsten birgt“.
       
       30 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://unbuddhist.com/2013/04/22/tazlab-2013-neuroquatsch-politillusion-und-die-zeit-der-anderen/
 (DIR) [2] /!110938/
 (DIR) [3] http://www.magistrix.de/lyrics/Fr%C3%BCchte%20des%20Zorns/Schlag-Zur-ck-205977.html
 (DIR) [4] http://books.google.de/books/about/Nietzsche_Gedicht.html?id=p8RJAAAAMAAJ&redir_esc=y
       
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