# taz.de -- Neues Film- und Kunst-Festival: Frischer Wind im Künstlerdorf
       
       > Eine Kunst- und Filmbiennale soll dem angestaubten Kulturleben der
       > legendären Künstler-Gemeinde Worpswede neues Leben einhauchen.
       
 (IMG) Bild: Kunst im Aufbau: In Worpswede sind auch die "Eisernen Männer" des polnischen Bildhauers Zbigniew Fraczkiewicz zu sehen.
       
       BREMEN taz | Massig und voller Rost stehen sie in Worpswede vor der
       Kunsthalle: Neun Männer aus Eisen, deren Körperteile wie Werkzeuge
       zusammengeschraubt sind. Der polnische Bildhauer Zbigniew Fraczkiewicz baut
       sie seit 1984 in Serie und bezieht sich dabei auch auf den Film „Der Mann
       aus Eisen“ von seinem Landsmann Andrzej Wajda.
       
       Dieser wird seltsamerweise nicht auf der ersten Kunst- und Filmbiennale zu
       sehen sein, die am 25. April in Worpswede startet. Dabei geht es auf dem
       neuen Festival genau um solche Bezüge zwischen der bildenden Kunst und dem
       Kino. Doch die Verbindung war hier wohl zu offensichtlich und so werden
       stattdessen mit „Die Hochzeit“ und „Das gelobte Land“ zwei unbekanntere
       Filme von Wajda aus den frühen 1970er-Jahren gezeigt.
       
       Das Künstlerdorf Worpswede, nahe Bremen und mitten im Teufelsmoor, ist eine
       altbekannte Attraktion für Kulturtouristen. Tausende pilgern jährlich zum
       Barkenhoff, dem Modersohn-Haus und dem expressionistischen Café Worpswede.
       16 Galerien und Läden für Kunsthandwerk zehren heute noch davon, dass dort
       im späten 19. Jahrhundert eine Künstlerkolonie gegründet wurde, zu der
       Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker und Heinrich
       Vogeler gehörten.
       
       Auch heute noch leben viele Künstler in Worpswede, aber neue Impulse hat es
       von dort lange nicht mehr gegeben. Wenn Worpswede im Vergleich mit anderen
       Kulturstandorten konkurrenzfähig bleiben will, sollte hier zumindest eine
       zugkräftige Veranstaltung – ein Event – etabliert werden.
       
       Genau dies wird mit der ersten Kunst- und Filmbiennale versucht. Der
       Bürgermeister Stefan Schwenke hofft, mit dieser Initiative „das eine oder
       andere Staubkorn wegzuwischen“. In vier Tagen werden knapp 60
       Veranstaltungen stattfinden, das Budget beläuft sich auf rund 200.000 Euro
       und zu den Höhepunkten zählt die Bühnen-Show „Rilke Projekt live“ mit
       Rezitationen von Nina Hoger und Robert Stadlober.
       
       ## Armin Mueller-Stahl kommt
       
       Außerdem ist Armin Mueller-Stahl zu Gast, der einen Kurzfilm über sein
       Schaffen und den Fantasy-Spielfilm „Taxandria“ vorstellen wird. Darin
       spielt er zwar offiziell die Hauptrolle, wird aber von den surrealistisch
       überbordenden Animationen so rigide in die Ecke gedrängt, dass die Kunst
       das Kino erstickt. Und in diesem Sinne passt der Film, obwohl misslungen,
       wieder genau ins Konzept der Biennale.
       
       Die Grundidee des Initiatoren Jürgen Haase hatte noch nichts mit dem Kino
       zu tun. Ihm fielen die Parallelen zwischen Worpswede und den
       Künstlerkolonien Kazimerz Dolny, Zakopane und Schreiberhau in Polen auf,
       die alle etwa zur gleichen Zeit gegründet wurden. Dies sah er als Chance zu
       einem Austausch zwischen Künstlern in Deutschland und Polen und so lädt er
       nun 20 polnische Maler, Zeichner und Bildhauer von dort dazu ein, in den
       Museen und Galerien von Worpswede ihre Werke zu zeigen.
       
       Da Jürgen Haase von Haus aus Filmproduzent, Regisseur und der ehemalige
       Geschäftsführer des Progress Filmverleihs ist, lag für ihn auch der Schritt
       zu der Zusammenführung von Kunst und Kino auf der Hand. Zwischen beiden gab
       es von Anfang an spannende Verbindungen. Man denke nur an die
       expressionistischen Kulissen in den frühen deutschen Stummfilmen oder
       Henri-Claude Clouzots „Le mystére Picasso“, in dem Pablo Picasso auf einer
       Glasscheibe vor der Kamera malt, so dass man das Entstehen des Werkes
       direkt miterleben kann. In den Filmen, die in den nächsten Tagen in der
       Music-Hall, dem Theater Alte Molkerei oder der Kunsthalle gezeigt werden –
       ein richtiges Kino gibt es in Worpswede schon lange nicht mehr –, werden
       solche Schnittstellen untersucht.
       
       ## Surreal wirkende Wanderung
       
       Perfekt zur Biennale passt etwa der Eröffnungsfilm „Die Mühle und das
       Kreuz“, den der polnische Regisseur Lech Majewski selber vorstellen wird.
       Pieter Bruegels „Die Kreuztragung Christi“ wird in dieser Adaption dadurch
       lebendig, dass die Kamera buchstäblich in das Gemälde hineingeht. Einzelne
       Figuren werden durch Stars wie Rutger Hauer und Charlotte Rampling
       verkörpert und Majeweski hat zum einen mit modernster Computertechnik
       gearbeitet, aber auch überall in Europa nach Landschaften gesucht, die
       denen auf dem Bild ähnlich sind. Das Ergebnis ist eine faszinierende,
       surreal wirkende Wanderung durch ein Kunstwerk.
       
       Da Gerhard Hauptmann zu den Entdeckern der Künstlerkolonie Schreiberhau
       zählte, passt auch er ins Konzept. Deshalb werden mit „Rose Bernd“ von 1919
       und „Die Weber“ von 1927 gleich zwei auf seinen Bühnenstücken basierende
       Stummfilme mit live eingespielter Musikbegleitung gezeigt.
       
       Ausgepolstert wird das Programm durch viele Dokumentationen über Künstler
       oder zeitgeschichtliche Themen wie etwa Peter Schamonis zum Teil sehr
       komischer „Majestät brauchen Sonne“ über Kaiser Wilhelm II., der sich darin
       als der „erste Medienstar des 20.Jahrhunderts“ entpuppt.
       
       Mit einem großen Ansturm rechnen selbst die Veranstalter nicht. Jürgen
       Haase erzählt, im Ort würde mit „mindestens vier Bussen“ kalkuliert – eine
       interessante Maßeinheit der Branche. Er selber hofft auf 3.000 Besucher und
       darauf, dass dies tatsächlich eine Biennale und keine einmalige
       Veranstaltung wird. Bei der französischen Künstlerkolonie Barbizon ist
       schon angefragt worden – da würde dann auch der Picasso-Film passen.
       
       Kunst- und Filmbiennale: 25.4. bis 28.4., Worpswede
       
       24 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Paula Modersohn-Becker
 (DIR) Theater
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Doku über eine Mädchenfreundschaft: Die Geschichte von Paula und Clara
       
       Mit „... einen anderen Weg“ hat die Kunsthistorikerin Fenja Pretzsch eine
       Dokumentation über die Worpsweder Künstlerinnen gemacht.
       
 (DIR) Theater am Mahnmal: Stein des Anstoßes
       
       Das freie Theater „Cosmos Factory“ setzt sich mit der Geschichte des
       Niedersachsensteins bei Worpswede auseinander. Ein mystischer Ort.
       
 (DIR) Vom Moor bis nach Moskau: Neuanfang mit Vogeler
       
       So viel Vogeler gabs nie - geschweige denn, so viel Gemeinsamkeit. Die
       Worpsweder Museen, nun zu einem Verbund zusammengeschlossen, haben eine
       große Gemeinschaftsausstellung zum Schillerndsten der Kolonieväter auf die
       Beine gestellt