# taz.de -- Heroinpolitik in Norwegen: Rauch statt Spritzen
       
       > In norwegischen Fixerstuben darf Heroin gespritzt, aber nicht geraucht
       > werden. Das soll sich nach Vorstellungen des Gesundheitsministers ändern.
       
 (IMG) Bild: Es gibt Alternativen zur Spritze.
       
       STOCKHOLM taz | Sie sind wirklich paradox, die Auswirkungen der bisherigen
       Rechtslage: Im „Sprøyterom“, dem für Drogenabhängigen eingerichteten
       überwachten Spritzenraum in der Storgata 36 in Oslos Zentrum darf Heroin
       gespritzt werden. Aber man darf es nicht rauchen.
       
       Das will Gesundheitsminister Jonas Gahr Støre jetzt ändern. „Die Leute
       sollen da auch rauchen können. Die Spritze ist ja viel schlimmer und
       gefährlicher“, erklärte er in einem Interview mit dem Strassenmagazin
       =Oslo. Am 18. März soll das Parlament entscheiden. Dann könnte ab 2014 in
       Norwegen legal Heroin geraucht werden.
       
       Wobei der Minister aber [1][schnell betonte], dass diese Lockerung nicht
       etwa als völlige Legalisierung des Heroin-Rauchens missverstanden werden
       dürfe. Nur in „Fixerstuben, Raucherzimmern oder anderen speziell dafür
       hergerichteten Räumen“ solle dann das Inhalieren von Heroin erlaubt sein.
       
       Der Effekt dürfte sich in Grenzen halten: Bislang gibt es für die auf
       10.000 geschätzten Heroinabhängigen in ganz Norwegen nur den einen
       „Sprøyterom“ in Oslo. Solche Räume fallen unter kommunale Zuständigkeit.
       Und alle Anläufe, diese auch in anderen Städten einzurichten, scheiterten
       bislang an den Mehrheiten in den Kommunalparlamenten.
       
       ## Strenge Drogengesetzgebung
       
       Norwegen hat ähnlich wie Schweden und Finnland eine vergleichsweise strenge
       Drogengesetzgebung. Zwar hatte ein von der Regierung eingesetzter Ausschuss
       schon vor drei Jahren eine Liberalisierung vorgeschlagen und dabei unter
       anderem konkret eine heroingestützte Behandlung, also Heroin auf Rezept,
       genannt ([2][PDF]).
       
       Für eine so radikale Änderung der Drogenpolitik sei es aber zu früh meint
       Gahr Støre: „Soweit sind wir noch nicht.“ Doch hoffe er, dass der jetzige
       Schritt ähnliche Resultate haben werde, wie in Großbritannien, wo eine
       vergleichbare Legalisierung des Heroinrauchens fast ein Drittel der
       Abhängigen von der Spritze weggebracht habe.
       
       Das erwartet auch Arild Knutsen: „Es ist viel leichter mit Heroin
       aufzuhören, wenn man raucht. Das ist wie der Schritt von einer weit
       fortgeschrittenen Aids-Erkrankung zu einer komplizierten Diabetes.“ Knutsen
       ist Vorsitzender der ideellen „Vereinigung für eine humane Drogenpolitik“
       [3][FHN].
       
       ## 300 Drogentote im Jahr
       
       Er begrüßt die jetzige Ankündigung der Regierung als einen „Durchbruch“:
       „Das wird viele vor einer Überdosis bewahren.“ Was laut Gahr Støre auch das
       Hauptziel der rot-grünen Regierung ist. Es sei „eine Schande für Norwegen“,
       dass das Land mit jährlich zuletzt fast 300 Drogentoten in Europa im
       Verhältnis zur Einwohnerzahl mit an der Spitze stehe.
       
       Ein positiver Schritt aber vermutlich mit wenig Effekt, lautet dagegen das
       Urteil des [4][Fagrådet Rusfeltet], einem Zusammenschluss von im Umgang mit
       Drogenabhängigen Beschäftigten. Er lobt zwar den Gesundheitsminister
       endlich das Problem der Drogentoten auf die Tagesordnung zu setzen, statt
       nur wegzuschauen: „Kein Minister und keine Regierung hat das bisher getan.“
       
       Doch Fagrådet Rusfeltet wie FHN weisen darauf hin, wie paradox es nun
       werde: Man wolle Heroinrauchen zumindest begrenzt erlauben, während der
       Gebrauch von Cannabis und anderen minder gefährlichen Stoffen weiterhin
       verboten bleiben soll. Statt solcher Flickschusterei brauche Norwegen
       endlich eine ganzheitliche Drogenpolitik, die nicht meine, mit Verboten und
       Kriminalisierung allein sei es getan.
       
       6 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.regjeringen.no/nb/dep/hod/aktuelt/nyheter/2013/royking-av-heroin-pa-sproyterom-.html?id=715897
 (DIR) [2] http://www.regjeringen.no/upload/HOD/RappOmNarkotika_nettversjon.pdf
 (DIR) [3] http://fhn.no/
 (DIR) [4] http://www.rusfeltet.no/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
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