# taz.de -- Kolumne Macht: Von Negerlein und Mägdelein
       
       > Offenbar finden einige Eltern es unzumutbar, Kindern zu erklären, dass
       > manche Begriffe im Lauf der Zeit ihre Bedeutung ändern.
       
 (IMG) Bild: Preußlers Klassiker „Das kleine Gespenst“.
       
       Wie traurig. Nicht nur dass der Kinderbuchautor Otfried Preußler gestorben
       ist, sondern dass sein Leben am Ende überschattet war: von der Entscheidung
       des Verlags, aus seinen Büchern einzelne Wörter wie „Negerlein“ zu
       streichen, die von manchen Lesern als diskriminierend empfunden werden.
       
       Dem Vernehmen nach hat sich Preußler dagegen lange gewehrt und am Ende nur
       widerwillig zugestimmt. In der neuen Ausgabe der „kleinen Hexe“ wird es
       jedoch keine Kinder mehr geben, die sich als dunkelhäutige Menschen
       verkleidet haben. Was für ein großartiger Sieg im Kampf gegen Rassismus.
       Oder?
       
       Bei der ganzen Diskussion ging es weder um die Haltung des Autors noch um
       den Kontext des Werkes. Sondern nur um Wörter. Offenbar finden einige
       Eltern es unzumutbar, Kindern zu erklären, dass manche Begriffe im Lauf der
       Zeit ihre Bedeutung ändern. Ja, dass sich sogar die Zeiten gelegentlich
       ändern. Und der Verlag möchte lieber unangreifbar sein, als mit einem
       Vorwort derartige Erklärungen zu erleichtern.
       
       Weil Kinder so etwas nicht mögen? Das hätte man Erich Kästner sagen sollen.
       Der hat die Erläuterungen zu seinen Kinderbüchern sogar selber geschrieben.
       
       ## Erst die Erben gaben nach
       
       Astrid Lindgren ist es zu Lebzeiten gelungen, Säuberungen ihrer Bücher zu
       verhindern. Erst ihre Erben gaben nach. Inzwischen ist der Vater von Pippi
       Langstrumpf kein „Negerkönig“ mehr, sondern herrscht über eine Insel in der
       Südsee. Als ob das die Sache besser machte.
       
       Pippis Erlebnisse im Taka-Tuka-Land spiegeln nämlich tatsächlich – im
       Unterschied zu Preußlers „Negerlein“ – eine problematische Haltung wider:
       dass „Weiße“, wenn sie irgendwohin fahren, dort stets regieren. Das lässt
       sich nicht mit dem Austausch einzelner Wörter korrigieren.
       
       Aber soll man deshalb ein viel geliebtes Kinderbuch auf den Index setzen?
       Nein. Soll man nicht. Man soll ein bisschen mehr Vertrauen in Eltern
       setzen, in eine Umgebung – und vor allem in Kinder. Von denen die meisten
       den Zusammenhang zwischen Hautfarbe und Herrschaft gar nicht automatisch
       herstellen.
       
       ## Mit feuchten Augen
       
       Auch Astrid Lindgren war keine Rassistin. Sie war geprägt von ihrer Zeit.
       So, wie alle Leute das sind. So, wie Tania Blixen das war, als sie in ihren
       Erinnerungen an Kenia das Volk der Kikuyu mit Tieren verglich. Ein
       wunderbares Buch ist ihr gelungen, aber es ist nach heutigem Verständnis
       rassistisch. Der Text ist die Grundlage für den Film „Jenseits von Afrika“,
       bei dem viele Leute feuchte Augen bekommen. Das Buch ist bis heute
       unverändert.
       
       Ein unzulässiger Vergleich? Tania Blixen hat für Erwachsene geschrieben,
       Otfried Preußler für Kinder. Na und? Auch Kinderbücher sind Literatur. Jede
       andere Einschätzung ist respektlos – Kindern gegenüber und gegenüber den
       Texten, die ihnen etwas bedeuten.
       
       Wenn man damit anfängt, Bücher auf den jeweils korrekten Zeitgeist hin zu
       aktualisieren, dann gibt es kein Halten mehr. Josephine Siebe, geboren
       1870, war eine der ersten Autorinnen, deren Kinderbücher nicht belehrend,
       sondern vor allem unterhaltend sein sollten. Bis heute gibt es Neuauflagen.
       
       ## Finger weg!
       
       Schaut niemand hin? Vor allem im Hinblick auf das Rollenverhalten von
       Frauen und Männern müsste da einiges korrigiert werden. Was dem Negerlein
       recht ist, sollte dem Mägdelein billig sein.
       
       Oder nicht? Nein, lieber nicht. Lasst die Finger von Texten, solange sie
       verständlich sind. Und lasst uns um Otfried Preußler trauern.
       
       22 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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