# taz.de -- Achtelfinale Champions League: Barcas verstopfte Kanäle
       
       > Der AC Mailand zeigt in der Champions League, wie man den FC Barcelona
       > besiegt. Präsident Berlusconi kommt der Sieg im Wahlkampf gerade recht.
       
 (IMG) Bild: Ungewohnte Situation, ungewohnte Reaktion: enttäuschte und geschlagene Barca-Profis in Mailand.
       
       MAILAND taz | „Die Außerirdischen wurden auf der Erde festgenagelt“,
       jubelte die römische Tageszeitung La Repubblica nach dem historischen
       2:0-Sieg des AC Mailand im Achtelfinalhinspiel der Champions League gegen
       den FC Barcelona ([1][ZDF-Zusammenfassung, ab Minute 148]). Die Erdung der
       Extraterrestrischen gelang den Mailändern dank einer taktischen
       Meisterleistung von Trainer Massimiliano Allegri. Er verzichtete in feiner
       Ironie auf die von Klub-Präsident Silvio Berlusconi vorgeschlagene
       Manndeckung gegen Messi.
       
       „Der Präsident ist ein Mann des Fußballs. Ich werde seine Vorschläge in
       Erwägung ziehen“, hatte Allegri diplomatisch gesagt – und sich prompt
       dagegen entschieden. Stattdessen optierte er für zwei elastische
       Viererketten.
       
       Deren hintere hielt Barcelona über weite Strecken der ersten Halbzeit fern
       vom eigenen Strafraum und ließ später wenig Bälle in ihren Rücken
       passieren. Die zweite, etwas weiter vorn postierte, versperrte aufmerksam
       die Kanäle, durch die gewöhnlich Barcas Ballstaffetten zirkulieren. Deren
       Ballverteiler Xavi wurde zu ungewöhnlich vielen Fehlpässen gezwungen (9 von
       111 Bällen kamen nicht an).
       
       Messi hatte nicht den Raum, um jene Tempoläufe zu entwickeln, die seine
       stärkste Waffe sind. Allegri hatte Barca geometrisch schachmatt gesetzt.
       Seine Spieler übertrugen diese Vorgabe fast ohne Transmissionsverluste auf
       den Rasen.
       
       ## Selten klare konter
       
       Nur eines gelang den Rossoneri bei ihrem Überraschungscoup nicht vollends:
       Die Ballgewinne wurden selten mit klaren Kontern abgeschlossen. Damit
       haderte denn auch Allegri. „Mit einem 3:0 hätten wir sie getötet. Jetzt
       müssen wir angesichts der hohen Zahl an Toren, die sie zu Hause
       produzieren, mindestens ein Tor selber schießen“, meinte er. Der Architekt
       des Erfolgs blieb auch in der Stunde des Triumphs realistisch. Die
       Eigenschaft, gefasst zu bleiben, zeichnet ihn bei Höhen wie bei Tiefen aus.
       
       Barcelonas Schmähungen, Milan hätte nur eine „Lehrstunde Catenaccio“
       gezeigt – so der selbst nicht sattelfest wirkende Barca-Abwehrmann Pique –
       konnte Allegri an sich abprallen lassen. Denn seine Mannschaft war trotz
       lediglich 27 Prozent Ballbesitz stets auch nach vorn orientiert. Mehr
       Kaltblütigkeit im Konterspiel hätte das Debakel für die Katalanen sogar
       noch schmerzhafter ausfallen lassen können.
       
       Freilich profitierte Milan auch von einer großzügigen
       Schiedsrichterentscheidung. Muntaris hoch erhobene Arme, an die der Ball
       prallte, den Boateng zum zwischenzeitlichen 1:0 verwandelte, hätten im
       eigenen Strafraum in 90 Prozent aller Fälle zu einem Strafstoß geführt.
       Offensiv ließ der Schotte Thompson Milde walten, weil die Ballberührung
       nicht willentlich erschien.
       
       Ob Silvio Berlusconi der verblüffende Coup seiner Fußballer [2][im
       Wahlkampf] etwas nützt, ist fraglich. Zwar widmete Allegri den Sieg artig
       „unserem Präsidenten“. Doch der Wahlkämpfer Berlusconi zog einem
       Stadionbesuch einen Auftritt in der Polittalk-Show [3][„Porta a Porta“]
       vor. Er mochte selbst nicht an das fußballerische Mirakel von Mailand
       geglaubt haben.
       
       ## Dummenfang
       
       Italiens Wählern ist durchaus zuzutrauen, dass sie in der dritten Dekade
       Berlusconis zwischen guten Produkten im Fußball und hohlen Versprechungen
       in der Politik zu unterscheiden gelernt haben. Maximal einen oder zwei
       Prozentpunkte soll Wahlanalysten zufolge die Verpflichtung Mario Balotellis
       gebracht haben – zu wenig für eine erfolgreiche Aufholjagd.
       
       Balotelli selbst hatte frech zu erkennen gegeben, dass er niemals gewählt
       habe und daher auch nicht seinen aktuellen Arbeitgeber. Von einem
       Stimmungsumschwung Balotellis in dieser Hinsicht ist nichts bekannt. Nach
       seiner Pause gegen Barca – er war wegen seiner vorhergehenden Einsätze bei
       Manchester City nicht spielberechtigt – konzentriert er sich auf das Derby
       gegen seinen Ex- Klub Inter am Wochenende.
       
       Auf aktuellen Dummenfang im Wahlkampf ging Berlusconi zuletzt mit dem
       Versprechen, Teile der Grundsteuer für Immobilien und landwirtschaftliche
       Nutzflächen zurückzahlen zu wollen. Schon vor der Wahlnacht hatten einige
       Gutgläubige die Formulare für die Rückerstattung bei der Post erbeten.
       Nicht auszuschließen, dass Berlusconi mit solchen Tricks noch aufholt. Wie
       Reformen ohne Grundsteuer gelingen sollen, verrät er allerdings nicht.
       
       Vielleicht nehmen sich Italiens Wähler ja ein Beispiel an Allegri: den
       alten Mann reden lassen und das tun, worin die eigene Kompetenz besteht.
       Auch in dieser Hinsicht war der Abend im Meazza-Stadion eine Lehrstunde.
       
       21 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/1711902#/beitrag/video/1846994/Die-ganze-Sendung,-mit-Milan---Barca
 (DIR) [2] /Debatte-Italien/!111288/
 (DIR) [3] http://www.portaaporta.rai.it/dl/portali/site/page/Page-0e5050a3-ea62-4bc5-9e4c-d5b26c958aca.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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