# taz.de -- Doping-Beichte im TV: Armstrongs wässrige Tour
       
       > Epo, Testosteron, Kortison, Eigenblut. Es sind Tränen geflossen bei
       > Armstrongs TV-Doping-Geständnis. Aber zu weiteren wichtigen Fragen
       > schweigt er.
       
 (IMG) Bild: Dopen sei für Lance Armstrong so selbstverständlich gewesen wie „Reifen aufpumpen“.
       
       BERLIN taz | Lance Armstrong hat gesprochen. Das hat dem defizitären und
       zuschauerarmen Fernsehsender Oprah Winfrey Network (OWN) eine gute Quote
       beschert und dem ehemaligen Radstar weltweite Aufmerksamkeit. Oprah Winfrey
       interviewte den Texaner in dessen Heimatstadt Austin persönlich. Man hatte
       sich bereits Anfang der Woche in einem Hotel zur Aufzeichnung des
       zweieinhalbstündigen Interviews getroffen. Seitdem lief eine groß angelegte
       PR-Kampagne, die beiden zugutekommen sollte, der Talkmasterin und dem
       Sportler.
       
       OWN entschied sich, das Interview zu splitten, weil es „schade gewesen
       wäre, wenn so großartiges Material im Schneideraum liegen geblieben wäre“,
       wie Winfrey offenbarte. Der erste Teil wurde Freitagnacht deutscher Zeit
       ausgestrahlt, der zweite folgt 24 Stunden später. Sie sei den Ausführungen
       von Armstrong „gebannt“, ja fast schon „hypnotisiert“ gefolgt, sagte
       Winfrey, und ja, auch Tränen seien geflossen (in Teil 2).
       
       Ein weinender Lance, wer wollte das nicht sehen? Selten wurde ein Gespräch
       absichtsvoller anmoderiert, selten wurde der dramaturgische Kniff des
       Cliffhangers derart überstrapaziert. 112 Fragen hatten Winfrey und ihr Team
       ausgearbeitet, vorbereitet hatte sie sich wie auf eine „Uni-Prüfung“, sagte
       sie. Es gehörte natürlich zur Strategie dieser monströsen
       Medieninszenierung, dass im Vorfeld ein paar pikante Details an die
       Öffentlichkeit gedrungen waren.
       
       Armstrong würde beichten, er würde Doping zugeben. Aber wie weit würde sein
       Geständnis gehen? Wie detailreich würde er sich offenbaren? Was müssen
       seine Kompagnons befürchten? Nun, Armstromg hat in der Tat zugegeben,
       gedopt zu haben – mit Epo, Testosteron, Kortison und Eigenblut. Eine
       Überraschung, gar eine Sensation oder ein mediales Erdbeben war das gewiss
       nicht, denn in dem 1000-seitigen Bericht der US-Antidopingbehörde Usada,
       der im vergangenen Herbst veröffentlicht worden war, steht ja schon schwarz
       auf weiß, wie Armstrong in seiner Karriere betrogen hat.
       
       Elf ehemalige Teamkollegen hatten gegen ihn ausgesagt. Die Beweislast war
       erdrückend. Armstrong konnte gar nicht mehr anders, als sich zu offenbaren,
       sonst wäre er wohl als der verbohrteste Dickkopf, den es jemals gegeben
       hat, in die Geschichte des Sports eingegangen. Aber auch für dieses
       logische Geständnis hat er Wochen gebraucht. Bis zuletzt hatte er gegen die
       Wahrheit gekämpft, Teamkollegen angeschwärzt, sie in Misskredit gebracht,
       Druck auf Zeugen ausgeübt und seine Anwälte ins Rennen geschickt.
       
       ## „Ich habe niemals gedopt“
       
       Bis zu diesem OWN-Interview hatte Armstrong immer abgestritten,
       Dopingmittel eingenommen zu haben. Er hat Journalisten ins Gesicht gelogen,
       er hat Fans und Sponsoren an der Nase herumgeführt, er hat 2005 unter Eid
       gelogen und Winfreys Fernsehkollegen Larry King im gleichen Jahr
       gemaßregelt: „Nein, das ist verrückt, ich habe niemals gedopt.“
       
       Gestern sagte er: „Ich betrachte das als eine große Lüge, die ich sehr
       häufig wiederholt habe. Wahrscheinlich ist es für die meisten Leute zu
       spät, und das ist mein Fehler. Diese Episode meines Lebens ist geprägt von
       Respektlosigkeiten. Der Sport zahlt jetzt den Preis dafür. Das tut mir
       leid.“
       
       Er habe seine Macht missbraucht, auch stehe er „nicht auf einer moralischen
       Plattform“, von der aus er jetzt verkünden könne: „Hey, lasst uns den
       Radsport sauber machen.“ Er habe so lange gezögert, weil er die „Story“,
       sein Lügengebilde also, schlicht für „perfekt“ hielt – mit sieben
       Tour-de-France-Siegen, tollen Sponsoring-Verträgen, Kindern und der
       Familie. „Ich war ein Typ, der alles unter Kontrolle haben musste. Das ist
       unentschuldbar. Ich hatte den unbändigen Willen, zu siegen. Diese Arroganz,
       ich kann sie nicht leugnen“, sagte Armstrong.
       
       ## Größter Betrüger der Radsporthistorie
       
       „Ich sehe die Wut und die Enttäuschung der Leute, die mich unterstützt und
       mir geglaubt haben. Sie haben das Recht, sich betrogen zu fühlen. Ich werde
       den Rest meines Lebens damit verbringen, das Vertrauen zurückzugewinnen.“
       Spricht so ein reuiger Sünder? Kann man jemandem Glauben schenken, der als
       der größte Betrüger in der Radsporthistorie gilt, der immer dann zu
       schauspielerischer Großform aufgelaufen ist, wenn es darum ging, den Leuten
       die Unwahrheit zu verkaufen und der auf den Fundamenten seiner angeblichen
       Glaubwürdigkeit eine Stiftung aufgebaut hat?
       
       Travis Tygart, der Chef der Usada, findet, Armstrong sei einen „kleinen“
       Schritt in die richtige Richtung gegangen. Armstrong habe „endlich
       zugegeben, dass seine Radsport-Karriere aus einer kraftvollen Kombination
       aus Doping und Betrug“ bestanden habe. Erledigt sei die Affäre für den
       Ex-Profi aber noch nicht. Wenn es Armstrong ernst damit sei, „seine Fehler
       zu korrigieren, muss er unter Eid ein vollständiges Geständnis seiner
       Doping-Aktivitäten“ ablegen.
       
       Zu sagen gäbe es noch einiges: Welche Rolle spielte der Radsportweltverband
       UCI wirklich? Warum wurde er hundertfach getestet - und kam immer davon?
       Welche Strippen zog Armstrong im Hintergrund? All diese Dinge kamen in
       Armstrongs halbgarer, allzu berechnenden Beichte viel zu kurz. Der
       Präsident der internationalen Antidopingbehörde Wada, John Fahey, ist von
       Armstrongs Einlassungen enttäuscht. Fahey übte vor allem Kritik an der
       Aussage, durch den Dopingkonsum habe er, Armstrong, lediglich faire
       Voraussetzungen im Peloton geschaffen („Ohne Doping war es nicht möglich zu
       gewinnen“).
       
       Diese Behauptung sei „ein bequemer Weg zu rechtfertigen, was er getan hat.
       Durch solche Aussagen werde Armstrong „völlig unglaubwürdig“. Der Wada-Chef
       zeigte sich von dem Auftritt enttäuscht. „Er hat keine Namen genannt, hat
       nicht verraten, wer ihn mit Dopingmitteln versorgt hatte, welche
       Funktionäre involviert waren“, bemängelte Fahey: „Falls er auf Erlösung aus
       war, war er nicht erfolgreich.“ Betsy Andreu, eine Zeugin der Usada-Anklage
       und Frau des ehemaligen Rennfahrers Frankie Andreu, hielt Armstrong
       Heuchelei vor: „Warum soll ich jemanden glauben, der immer gelogen hat?“
       
       ## Bitch ja, fett nein
       
       Betsy Andreu, die immer schon eine vehemente Gegnerin von Doping war und
       bereits 1996 im Zuge der Krebsbehandlung von Armstrong erfahren hatte, dass
       dieser dopt, gehört zu den Opfern von Armstrong. Ja, sagte der gestern zu
       Oprah Winfrey und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, er habe sie eine
       „Bitch“ genannt, für „fett“ habe er sie aber nie gehalten. Diese Episode
       zeigt, wie viel dreckige Wäsche in der Ära Armstrong gewaschen worden ist.
       Auch Armstrongs Anti-Krebs-Stiftung „Livestrong“ distanzierte sich von
       ihrem Gründer.
       
       „Wir sind enttäuscht über die Nachricht, dass Lance Armstrong die Menschen
       während seiner Karriere getäuscht hat - inklusive uns.“ Die einstige
       Lance-Armstrong-Foundation heißt jetzt Livestrong Foundation. Markenzeichen
       der Organisation sind gelbe Armbänder mit der Aufschrift Livestrong.
       Beliebter sind derzeit aber Bändchen mit der Prägung „Liestrong“.
       
       18 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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