# taz.de -- Kolumne Südpost: Arabisches Feuilleton und der Westen
       
       > Viele arabische Intellektuelle suchten lange die Nähe der Mächtigen. Nun
       > wollen sie schon immer Oppositionelle gewesen sein.
       
 (IMG) Bild: Ägyptens Mubarak und Libyens Gaddafi mit ihren Freunden.
       
       Wer meint, dass sich nur die Rhetorik der arabischen Herrscher gleicht,
       irrt. Ja, sie alle denunzieren die Demonstranten als Agenten, die eine
       westliche Agenda ausführen, und beteuern, dass sie den gerechtesten und
       demokratischsten Regimen der Welt überhaupt vorstehen. Das war bei den
       inzwischen abgesetzten Machthabern so und unterscheidet sich bei den
       Kandidaten für einen baldigen Abgang, von Sudans Baschir bis hin zu Syriens
       Assad, nur in Schärfe und Grad an Wahnwitz.
       
       Nicht anders als die arabischen Potentaten und Präsidenten verhalten sich
       aber auch eine lange Reihe arabischer Intellektueller, die über Jahrzehnte
       hinweg ihre Zuflucht unter den Fittichen der Macht gesucht haben, um
       Ignoranz, Unwissenheit und Demagogie zu propagieren. Gemeint sind all jene
       offiziellen Sprachrohre im Getriebe der Macht, an den Spitzen der
       Kulturinstitutionen, die Chefs der Feuilletons der offiziellen Zeitungen,
       Leiter von Festivals, Konferenzen, Symposien und Komitees zur Verleihung
       von Literaturpreisen, in all den verschiedenen Bereichen von Kunst und
       Kultur.
       
       So wie die Machthaber im politischen Bereich über einen Kontrollarm aus
       Polizei, Armee, Sicherheitskräften und Geheimdiensten verfügen, so können
       sie sich im kulturellen Bereich auf die Dienste von Intellektuellen als
       Vermittler verlassen.
       
       Das muss nicht zwangsläufig durch eindeutige Lobhudelei geschehen, wie es
       beim eher grobschlächtigen und unklugen Regime Saddams der Fall war,
       sondern vielmehr durch eine gezielte Ummünzung der Themen in Literatur und
       Kunst, bis sie mit kreativem Schaffen nichts mehr zu tun haben. Daher wird
       in den Feuilletons unserer offiziellen Presseorgane stets ein Kampf der
       „arabischen Nation“ gegen Imperialismus und Zionismus heraufbeschworen.
       
       ## Das „irakische Modell“
       
       Es sind eben jene Intellektuellen, die uns jetzt wieder unverfroren
       angrinsen und uns weismachen wollen, dass sie schon immer revolutionär und
       oppositionell gewesen seien: Sie und niemand sonst habe die Revolutionen
       und den Sturz des Despotismus vorhergesagt. Zuallererst haben das die
       Iraker erlebt.
       
       Mit dem Sturz ihres in Ungnade gefallenen Diktators in den Schlund der
       Hölle sahen sie die gleichen Schreiberlinge auftauchen, die zu seinem Lob
       „epische“ Balladen verfasst und für Krieg und Rassismus gesungen hatten.
       Auf einmal waren diese –dreist wie sie sind und ohne einen Anflug von Scham
       – voll des Lobes für die neuen Machthaber in Bagdad. Dieses „irakische“
       Modell ist beileibe kein Einzelfall.
       
       Seit dem Sturz von Tunesiens Ben Ali oder Ägyptens Mubarak lesen wir immer
       wieder von diesem oder jenem Intellektuellen, wie er seine Unschuld
       beteuert, bekräftigt, dass er stets der Macht und ihrer Privilegien entsagt
       habe. Tunesier, Ägypter und Libyer gebärden sich so, wobei sie ganz zu
       vergessen scheinen, dass sie ihre Regime bis zuletzt verteidigten und sich
       erst gegen es erhoben haben, als sie ganz sicher sein konnten, dass der
       Wind sich gewendet hatte (so etwa der Ägypter Gamal al-Ghitani).
       
       Viele haben nichts aus der Geschichte gelernt. Ja, es ist, als würden sie
       sagen: Ach, es ist doch nur eine Frage der Zeit. In ein, zwei Monaten haben
       alle alles vergessen, wie das so mit uns war. Die Machthaber kommen und
       gehen, aber sie behalten ihre Stellungen, ihr Platz bleibt in der ersten
       Reihe.
       
       ## Was Diktaturen erzählen
       
       Drei Bände sind vor Kurzem in Libyen aufgetaucht. Sie dokumentieren die
       Namen derjenigen, die einst Gaddafis Gespür für Literatur priesen und seine
       Gastfreundschaft genossen. Darunter sind Menschen wie die Libanesin
       Alawiyya Sobh oder die Ägypterin Miral al-Tahawi (beide sind auch auf
       Deutsch verlegt) und viele andere.
       
       Man muss vielleicht die Diktaturen für solche Dokumentationen loben,
       erzählen sie doch viel. Nun warten wir alle auf den Sturz von Syriens
       Assad. Wie viele solche Bände à la Gaddafi werden er und seine
       Kulturbürokratie uns dann wohl hinterlassen?
       
       Aus dem Arabischen von Nicola Abbas
       
       18 Sep 2012
       
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