# taz.de -- Schachweltmeisterschaft: Remisangebot des schnellen Brüters
       
       > „Du siehst einen spannenden Film – und plötzlich fällt dein Fernseher
       > aus.“ So schildert ein Ex-Weltmeister das unfassbare Remisangebot von
       > Titelverteidiger Anand.
       
 (IMG) Bild: Schach-WM: Boris Gelfand (l.) gegen Viswanathan Anand, der passenderweise den Spitznamen „Vishy“ trägt.
       
       BADEN BADEN taz | „Der schnelle Brüter“ aus Indien scheint sich auf seine
       Schnellschachqualitäten zu verlassen. Während die Experten kopfschüttelnd
       das Remisangebot von Weltmeister Viswanathan Anand zur Kenntnis nahmen,
       zögerte Boris Gelfand nicht lange, das „Geschenk“ im 22. Zug anzunehmen.
       Nach dem zehnten Remis in zwölf Partien und dem 6:6 geht die mit 2,55
       Millionen Dollar dotierte WM in die Verlängerung.
       
       Anand gilt als klarer Favorit in den vier am Mittwoch beginnenden
       Schnellschachpartien. Der Herausforderer aus Israel hat ihn bei 35 Duellen
       mit weniger als einer halben Stunde Bedenkzeit erst einmal geschlagen. Bei
       23 Remis gelangen dem Weltmeister 11 Siege.
       
       Während Anand auf die Frage nach der Statistik zumindest vielsagend
       schmunzelte, antwortete Gelfand schmallippig, er sei zum Spielen hier,
       „nicht zum Schätzen von Chancen“. Die beiden Großmeister akzeptierten auch
       keine Kritik an ihren drögen Partien, die selten 30 Züge dauerten. „Wir
       sind nicht hier, um die Leute zu unterhalten! Wir spielen um die Krone“,
       raunzte der sonst so freundliche Weltranglisten-20. aus Rischon LeZion.
       
       Der 2007 von Anand entthronte Wladimir Kramnik plädierte nach der erneuten
       Arbeitsverweigerung in der zwölften Runde für ein künftiges Remisverbot.
       „Du siehst einen spannenden Film – und plötzlich fällt dein Fernseher aus“,
       klagte der Livekommentator in der Tretjakow-Galerie. Vor allem fiel dem
       russischen Weltranglistendritten „kein einziger Grund ein“, warum der
       Titelverteidiger ein Unentschieden anbot.
       
       ## Herausforderer in Zeitnot
       
       „Das hat mich geschockt“, gestand Kramnik und nannte den halben Punkt zum
       6:6 „ein Geschenk an Boris. Er war in Zeitnot“. Gelfand musste noch 18 Züge
       in einer Viertelstunde absolvieren, was erheblichen Druck erzeugt, zumal
       Anand einen Bauern mehr hatte. Der Weltranglistenvierte rechtfertigte sich.
       Es seien in der ausgeglichenen Stellung „nicht mehr genügend Figuren auf
       dem Brett gewesen“, um auf Gewinn zu spielen.
       
       Sein alter Kontrahent Kramnik, der früher als Remisschieber galt, hielt
       dagegen: „Dieses Remisangebot war eine der merkwürdigsten Entscheidungen,
       die ich je bei Weltmeisterschaften sah!“ Der Kommentator mutmaßt, dass die
       Offerte „kein gutes Zeichen für Anand-Fans ist, denn der Friedensschluss
       bedeutet, dass er dem hohen Druck nicht standhält“. Dieser sei am Mittwoch
       noch höher. Immerhin werden die Schachspieler für die bisherige Langeweile
       entschädigt: „Wir bekommen jetzt einen unterhaltsamen letzten Tag“, freut
       sich Kramnik.
       
       30 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut Metz
       
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