# taz.de -- Genossen machen die taz: „Wir Fans sind mehr als Jubelmasse“
       
       > Olaf Forner ist Aktionär – bei Union Berlin. Den Wandel vom reinen Fan
       > zum stimmberechtigtem Vereinsmitglied sieht der 46-Jährige als echte
       > Alternative zum Konsumterror im Fußball.
       
 (IMG) Bild: Olaf Forner in der taz-Konferenz. BVB-Fan ist er jedenfalls nicht.
       
       BERLIN taz | Es gibt eine Entwicklung im Fußball der letzten Jahre, die
       unsere Gesellschaft massiv verändert hat. Ich finde das, ehrlich gesagt,
       scheiße. Aber es ist nun mal so. Zuschauer in einem Fußballstadion zu sein,
       gilt heutzutage als schick. Haufenweise Pseudofans tummeln sich auf den
       Rängen. Früher knüpften Entscheider in Theatern oder sonstwo Kontakte.
       
       Heute passiert das in Fußball-VIP-Logen und in den Businessbereichen der
       Stadien. Hier werden Geschäfte angebahnt und Deals vorbereitet. Diese Leute
       haben nicht wirklich Interesse an dem, worum es aus meiner Sicht eigentlich
       geht: um Fußball und Leidenschaft pur.
       
       Zu einem Problem wird es, wenn die Businessfraktion maßgeblich darüber
       entscheidet, wie Fußball präsentiert wird und wie Fußball auszusehen hat,
       wenn es also fast nur noch teure Sitzplätze gibt, von Werbung
       zugekleisterte Spiele und finanzoptimierte Konzepte rund um den Verein.
       
       Zum Glück geht Union diesen Weg nicht mit. Wir Fans haben das Stadion
       selbst renoviert. Wir haben Blut gespendet für Union. Und wir haben für den
       Bau unserer Haupttribüne einen Weg der Planung und Finanzierung gefunden,
       der uns Fans die Kontrolle belässt. Wir wollen nicht nur schmückendes
       Beiwerk sein und Jubelmasse, wir wollen mehr sein. Und seit Kurzem bin ich
       auch Union-Aktionär.
       
       ## Nur Vereinsmitglieder können Aktionäre sein
       
       500 Euro habe ich für eine Aktie hingelegt, kein Pappenstiel für mich.
       3.500 Union-Fans haben insgesamt 5.473 Aktien erworben. Auch ein Verein wie
       Borussia Dortmund ist eine Aktiengesellschaft. Dort werden die Aktien an
       der Börse gehandelt. Bei uns können nur wir Vereinsmitglieder Aktionäre
       sein, und niemand hat mehr als zehn Stimmen in der
       Stadionbetriebsgesellschaft. Das heißt: Die Gesamtheit der Fans kann
       mitentscheiden.
       
       Natürlich hat auch ein Verein wie Union Sponsoren, mittlerweile sogar einen
       Pool von 170 Geldgebern. Für alle lohnt es sich, ohne großes
       Marketinggehabe dabei zu sein. Denn es ist so, dass in der Fanszene wie in
       einer Familie sehr darauf geachtet wird, wer für einen ist und wer nicht.
       Das gilt auch für Sponsoren. Klar, geben auch wir Fans unser Geld, aber es
       geht doch darum, dass es uns nicht aus der Tasche gezogen wird. Bei uns im
       Stadion gibt’s deswegen preiswerte Bratwurst, billiges Bier.
       
       Es gibt Fangesänge in allen Blöcken, keine Werbeberieselung und vor allem
       Fußballgenuss direkt am Spielfeldrand. Deshalb strömen immer mehr neue
       Zuschauer in unser Stadion, selbst aus England, Holland, Dänemark kommen
       sie, um das zu erleben, was bei Ihnen verloren ging: echten, authentischen
       Fußball.
       
       Klar, man braucht Geld, um im Profifußball mitspielen zu können. Die Frage
       ist allerdings, wie man es bekommt. Als Fan eines Traditionsklubs ist man
       geneigt, gegenüber den Vereinen, die durch einen Mäzen gefördert werden,
       überheblich zu sein, sich abfällig zu äußern. Aber ich finde, jeder soll
       seinen eigenen Weg gehen. Union macht es natürlich besser mit der
       Mitgliederbeteiligung als ein Verein wie Hoffenheim.
       
       ## Auf der Baustelle des Fanhauses
       
       Als Aktionär werde ich vom Zuschauer zum stimmberechtigten Vereinsmitglied.
       Das ist praktische Teilhabe. Aber richtig glücklich werden wir Unioner
       sowieso erst wieder sein, wenn wir in einem Jahr auf der Baustelle unseres
       Fanhauses stehen und es selbst in die Höhe ziehen werden. Anpacken,
       mitmachen, mitgestalten – das ist unser Ding.
       
       Das macht Union Berlin aus. So was suchen echte Fußballfans. Ging man vor
       30 Jahren nur zum Fußball, um mal so richtig raus aus dem Alltag zu kommen
       und die Sau rauszulassen, so ist man heute eigentlich immer Fan, quasi
       ganztags. Wer ist denn noch im Taubenzüchterverein, bei den Rassekaninchen,
       sammelt Briefmarken oder baut an der Modelleisenbahn? Eben. Aber beim
       Fußball, da ist man die ganze Woche dabei. Man darf nur nicht Konsument in
       einer Maschinerie sind.
       
       Wenn Entscheidungen in den Vereinen fallen, dann treffen sie meist deren
       Vereins-führungen und Marketingabteilungen. Der Fan bleibt außen vor. Nicht
       so bei Union. Es gab diesen Mythos des Gemeinsam-Berge-Versetzens bei Union
       ja schon immer. Aber es brauchte erst eine Vereinsführung, die spürte, wie
       man das so umsetzen kann, dass der Verein auch wirtschaftlich überleben
       kann.
       
       Wer miterlebt hat, wie sich Menschen im gemeinsamen Tun in ihrer
       Sozial-kompetenz weiterentwickeln, der weiß, dass es auch im Fußball eine
       Alternative zum Konsumterror gibt! Das macht viel Arbeit und ist nur mit
       enormem Aufwand von Ehrenamtlichen möglich. Das machen wir aber alle gern,
       weil es uns als den etwas anderen Verein ausweist.
       
       Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April
       erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk
       oder am [1][eKiosk] auf taz.de.
       
       13 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /ekiosk
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Olaf Forner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Genossen machen die taz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) taz-Genosse über Matthias Wolf: „Einer, der über uns richtet“
       
       Union-Berlin-Fan und taz-Genosse Olaf Forner über den Fall Matthias Wolf.
       Vielen im Verein war der Sportjournalist zu kritisch. Er wurde gemobbt und
       musste gehen.
       
 (DIR) Union Berlin: Kombinieren ist auch nicht alles
       
       Der Köpenicker Club versucht, vom althergebrachten Rumpelfußball Abstand zu
       nehmen. Das führt zu ansehnlichen Spielzügen - aber nicht zum erhofften
       Erfolg.
       
 (DIR) Geldanlage Fan-Anleihen: Teure Liebeserklärung
       
       Immer mehr Fußball-Klubs legen Anleihen auf. Die sind vor allem bei den
       Fans beliebt. Großinvestoren halten sich zurück: Der Erfolg ist zu schlecht
       zu kalkulieren.
       
 (DIR) Kolumne Pressschlag: Lauter Einmalige
       
       Bei Union Berlin gibt es rechtzeitig zu Weihnachten ein großes Oratorium im
       Stadion. Derweil wird auf der Kleinkunstbühne der Klubgeschichte gehuldigt.