# taz.de -- Andreas Rüttenauer will DFB-Präsident werden: Es geht nicht ums Gewinnen
       
       > Grant Wahl forderte 2011 bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten Sepp Blatter
       > heraus. Mit der taz spricht er über Sinn und Chancen scheinbar
       > aussichtsloser Kandidaturen.
       
 (IMG) Bild: Grant Wahl, ein würdiges Vorbild für Andreas Rüttenauer.
       
       taz: Herr Wahl, kennen Sie Wolfgang Niersbach? 
       
       Grant Wahl: Ja, ich habe ihn bei der WM 2006 in Deutschland kennen gelernt.
       
       Hätten Sie gedacht, dass Ihre Kampagne einen deutschen Journalisten dazu
       inspirieren würde, gegen Niersbach anzutreten? 
       
       Nein, natürlich nicht. Aber es ist toll zu sehen, dass ich so etwas
       angestoßen habe. Neben Andreas hat auch ein Journalist in Brasilien für das
       Präsidentenamt des dortigen Verbandes kandidiert.
       
       Aber er hatte ebenso wenig Erfolg wie Sie. 
       
       Das kommt darauf an, was man unter Erfolg versteht. Es ist schwierig, so
       eine Wahl wirklich zu gewinnen. Ich habe zwar nicht gewonnen, aber Erfolg
       hatte ich trotzdem. Denn meine Botschaft hat die Leute erreicht.
       
       Die da wäre? 
       
       Es geht darum, wie korrupt und undemokratisch die Fifa regiert wird. Das
       wollte ich zeigen. Und ich denke, es ist mir auch gelungen, viele Fans auf
       dieses Problem aufmerksam zu machen.
       
       Waren Sie als Journalist die richtige Person für eine solche Kandidatur? 
       
       Ein Journalist kann der Öffentlichkeit zeigen, was los ist, wo die Probleme
       sind. Aber wichtig ist auch, dass die Fans Druck auf ihre Verbände ausüben
       und mehr Mitsprache, mehr Demokratie einfordern.
       
       War das auch die Motivation für Ihre eigene Kandidatur? Mehr Demokratie? 
       
       Leider hat sich die Fifa mit den Jahren fast zu einer Art Diktatur
       entwickelt. Dort regieren immer wieder dieselben Leute und bei einer Wahl
       gibt es nur einen Kandidaten. Ich finde, dass man die Amtszeiten des
       Präsidenten begrenzen müsste. Niemand sollte länger als für zwei
       Wahlperioden regieren. Nehmen Sie Sepp Blatter. Er regiert die Fifa seit
       1998. Das finde ich falsch. Niemand sollte länger als acht Jahre
       Fifa-Präsident sein oder dem Exekutivkomitee angehören. Wandel ist gut!
       Denn wenn man zu lange an der Macht ist, tut man irgendwann Dinge, bloß um
       an der Macht zu bleiben. Ich war vor kurzem in Argentinien. Der Präsident
       des dortigen Verbandes, Julio Grondona, ist schon seit 1979 im Amt und
       außerdem seit 1988 Vizepräsident der Fifa. Das ist ein Witz!
       
       Sind Sie wegen dieser Mängel auf die Idee gekommen zu kandidieren? 
       
       Schon. Die Idee kam mir im Januar 2011. Damals hatte Sepp Blatter, genau
       wie schon 2007, keinen einzigen Gegenkandidaten. Und ich dachte: Hey, in
       einer guten Demokratie gibt es eigentlich mehr als einen Kandidaten. Und
       überall wo ich in der Welt hinfahre, um über Fußball zu berichten, sind die
       Fans nicht mit der Fifa zufrieden. Sie halten die Fifa nicht für sauber und
       glauben, dass Sepp Blatter mit schmutzigen Mitteln an die Macht gekommen
       ist - mit der Unterstützung von Funktionären, die ebenfalls mit unsauberen
       Mitteln arbeiten. Und da anscheinend niemand anders kandidieren wollte,
       dachte ich: Warum nicht ich?
       
       Haben Sie sich auch vom Fersehkomiker Stephen Colbert inspirieren lassen,
       der 2008 in South Carolina bei den demokratischen Vorwahlen für das Amt des
       US-Präsidenten angetreten ist? 
       
       In der Geschichte der USA gab es einige Kandidaturen wie meine und
       Colberts. Etwa die des Schriftstellers Normal Mailer, der sich Ende der
       1960er Jahre um das Amt des Bürgermeisters von New York beworben hat. Was
       eine solche Kandidatur leistet, ist vor allem, Themen zu setzen, die keiner
       der klassischen Kandidaten anspricht. Es geht nicht ums Gewinnen. Mein Ziel
       war es schließlich auch nur, ein Land dazu zu bringen, mich bei der Wahl
       aufzustellen.
       
       Dann haben Sie Ihr Ziel allerdings verfehlt. 
       
       Ich wusste, dass es schwer werden würde. Die Fifa ist eine sehr
       verschlossene Organisation. Ich habe vieles versucht und unter anderem vor
       dem Uefa-Kongress gesprochen. Ich habe mich sogar mit den Funktionären
       eines Verbandes getroffen, der mal die WM gewonnen hat. Sie haben mir
       gesagt, dass sie sich vorstellen könnten, in einer geheimen Wahl für mich
       zu stimmen, aber dass sie mich unmöglich nominieren könnten, weil die
       Nominierung öffentlich ist. Sie hatten Angst vor den Konsequenzen.
       
       War es der deutsche Verband? 
       
       Nein, sie waren es nicht. Aber ich hätte es ihnen zugetraut. Immerhin war
       es Theo Zwanziger, der eine Untersuchung der WM-Vergabe an Katar gefordert
       hat. Davor habe ich Respekt.
       
       Obwohl Sie die Nominierung verpasst haben, war das Echo auf Ihre Kandidatur
       gewaltig. 
       
       Stimmt, ich habe Medien aus etwa 40 Ländern Interviews gegeben, sogar CNN
       hat über mich berichtet. Auch die Reaktion der Fans war sehr positiv. Auf
       unserer Website hatten wir eine Abstimmung über den Fifa-Präsidenten. Ich
       habe 95 Prozent bekommen, Blatter 2 Prozent. Das ist natürlich nicht
       wissenschaftlich, aber es zeigt, dass die Meinung der Fans sich nicht in
       der aktuellen Personalpolitik der Fifa widerspiegelt.
       
       Warum war trotzdem niemand bereit, Sie zu nominieren? 
       
       Die kleineren Verbände brauchen schlicht und einfach das Geld der Fifa,
       etwa durch das "Goal"-Programm, das ihnen finanzielle Unterstützung
       garantiert. Sepp Blatter benutzt dieses Programm als politisches
       Instrument. Deshalb war mir klar, dass mich allenfalls ein mittlerer oder
       großer Verband nominieren würde. Ich habe es vor allem bei den
       skandinavischen Ländern versucht, da diese Länder für Transparenz bekannt
       sind. Und natürlich habe ich auch beim US-Verband angeklopft.
       
       Warum haben die sich die Chance entgehen lassen, einen Landsmann zu
       nominieren? 
       
       Sie wollen demnächst noch einmal die WM haben. Die USA haben zwar die
       Nominierung für 2022 verpasst, aber sie rechnen sich Chancen für 2026 oder
       2030 aus. Deshalb wollte der Verband nichts tun, was Blatter wütend gemacht
       hätte.
       
       Es wollte also kein Verband das Risiko eingehen, Sie zu nominieren? 
       
       Das stimmt. Und das sagt schon einiges über die Fifa aus, oder?
       
       Hat Sepp Blatter jemals auf Ihre Kampagne reagiert? 
       
       Nein. Aber ich habe mich auch nie besonders angestrengt, mit ihm in Kontakt
       zu treten.
       
       Andreas Rüttenauer hat letzten Freitag sein Zelt vor der DFB-Zentrale in
       Frankfurt aufgeschlagen und das Gespräch mit Wolfgang Niersbach gesucht.
       Niersbach ist aber durch den Hinterausgang verschwunden. War das clever? 
       
       Die Funktionäre wissen eben nicht, wie sie mit solchen Aktionen umgehen
       sollen. Sie denken wahrscheinlich, dass ein Treffen mit dem Herausforderer
       dessen Kampagne eine gewisse Legitimität einräumt.
       
       Haben Sie irgendwelche Tipps für Andreas Rüttenauer? 
       
       Die Leute müssen merken, dass man es ernst meint. Als ich kandidiert habe,
       dachten viele zuerst an einen Witz. Aber das war es nicht. Meine Anliegen
       waren echt.
       
       5 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Laurenz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball-WM 2022 Katar
       
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