# taz.de -- Nachruf auf Grant Wahl: Tod in der Verlängerung
       
       > Während des Viertelfinales Argentinien – Niederlande starb der
       > US-Sportjournalist Grant Wahl auf der Tribüne – wenige Tage nach seinem
       > 49. Geburtstag.
       
 (IMG) Bild: Gedenken an Grant Wahl: Arbeitsplatz des Journalisten bei der WM
       
       Ob sich der Verstorbene über einen solchen Satz und über diesen Urheber des
       Satzes gefreut hätte, dürfte fraglich sein: „Seine Liebe zum Fußball war
       unermesslich, und seine Berichte werden von allen, die den Weltfußball
       verfolgen, vermisst werden.“ Verbreitet wurden diese Sätze von
       Fifa-Präsident Gianni Infantino, und der, um den es geht, ist [1][Grant
       Wahl].
       
       Der Sportjournalist aus den USA saß in Doha im Stadion, schaute am Freitag
       auf der Pressetribüne die Verlängerung des Spiels Argentinien gegen
       Niederlande und fiel plötzlich von seinem Stuhl. Sofort fand erste Hilfe
       statt, bald kam er in ein nahegelegenes Krankenhaus. Dort starb er, wenige
       Tage nach seinem 49. Geburtstag.
       
       Grant Wahl galt als einer der besten Fußballjournalisten der USA. Bei
       dieser WM sorgte er für Schlagzeilen, als er zur Eröffnungsfeier in einem
       Regenbogen-T-Shirt kam. Die Stadion-Security verweigerte ihm den Eintritt,
       fast eine halbe Stunde wurde er festgehalten, bis ein höherer Offizier ihn
       doch hereinließ.
       
       Weltweites Aufsehen erregte er 2011. Da bereitete er eine Kandidatur als
       Fifa-Präsident vor. Gegen Sepp Blatter wollte er antreten. Revolutionär war
       sein Programm nicht: Die Amtszeit eines Präsidenten wollte er beschränkt
       wissen, eine Generalsekretärin als weibliches Gegengewicht zu den 24
       männlichen Fifa-Exekutivmitgliedern forderte er und, dass alle internen
       Fifa-Dokumente öffentlich gemacht werden.
       
       ## Er berichtete von Druck im Brustkorb
       
       Sein Ziel war, sagte er später der [2][taz,] zu zeigen, „wie korrupt und
       undemokratisch die Fifa regiert wird“. Und das, resümierte er, sei nicht
       erfolglos gewesen. „Ich denke, es ist mir auch gelungen, viele Fans auf
       dieses Problem aufmerksam zu machen.“
       
       Vor allem war Grant Wahl Fußballexperte. 2009 legte er das Buch [3][„The
       Beckham Experiment“] vor. Ein Jahr lang hat er den englischen Weltstar bei
       seinem Abstecher in die US-Profiliga begleitet, und kaum ein Buch dürfte so
       genau beschrieben haben, wie ein Profiteam funktioniert, wenn ein Spieler
       das 300-Fache seiner Mitspieler verdient.
       
       Katar war Wahls achte Weltmeisterschaft, über die er berichtete. Nachdem er
       2020 bei seinem langjährigen Arbeitgeber Sports Illustrated rausgeflogen
       war, arbeitete er als Freelancer. Noch ein bisschen intensiver und
       selbstausbeuterischer als vorher. „Mein Körper hat mich endgültig im Stich
       gelassen“, schrieb vor wenigen Tagen in sein Blog. „Drei Wochen mit wenig
       Schlaf, viel Stress und viel Arbeit können einem das antun.“ Er berichtete
       von Druck im Brustkorb und begab sich nach dem Spiel der USA gegen
       Niederlande ins Krankenhaus. Bronchitis wurde diagnostiziert, Antibiotika
       verabreicht, Wahl arbeitete weiter.
       
       Nach Wahls Tod während des Freitags-Viertelfinales ließ die Fifa am
       Samstagabend auf Wahls Platz beim Spiel England gegen Frankreich Blumen und
       ein Foto ablegen. Die Sportjournalisten auf den anderen Plätzen erinnern
       sich an einen hilfsbereiten, kritischen und äußerst kompetenten Kollegen.
       
       11 Dec 2022
       
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