# taz.de -- Familiengeschichten: Die Kennedys von Berlin
       
       > Vor 250 Jahren heiratete Moses Mendelssohn Fromet Gugenheim - und
       > begründete eine Dynastie, die Berlin über viele Generationen prägte
       
 (IMG) Bild: Gehört auch zum Mendelssohn-Clan: Cecile, die Ehefrau Felix Mendelssohn-Bartholdys, auf einem Aquarell
       
       Endlich war da die Chance zum Karrieresprung. 1771 war an der Preußischen
       Akademie der Wissenschaften die Stelle eines Philosophen frei geworden -
       und Moses Mendelssohn machte sich berechtigte Hoffnungen. Georg Sulzer, der
       Präsident der Philosophischen Klasse, hatte den Aufklärer und Philosophen,
       der vier Jahre zuvor sein Meisterwerk "Phädon - Beweis von der
       Unsterblichkeit der Seele" vorgelegt hatte, zur Aufnahme in die Akademie
       vorgeschlagen.
       
       Für Moses Mendelssohn wäre es die erhoffte Anerkennung gewesen - und auch
       ein Stück Unabhängigkeit. Als Jude war er in Berlin nur geduldet, seine
       Brötchen verdiente er als Buchhalter. Als Mitglied der Akademie hätte er
       dagegen ein jährliches Salär bekommen und sich voll und ganz auf seine
       Schriften konzentrieren können.
       
       Das letzte Wort hatte Friedrich II. Doch Preußens König verweigerte
       Mendelssohn die ersehnte Stelle. Auch deshalb spricht Kulturstaatssekretär
       André Schmitz gerne von einer "Aufklärung von oben" und der "Aufklärung von
       unten". Die von oben war die vom König verordnete Modernisierung Preußens,
       der 1812 schließlich das Toleranzedikt folgte, die den Juden in Preußen
       endlich die erhoffte Staatsbürgerschaft brachte.
       
       Moses Mendelssohn dagegen ist der Protagonist einer "Aufklärung von unten".
       Als 14-Jähriger war der gebürtige Dessauer seinem Lehrer David Fränkel an
       die neu gegründete Talmudschule nach Berlin gefolgt. Er hat als Autodidakt
       Karriere gemacht und auch als Aufklärer. Zusammen mit seinen Freunden
       Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Nicolai gab er unter anderem die
       "Bibliothek der schönen Wissenschaften" heraus. Wohl zu Recht spricht die
       Moses-Mendelssohn-Gesellschaft, der Schmitz vorsteht, von einem
       "Dreigestirn der Aufklärung".
       
       Dass Berlin und Potsdam in diesem Jahr ein Mendelssohn-Jahr feiern, hat
       aber weniger mit dem öffentlichen Wirken Moses Mendelssohns zu tun als mit
       seinem Brautwerben. 1761 hatte der damals 32-Jährige in Hamburg Fromet
       Gugenheim kennen gelernt, eine Kaufmannstochter aus gutem Hause. Ein Jahr
       später, am 22. Juni 1762, heirateten beide - und begründeten eine Dynastie,
       die Berlin bis zu ihrer Vernichtung durch die Nazis geprägt hatte. Für
       Schmitz sind die Mendelssohns darum schlicht "die Kennedys von Berlin".
       
       "Natürlich kennt jeder Felix-Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel oder
       Joseph Mendelssohn, den Gründer des gleichnamigen Bankhauses", sagt Thomas
       Lackmann, Autor eines Buches über die Familiengeschichte. "Wir wollen 2012
       aber auch die weniger bekannten Familienmitglieder vorstellen."
       
       Neben vielen Veranstaltungen dient diesem Anliegen auch eine
       Dauerausstellung, die im November auf dem Dreifaltigkeitskirchhof eröffnet
       wird. Dort wird auch der größte Stammbaum der Mendelssohns zu sehen sein.
       Höhepunkt der Feierlichkeiten wird aber ein erneutes Familientreffen aller
       Nachfahren sein. "Bei einem ersten Treffen dieser Art waren 2007 über 250
       Personen nach Berlin gekommen", so Schmitz.
       
       Ein weiterer Ausstellungsort im Mendelssohn-Jahr ist die Villa Oppenheim in
       der Schlossstraße in Charlottenburg. Den Vorgängerbau hatte 1846 der
       Bankier Alexander Mendelssohn erworben - und ihm kurzerhand den Namen
       "Villa Sorgenfrei" verpasst. Auch das eine Anspielung auf Friedrich den
       Großen. Preußens König, der nicht einmal richtig Deutsch sprach, nannte
       sein Potsdamer Lieblingsschloss "Sanssouci" - "Ohne Sorgen".
       
       Einmal wären sich Moses Mendelssohn und Friedrich II. fast begegnet. Auch
       das war 1771. Weil ein kursächsischer Minister Friedrich gestand, er wolle
       in Berlin "den berühmten Moses Mendelssohn besuchen", lud der König den
       Philosophen nach Potsdam. Moses machte sich, trotz Sabbat, auf den Weg,
       doch Friedrich ließ sich verleugnen.
       
       "Friedrich und Moses Mendelssohn haben sich nicht gemocht", bilanziert
       Lackmann das Verhältnis der beiden Aufklärer. Im Doppelgedenkjahr 2012
       treffen sie endlich aufeinander.
       
       18 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
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