# taz.de -- Dokumentation über Vattenfall: Im falschen Film
       
       > Die Hochschule HFF hat einen Film über Vattenfall in Brandenburg
       > produziert - im Auftrag und finanziert von dem Energieriesen.
       
 (IMG) Bild: Die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde. Hier wollte Vattenfall eigentlich ein CCS-Demonstrationskraftwerk bauen.
       
       Ulf Stumpe von der Bürgerinitiative "Contra CO2-Endlager" gibt sich
       kämpferisch: "Wir sind der Wurm am Hintern des riesigen
       Vattenfall-Dinosauriers. Und der Wurm wird den Dinosaurier nicht töten,
       aber irgendwann dreht der Dinosaurier durch." Viele Anwohner in
       Brandenburgs Osten haben sich so vehement wie Stumpe gegen die
       unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CCS) in ihrer Region gewehrt.
       Warum? Die Frage geht an einen leitenden Mitarbeiter des Energiekonzerns
       Vattenfall: Der schweigt erst mal ausgiebig. Dann sagt er: "Ich hab mir
       ehrlich gesagt noch nie einen Kopf darüber gemacht."
       
       Diese beiden Szenen stammen aus dem Dokumentarfilm "Energieland", der den
       Streit des Energieriesen mit lokalen Bürgeninitiativen darstellt. Mehr als
       drei Jahre lang protestierten sie gegen die Pläne von Vattenfall, die
       Region für die CCS-Technologie zu erkunden. Diese Gegenwehr hat Vattenfall
       zu spüren bekommen - und darauf reagiert. Man wollte "einen anderen Zugang
       zu diesem Thema finden", berichtet Vattenfall-Geschäftsführer Wolfgang
       Rolland, zuständig für die CCS-Pläne.
       
       Also trat der Konzern mit der Anfrage, eine Dokumentation über das Thema
       CCS zu drehen, an die Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (HFF)
       in Potsdam heran. Dort wurde kontrovers diskutiert, wie eine Kooperation
       mit dem Unternehmen aussehen könnte. Schließlich entschied die Hochschule,
       den Film zu produzieren. "Grundvoraussetzung dafür war aber, dass es keine
       Form der Abnahme oder Zensur gibt", so die HFF-Filmstudentin und
       Regisseurin des Films, Johanna Ickert. Das Geld indes kam von Vattenfall -
       wie viel, will Geschäftsführer Rolland nicht preisgeben.
       
       Für die 29-jährige Regisseurin Ickert, eine Skeptikerin der
       Konzernstrategie, stellte diese Form der Kooperation eine besondere
       Herausforderung dar: "Ich hatte von Anbeginn eine sehr kritische Haltung
       dem Thema CCS und Vattenfall gegenüber." Dennoch habe sie sich schließlich
       darauf eingelassen: "Mich interessierte der Vorschlag insbesondere in
       Hinblick auf die Greenwashing-Strategien dieses Konzerns in Zeiten eines
       berechtigterweise erhöhten Glaubwürdigkeitsproblems."
       
       "Greenwashing" bedeutet "grünwaschen" und meint PR-Strategien, die einem
       Unternehmen einen umweltfreundlichen Anstrich verleihen sollen. Diese
       Strategie aufzuzeigen, so Ickert, sei ihre Legitimationsbasis gewesen,
       "diesen Film überhaupt zu drehen". Vattenfall-Geschäftsführer Rolland gibt
       zwar zu, dass sein Unternehmen "durch einen unabhängigen Film mehr
       Akzeptanz vor Ort" erreichen wollte. Den Vorwurf des Greenwashings weist er
       aber zurück: "Dieses Projekt geht nicht in diese Richtung, denn unser
       Unternehmen kommt nicht sehr vorteilhaft weg im Film."
       
       Das liegt aber weniger an der großen Skepsis der Filmemacherin gegenüber
       dem Energiekonzern, sondern daran, dass sich Mitarbeiter von Vattenfall mit
       ihren Aussagen streckenweise selbst diskreditieren. "Die Welt hat unendlich
       viele fossile Energieträger", ist da zu hören. Ein anderer Mitarbeiter
       behauptet, der Klimawandel sei "nicht menschengemacht". Dabei verzichtet
       der Film bewusst auf die sonst üblichen Einblendungen von Namen und
       Funktion der sprechenden Personen. "Es geht darum, die Menschen für sich
       sprechen zu lassen", erklärt die Regisseurin.
       
       Für den Filmdreh machten sich Ickert und ihr dreiköpfiges Team mehr als ein
       Jahr lang immer wieder auf den Weg in den Osten Brandenburgs. Zunächst
       brachten ihnen die Bürgerinitiativen großes Misstrauen entgegen, erst nach
       und nach kam man ins Gespräch. Ickert begleitete die Protagonisten beider
       Seiten in ihrem Alltag. Dabei sind nicht nur interessante Kontroversen
       entstanden, sondern auch eindrucksvolle Aufnahmen. Diese lassen das Bild
       vom Wurm und vom Dinosaurier lebendig werden.
       
       ## Erkundung eingestellt
       
       Eine der letzten Szenen des Films ist eine Abstimmung im Bundesrat, bei der
       ein Gesetz zur CCS-Speicherung in Deutschland abgelehnt wird. Wegen dieser
       fehlenden Rechtssicherheit, so Konzernsprecher Thoralf Schirmer, habe
       Vattenfall Ende 2011 das CCS-Projekt in Brandenburg - also den Bau eines
       Kraftwerks sowie die Erkundung von Speicherstätten - eingestellt.
       Vielleicht aber auch, weil der Dinosaurier aufgrund des hartnäckigen Wurms
       langsam anfing durchzudrehen. Zumindest hat es der Riese durch die
       Finanzierung eines unabhängigen Films nicht geschafft, bei Kritikern für
       "mehr Akzeptanz" zu sorgen.
       
       12 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timo Reuter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Anti-AKW
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Einigung zur CCS-Technologie: Schleswig-Holstein nicht unterkellern
       
       Nach dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss zur CCS-Technologie hagelt es
       Kritik. Greenpeace und einige Bundesländer lehnen die Speicheranlagen
       rundweg ab.
       
 (DIR) Speicherung von Kohlendioxid: Einigung über CCS-Gesetz
       
       Bund und Länder einigen sich auf ein Gesetz zur Kohlendioxidspeicherung.
       Die Länder behalten ein Vetorecht gegen Speicher, akzeptieren aber
       Pipelines.
       
 (DIR) Kritik an Baden-Würtembergs Klimazielen: Greenpeace widerspricht Grün-Rot
       
       Der Atomausstieg ist nicht schuld an Baden-Württembergs wenig
       ambitionierten Vorgaben zur CO2-Reduktion. Der Ausstoß ist durch
       europaweiten Emissionshandel gedeckelt.
       
 (DIR) Nach Aus für CCS-Kraftwerk: Bund und Länder zoffen sich
       
       Weil sich die Politik nicht auf ein Gesetz zur CCS-Lagerung einigen kann,
       bläst Vattenfall den Bau eines Demokraftwerks ab. Die Aktivisten freut es,
       in der Politik war's keiner.
       
 (DIR) Kommentar CCS-Technik: Heimsieg in Jänschwalde
       
       Gegner von CCS argumentieren unter anderem, es handle sich um eine
       Alibitechnik, um die Energiewende zu verzögern. Dieses Argument ist
       richtig, aber auch sehr deutsch.
       
 (DIR) CO2-Lagertechnik gescheitert: Vattenfall gibt CCS-Kraftwerk auf
       
       Der Plan, in Brandenburg im großem Stil CO2 zu verpressen, ist vom Tisch.
       Vattenfall steigt aus. Derweil kippt die Landesregierung ihre Klimaziele
       und setzt weiter auf Braunkohle.