# taz.de -- Wenn die Frau zuschlägt: Das Brandenburger Männerhaus
       
       > In Deutschland gibt es gute 400 Frauenhäuser - aber nur ein "Männerhaus".
       > Hier finden Männer Zuflucht, die Opfer weiblicher Gewalt wurden.
       
 (IMG) Bild: Und wer hilft ihm?
       
       Es war von Anbeginn eine schwierige Partnerschaft, sagt Dietmar Gettner.
       Als dann vor 18 Jahren sein Sohn geboren wurde, glich die Zweckgemeinschaft
       mit seiner Frau einer brennenden Zündschnur: Dietmar Gettner erzählt von
       körperlichen Misshandlungen, von Demütigungen vor Freunden und dem Kind.
       Zurückzuschlagen sei für ihn, den inzwischen 65-Jährigen, nie in Frage
       gekommen. Sollte er, der körperlich Größere und Stärkere, eine Frau
       schlagen?
       
       Als der Sohn gerade ein Jahr alt war, kam es zur Trennung. Seitdem hat
       Dietmar Gettner sein Kind kaum gesehen und keinen Kontakt mehr zu der
       Mutter. Gerichtsverfahren gegen sie habe er alle verloren, sagt er. "Wer
       glaubt schon einem Mann, der erzählt, dass seine Frau ihn schlage?" Damals
       lernte er Horst Schmeil kennen, einen ehemaligen Polizisten, der inzwischen
       als Diplom-Pädagoge für den Verein "Väteraufbruch" arbeitete und Gettner
       beriet.
       
       Heute betreiben die beiden Rentner gemeinsam im Brandenburgischen Ketzin
       Deutschlands einziges "Männerhaus". Hierhin kommen diejenigen, die Angst
       haben vor den Frauen, die sie lieben oder einst liebten.
       
       In Ketzin gibt es für acht Betroffene Platz, sie können auch ihre Kinder
       mitbringen. Besonders voll ist es im Männerhaus bisher allerdings nicht.
       Man ist auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen. Erst seit November 2008
       befindet sich der Zufluchtsort in Brandenburg, vorher war er in
       Berlin-Spandau.
       
       Dort wurde das Männerhaus im Jahr 1995 von Horst Schmeil gegründet. Schmeil
       wurde damals von seiner dritten Ehefrau verlassen und sie nahm die zwei
       Kinder mit. "Sie hat nichts ausgelassen, um mich kleinzukriegen", sagt er
       immer noch verbittert. Was das genau bedeute? "Dazu darf ich aus
       rechtlichen Gründen nichts sagen", antwortet der 67-Jährige. Aber seitdem
       fühle er sich Männern, denen Ungerechtigkeit widerfahre, im Herzen
       verbunden. Als seine Frau auszog, machte er aus seinem Reihenhaus ein
       "Gewaltschutzhaus" für bis zu acht Männer.
       
       Wer in Not ist, kann heute in Ketzin anrufen und wird von einem der beiden
       Rentner abgeholt. Anders als in Frauenhäusern ist die Anschrift nicht
       anonym, Frauen dürfen auch hinein. "Die Gemeinschaft ist unser Schutz", so
       Schmeil. Die Betroffenen, vom Arbeiter bis zum Akademiker, können so lange
       bleiben, wie sie wollen. Schmeil erzählt von Männern, die von ihren
       Partnerinnen verprügelt oder fast ermordet wurden.
       
       "Wenn eine Frau einen Mann ohrfeigt, wird es nicht als so schwerwiegend
       empfunden, als wenn der Mann austeilt. Der wird sofort strafrechtlich
       verfolgt", kritisiert Schmeil das Dilemma häuslicher Gewalt aus seiner
       Sicht. Er ließ sich auch noch als Verfahrenspfleger ausbilden und vertritt
       Väter, die sich keinen teuren Anwalt leisten konnten.
       
       Während Gewalt gegen Frauen ein viel beachtetes Thema ist, führen Männer,
       die zu Opfern werden, in der Regel ein Schattendasein. Im Jahr 2000
       antwortete die damalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD)
       auf die Frage, ob sie ein Männerhaus plane: "Nein, ich denke, das ist nicht
       nötig. Wenn Männer keine Gewalt anwenden, brauchen sie auch keine
       Zufluchtsorte." 2004 wurde vom Bundesfamilienministerium die Pilotstudie
       Gewalt gegen Männer veröffentlicht: 11 Prozent der befragten Männer gaben
       an, dass sie von ihrer Partnerin körperlich angegriffen wurden. Fragt man
       im Bundesfamilienministerium nach, heißt es: "Das Thema häusliche Gewalt
       gegen Männer ist keines, das bei uns prioritär bearbeitet wird."
       
       1976 eröffnete das erste Frauenhaus - inzwischen sind es mehr als 400
       bundesweit. Deren Notwendigkeit kann niemand ernsthaft infrage stellen.
       Warum aber gibt es keinen staatlich geförderten Schutzraum für Männer?
       Peter Thiel, Initiator des "Männerbüros Berlin" und psychologischer Berater
       im "Gewaltschutzhaus", erklärt es so: "Die Rollenklischees lassen kaum zu,
       dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt sein können." Thiel hatte selbst
       vor, ein Männerhaus zu gründen. Aber sein Projekt ist wegen der fehlenden
       staatlichen Unterstützung gescheitert.
       
       Das Brandenburger "Gewaltschutzhaus" kann nur mit Spenden finanziert
       werden. "Wir haben einfach die falsche Zielgruppe", kommentiert Schmeil
       seine Situation und schiebt hinterher: "Wenn wir Tiere aufnehmen würden,
       hätten wir schon längst öffentliche Gelder."
       
       7 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cigdem Akyol
 (DIR) Cigdem Akyol
       
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