# taz.de -- Neue deutsche Tennishoffnung: Zwischen Uni und US Open
       
       > Andrea Petkovic träumt von einem Platz unter den besten 50 der Welt. Nach
       > ihrem Aus bei den US Open steht erst mal eine Uni-Klausur an.
       
 (IMG) Bild: Körperlich offensichtlich schon unter den Top 50: Andrea Petkovic
       
       In den ersten Tagen eines Grand-Slam-Turniers ist verwirrend viel los, auf
       den Tennisplätzen wie im Medienbereich. Da folgen die Pressekonferenzen
       einander im Zehn-Minuten-Takt, und weil ein Raum allein nicht genügt, gibt
       es auch bei den US Open neben dem großen Interviewraum Nummer eins noch die
       kleineren Varianten zwei und drei. Im großen Raum reden Spieler wie Roger
       Federer, der mit seinem klaren Sieg in der ersten Runde wieder mal neue
       Dimensionen erreichte, diesmal in puncto Finanzen. Mit den 31.000 Dollar
       für das Erreichen der zweiten Runde gewann er als erster Tennisspieler mehr
       als 50 Millionen Dollar Preisgeld.
       
       In den anderen Interviewräumen ging es um kleinere Beträge und Beiträge. In
       Nummer 2 beschrieb Tommy Haas das Auf und Ab seines Spiels beim Sieg (7:5,
       4:6, 7:6, 6:2) gegen den Kolumbianer Alejandro Falla; Sieger Simon Greul
       berichtete in kleiner Runde, er freue sich auf die Begegnung in der zweiten
       Runde gegen Roger Federer; und in der kargen Nummer 3 verkündete Philipp
       Kohlschreiber, er sei zufrieden mit seinem Auftritt gegen Andreas Seppi aus
       Italien (6:0, 6:4, 6:4).
       
       Für andere war gar kein Raum frei; die hockten vor der Tür, hinter sich die
       nackte Betonwand, den Blick nach innen oder ins Leere gerichtet. Oder in
       die Zukunft. Andrea Petkovic war nach einer Niederlage gegen Angelique
       Kerber (4:6, 7:5, 3:6) nicht in allerbester Laune, nach der siebten Abfuhr
       im siebten Spiel gegen die junge deutsche Konkurrentin.
       
       Aber das schien nicht mehr als eine Momentaufnahme zu sein, ein schiefes
       Bild in einer ansonsten eher wohlgeordneten, guten Zeit. Ihr war klar, dass
       sie mit einem Sieg mit einiger Sicherheit zum ersten Mal in ihrer Karriere
       unter den besten 50 des Tennis gelandet wäre - jenes Ziel, das sie vor
       nicht allzu langer Zeit noch als Maß ihrer Dinge beschrieben hatte. Damals
       hatte sie gesagt, wenn sie es nicht schaffen könne, innerhalb von zwei
       Jahren zu den besten 50 zu gehören, dann wolle sie lieber was anderes tun;
       es gebe genügend Dinge, die sie besser könne als Tennisspielen.
       
       Doch dann passierte jenes Missgeschick, das die Karriere für eine Weile
       anhielt, in der Langzeitwirkung aber beschleunigte. Bei den Australian Open
       im Januar 2008 zog sie sich einen Kreuzband-Riss zu, fiel danach acht
       Monate aus, und in dieser Zeit, die sie unter anderem mit einem Praktikum
       in der Pressestelle des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch
       überbrückte und ein Fernstudium für Politik- und Verwaltungswissenschaften
       begann, quälte sie sich durch ein Aufbautraining, das es in sich hatte.
       Abseits der Verpflichtung, Turniere spielen zu müssen, bereitete sie den
       Körper systematisch und in Ruhe auf seine Aufgaben vor, und den Effekt
       dieser Arbeit spürt sie nach wie vor an jedem Tag. "Ich bin viel fitter
       jetzt", sagt sie. "Im ersten Jahr auf der Tour war ich durchgehend krank
       oder verletzt, aber jetzt hab ich eine Basis aufgebaut, und das wird sich
       auszahlen; in zwei Jahren bin ich da, wo ich hingehöre."
       
       Aber erste Folgen sind längst zu erkennen. Innerhalb weniger Monate
       kletterte sie in der Rangliste um mehr als 300 Plätze, und zu Beginn des
       Sommers gewann sie in Bad Gastein ihren ersten Titel bei einem WTA-Turnier.
       Die Veränderung ist auch den Konkurrentinnen aufgefallen. Immer öfter wird
       sie von Spitzenspielerinnen gefragt, ob sie nicht Lust auf ein gemeinsames
       Training habe, und nichts bringt einen weiter als Training mit den Besten
       der Welt. Was ihr jetzt noch fehlt, und das war auch bei der Niederlage
       gegen Kerber zu sehen, ist, die Gedanken so zu stärken wie die Muskeln.
       "Die Spielerin Petkovic steht jetzt bei 52, der Kopf ist aber manchmal noch
       bei 100."
       
       Unerschütterliche Zuversicht in kritischen Situationen eines Spiels war
       noch nie ihr Ding, aber sie ist zuversichtlich, auch das in den Griff zu
       kriegen. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob ein heller Kopf leichter
       zu kontrollieren ist als einer, in dem die Gedanken ein bisschen mehr Platz
       haben.
       
       Aber demnächst ist ohnehin erst mal Kopfarbeit gefragt. Am 10. September,
       einen Tag nach ihrem 22. Geburtstag, steht eine Klausur zum Thema
       "politische Strukturen in Deutschland und Europa" an. Von Strukturen
       versteht sie inzwischen definitiv mehr als vor der schmerzhaften, aber
       heilsamen Verletzung. "Jetzt bin ich Sportlerin", sagt sie mit dem Rücken
       zur Betonwand draußen vor der Tür, "früher war ich Philosophin". Diese
       Kunst hilft bei Aufschlägen und Breakbällen bekanntlich nur bedingt.
       
       2 Sep 2009
       
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