# taz.de -- Klebriger Sportjournalismus: Sehnsucht nach Nähe
       
       > Am Sonntag feiert Tennisspielerin Andrea Petkovic ihr Debüt als
       > ZDF-Sportmoderatorin. Es folgt der Überzeugung, Journalismus bräuchte
       > keine Distanz.
       
 (IMG) Bild: Seitenwechsel: Petkovic wechselt hinter das Moderatorenpult
       
       Andrea Petkovic muss sehr aufpassen, dass am Sonntag aus ihr nicht der Rudi
       Cerne wird. Petkovic, die ernstzunehmende und erfolgreiche
       Profitennisspielerin, wird nämlich am Sonntag erstmals als Moderatorin
       durch die [1][„ZDF-Sportreportage“] führen. Und Cerne, der ZDF-Moderator,
       der heute irgendwo zwischen Ede-Zimmermann- und Harry-Valerien-Imitation
       changiert, war ja auch mal ein Weltklasseathlet: Eiskunstläufer, der Cerne
       aus Herne.
       
       Nun also steht Petkovic da, wo auch [2][Cerne] manchmal steht und auch
       Kristin Otto, von der das ZDF beinah verschweigt, dass sie sechsfache
       Olympiasiegerin ist, weil das nicht so ganz zum noch von alten
       „Sportstudio“-Tagen rührenden Senderimage passt, man sei der Hort des
       hintergründigen und kritischen Sportjournalismus.
       
       Das ist interessant, denn mit diesem Anspruch, sie wüssten doch, wie es
       zugeht, holt das ZDF ja gerne Exspitzensportler wie Cerne, Otto oder jetzt
       Petkovic. Und gerade die, die mit ihrer Expertise den Ruf der Anstalt als
       Sportsender verbessern sollen, lassen sich möglichst bald nicht mehr
       anmerken, wo sie herkommen.
       
       Es ist das große Unverständnis, des ZDF – und vermutlich nicht nur dort –,
       was kritischer Sportjournalismus sein könnte. Als ob der aus einer
       möglichst großen Nähe zum Betrieb erwüchse. Das wäre ja in Analogie so, als
       würde die innenpolitische Berichterstattung am besten von
       Ex-Bundestagsabgeordneten geleistet, der Kulturjournalismus obliege
       früheren Malern, Schauspielerinnen oder Sängern – und den
       Wirtschaftsjournalismus sende man am besten direkt von der Frankfurter
       Börse. Ups, letzteres findet ja tatsächlich statt, und nun müsste man nur
       herausfinden, was zuerst da war: die Ranwanzerei an Aktionäre oder
       Funktionäre.
       
       ## Weglassen unschöner Aspekte
       
       Es fällt bei den Sendeanstalten gar nicht mehr auf, dass große Kenntnis von
       einem Gegenstand, egal ob Sport oder Wirtschaft, nicht einhergehen muss
       (und im Journalismus nicht einhergehen darf) mit Abhängigkeit davon. Dass
       Andrea Petkovic viel vom Sport im Allgemeinen und noch mehr vom Tennis im
       Besonderen versteht, ist ja unstrittig. Aber ist jemand, dessen Karriere
       gerade ausklingt und der folglich noch Gegenstand der Berichterstattung
       ist, automatisch qualifiziert, die Seite zu wechseln?
       
       Sachlich und knapp geantwortet: Nein. Doch es schließt sich die
       schwierigere Frage an, warum die kritische Distanz immer weniger gewünscht
       wird – nicht nur bei Fernsehsendern (wohl auch bei Zeitungen,
       Radiostationen, Onlinediensten und Verlagen), sondern auch bei Zuschauern,
       Leserinnen und Hörern.
       
       Bei Biografien gibt es diesen Trend schon lange: Nicht die unabhängige
       Recherche zählt, in deren Rahmen Archive durchwühlt werden, wo sowohl
       Freunde als auch Feinde des Menschen befragt werden, über den geschrieben
       wird. Was als authentisch gilt, ist die Nähe: Der Mensch selbst schreibt
       über sich (oder gibt zumindest seinen Namen her), und wenn die Person tot
       ist, dann verleihen Kinder, Enkel oder Cousins der Biografie den Stempel
       der Authentizität. Dass diese sympathisierende Nähe gerade das Weglassen
       eher unschöner Aspekte befördert, könnte man wissen. Man will es bloß nicht
       so genau.
       
       Nun also tritt Andrea Petkovic vor die Kameras, moderiert, interviewt und,
       vielleicht, kommentiert auch. Es ist zu hoffen, dass sie möglichst schnell
       nicht mehr das machen wird, was von ihr im ZDF erwartet wird. Es ist zu
       hoffen, dass sie keine Nähe zu aktiven Sportlern herstellt, sondern schnell
       die Distanz sucht. Das Problem des ZDF aber dürfte sein, dass ein Rudi
       Cerne der jungen Kollegin auf dem nötigen Weg in den kritischen
       Journalismus kaum beistehen wird.ndrea
       
       29 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zdf.de/sport/zdf-sportreportage/tennis-ass-andrea-petkovic-wird-zdf-moderatorin-102.html
 (DIR) [2] /Unpolitisches-Olympia-TV/!5048023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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