# taz.de -- Proteste in Nicaragua: Sandinos Erneuerer gegen Ortega
       
       > In Nicaragua kämpfen einstige Mitstreiter von Präsident Daniel Ortega um
       > das Recht, als Partei weiterhin Opposition machen zu können. Ortega
       > versucht das zu verhindern.
       
 (IMG) Bild: Nicht Reformbereit: Daniel Ortega
       
       Mit einem Demonstrationsmarsch, der für Freitag in Nicaraguas Hauptstadt
       Managua zusammengetrommelt wurde, will die Sandinistische
       Erneuerungsbewegung (MRS) sich gegen ihre Auflösung zur Wehr setzen. Dora
       María Téllez, die prominenteste Anführerin der sandinistischen
       Dissidentenpartei, versuchte Anfang des Monats mit einem fast zweiwöchigen
       Hungerstreik auf ein Manöver, das sie als Willkürakt und politische
       Schikane sieht, aufmerksam zu machen.
       
       Vor einem zentralen Einkaufszentrum in Managua errichtete das MRS ein Zelt,
       wo die ehemalige Guerillakommandantin und Gesundheitsministerin ihr Lager
       aufschlug, um durch öffentliches Hungern zu protestieren. Der Zentrale
       Wahlrat hatte ihrer Partei "wegen Selbstauflösung" die Registrierung
       entzogen.
       
       Das sei ein Hohn, versichern Parteigranden. Das MRS habe mehr als 10.000
       Mitglieder und erhalte landesweit stetigen Zulauf. Auch für die
       Kommunalwahlen im Herbst habe man alle Voraussetzungen erfüllt und
       Kandidaten in 92 Prozent der Gemeinden aufgestellt. Mindestens 80 Prozent
       verlangt das Gesetz. Auch der Vorwurf, eine am Parteitag im Februar 2007
       beschlossene Statutenänderung sei nicht rechtzeitig notifiziert worden,
       könne durch Dokumente widerlegt werden, versichert man im MRS. Außerdem sei
       das kein Auflösungsgrund. Dora María Téllez vermutet daher eine politische
       Intrige.
       
       Am 26. Mai hatte der Zentrale Wahlrat auch schon der Konservativen Partei
       und den Regionalparteien Pamuc und PIM von der multiethnischen
       Atlantikküste die Rechtspersönlichkeit entzogen. Sie hätten nicht
       ausreichend Kandidaten für die Kommunalwahlen präsentiert.
       
       Die Staatsgewalten und wichtigsten Institutionen wurden vor bald zehn
       Jahren vom damaligen Präsidenten Arnoldo Alemán und dem jetzigen Staatschef
       Daniel Ortega in einem umstrittenen Kuhhandel zwischen Liberalen und
       Sandinisten aufgeteilt. Alle anderen politischen Kräfte versuchten die
       beiden Caudillos mit ihrem Pakt an den Rand zu drängen. Immer wieder hört
       man Klagen, dass die Justiz offenbar aus heiterem Himmel gegen unliebsame
       Personen Ermittlungen aufnimmt. Und auch das Vorgehen des Wahlrats, der vor
       wenigen Monaten noch bestätigt hatte, dass beim MRS alles in Ordnung sei,
       ist nur durch einen Befehl aus dem Präsidentenpalast zu erklären. Daniel
       Ortega und seine Frau Rosario Murillo regieren zunehmend autoritär.
       
       Das MRS wurde 1995 als Abspaltung von der Sandinistischen Befreiungsfront
       (FSLN) vom ehemaligen Vizepräsidenten Sergio Ramírez und weiteren wichtigen
       Parteifunktionären gegründet. Anlass war die mangelnde Reformbereitschaft
       der Parteispitze unter Daniel Ortega. Die meisten Künstler und
       Intellektuellen kehrten damals ihrer Partei den Rücken. Das MRS konnte sich
       aber nie zu einer Massenpartei entwickeln. MRS-Kandidat Herty Lewites, dem
       die Umfragen gute Chancen bescheinigten, die Wahlen 2006 zu gewinnen, starb
       mitten im Wahlkampf. Sein kurzfristig aufgebauter Nachfolger Edmundo
       Jarquín erreichte nur 6,3 Prozent. Im Parlament stellt das MRS nur drei von
       92 Abgeordneten.
       
       Das MRS betrachtet sich als die einzige linke Kraft im Parlament.
       Gesellschaftspolitisch ist es liberal. So hat es sich als einzige Partei
       gegen die Abschaffung der Indikationenlösung zugunsten eines totalen
       Abtreibungsverbots stark gemacht.
       
       Dora María Téllez ist eine Ikone. Als "comandante 2" führte sie 1978 den
       Sturm auf den Nationalpalast - die Geiselnahme eines sandinistischen
       Kommandos hatte das Ende der Somoza-Familiendiktatur eingeläutet.
       
       19 Jun 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Literatur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zentralamerikas Kulturbetrieb: „Kein Platz für Bücher“
       
       Seit 2013 gibt es in Nicaragua das Literaturfestival „Centroamérica
       cuenta“. Gründer, Autor und Politiker Sergio Ramírez im Gespräch.