# taz.de -- Revolutioniertes Haar: "Toupiert wie der Teufel"
       
       > Von 68 hat er nur wenig mitbekommen. Aber Uschi Obermaier und Ulrike
       > Meinhof hat Coiffeur Udo Walz dennoch frisiert.
       
 (IMG) Bild: Gerade das Haar von Ikonen will gut gepflegt sein: Uschi Obermaier betraute Udo Walz mit dieser wichtigen Aufgabe
       
       Ob Ulrike Meinhof oder Uschi Obermaier - wenn es um ihre Haarpracht ging,
       vertrauten die zwei Frauen dem gleichen Mann: dem Promifigaro Udo Walz. Der
       war schon damals kein einfacher Frisör. Nein, er wusch die Köpfe der
       Wichtigen. Schon in den wilden Jahren, 68, frisierte er die "Oberschicht",
       wie Walz seine Kunden liebevoll nennt.
       
       Eine Aussage, die man ihm sofort abnimmt. Wer seinen Salon nahe dem
       Berliner Kurfürstendamm betritt, wird von der Ausstattung erschlagen.
       Weiche Lederschwingstühle, Bilder von Prominenten, aufwändig gestaltete
       Lampen - halt sehr viel Chichi. So mächtig wie das Dekor ist auch das
       Selbstbewusstsein des Haareschneiders. "Ich weiß, dass ich gut bin", sagt
       Walz und tänzelt durch seinen Salon.
       
       Auch wenn es nur Momentaufnahmen sind, schnell wird klar, dass Walz nicht
       recht an 68 beteiligt war. Dass er keine zotteligen Haare trug, nicht gegen
       den Vietnamkrieg protestierte oder Schlaghosen trug. "Es war eine spannende
       Zeit", sagt er diplomatisch und erzählt von langen Nächten in schwulen
       Diskotheken. "Damals fanden noch Razzien statt, aber mich haben die
       Polizisten leider nicht mitgenommen", bedauert Walz, "irgendwie war ich
       denen zu anständig."
       
       Silvester 1968 hat er bis kurz vor dem Jahreswechsel frisiert. "Wir haben
       toupiert wie die Teufel, wir haben gewickelt und gewickelt wie die
       Bescheuerten", erinnert sich Walz und schiebt hinterher: "Je höher die
       Frisur, je mehr Haarteile zum Einsatz kamen, desto reicher fühlten sich die
       Frauen."
       
       Der revolutionäre Geist der Zeit, der für den Aufbruch und den Ausbruch aus
       den gesellschaftlichen Konventionen stand, zeigte sich auch auf den Köpfen.
       Es gab zahlreiche Anstöße für neue Frisurentrends: etwa die Pilzköpfe der
       Beatles oder die geometrischen Schnitte von Vidal Sassoon. Haare waren
       nicht mehr nur Haare - sie waren plötzlich auch ein politisches
       Ausdrucksmittel. Während des "Summers of Love" flatterten die Haare locker,
       betonierte Frisuren waren out. Der Mittelscheitel verlor sein Image als
       Brave-Mädchen-Frisur und wurde zu einem Zeichen neuer Lässigkeit.
       
       Nachdem über 150 Jahre männliche Kurzfrisuren üblich waren, ließen Männer
       ihre Haare wieder lang wachsen: Bloß nicht mehr wie ein Soldat aussehen.
       Dort, wo jahrzehntelang mit den Eltern um jeden Zentimeter gefeilscht
       wurde, wilderten Haare und Bärte. Mary Quant designte den Mini, und wer
       sich Blumen ins Haar steckte, war Hippie. "Lange Haare - kurzer Verstand",
       meckerten die Spießer. Die Toleranz der Kriegsgeneration wurde gefordert
       und überfordert.
       
       "In meinem Salon bekam ich von dieser Hippiebewegung nichts mit, weil ich
       schon damals nur Kunden aus der oberen Schicht frisierte", erinnerte sich
       Walz und bedauert dies auch nicht, im Gegenteil. "Das war ein Segen, denn
       viele kleine Salons mussten schließen, weil die ungepflegten
       Revolutionsfrisuren keine Stylisten brauchten." Von der angesagten
       Einfachheit, seine Haare unfrisiert zu tragen, hielt Walz nichts. Der
       Promischnippler bezeichnet diesen Trend als "scheußlich", und der
       Mittelscheitel hat für ihn etwas Ökohaftes: "Und damit verbinde ich
       Ökolatschen, Jutebeutel und Menschen, die gegen Chemie sind." Er habe über
       diese Modeerscheinung immer Witze gerissen, denn "ich liebte doch mehr den
       Luxus". Er führt durch seinen Salon, zeigt Bilder von Stars, die er
       frisierte, und macht bedeutungsvolle Pausen. Wäre das Ganze eine Filmszene,
       erklängen zwischendurch Geigen.
       
       Wie er die Frisuren der männlichen Ikonen von 68 fand? Walz zögert nicht
       lange. Rainer Langhans Haarpracht? "Wie ein Huhn, rückwärts durch die Hecke
       gezogen." Auch Rudi Dutschke findet keine Gnade: "Popperfrisur" nennt er
       den Look Dutschkes. Nur bei den Frauen lässt er Milde gelten. So schwärmt
       Walz noch heute von Uschi Obermaier, die er stylen durfte. "Die Uschi war
       der Hammer", schwärmt er.
       
       1970 frisierte Walz sogar die RAF-Gründerin Ulrike Meinhof. "Ich verlange
       von meinen Kunden doch kein polizeiliches Führungszeugnis", sagt Walz
       entschuldigend. Meinhof trug lange braune Haare, hinter denen sie ihr
       Gesicht versteckte. Sie wollte in einem Raum frisiert werden, in dem nicht
       so viele Leute saßen, und verlangte eine Blondierung. Walz habe ihr das
       Färben ausreden wollen, bis sie schließlich kühl bestimmte: "Ich will
       blonde Haare, und nicht mit ihnen diskutieren."
       
       Ulrike Meinhof verließ den Salon mit einer gutbürgerlichen Blondhaarfrisur
       und einem kurzen Pony. Erst als Walz seine Kundin auf den Fahndungsfotos
       sah, habe er erkannt, wer eigentlich vor ihm gesessen hatte. Das
       RAF-Fahndungsplakat mit der gefärbten Terroristin ging in die Geschichte
       der Bundesrepublik ein. Walz ist dieses Thema eher unangenehm. Er möchte
       jetzt lieber über Paris Hilton sprechen.
       
       CIGDEM AKYOL, Jahrgang 1978, ist Redakteurin von tazzwei. Obwohl sie sehr
       weiblich ist, wird sie in Zuschriften immer als "Herr" angesprochen
       
       21 Dec 2007
       
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