# taz.de -- Konflikte im Schanzenviertel: Nervfaktor Dealer
       
       > Das Schanzenviertel diskutiert über den Cannabis-Straßenverkauf. Im
       > Gespräch ist auch die „regulierte Abgabe“ – einen Coffeeshop wird es aber
       > wohl nicht geben.
       
 (IMG) Bild: Vorbild Berlin: Polizei kontrolliert im Görlitzer Park.
       
       Heinz Evers (SPD), zuständig für das Gebiet Sternschanze beim Bezirksamt
       Altona, hat sich schon einen Namen für den Coffeeshop überlegt, den er bald
       eröffnen möchte: „K.I.F.F.“ – das steht für „Konsum in Frieden und
       Freundschaft“. Das Bezirksamt hatte am Mittwoch zu einem runden Tisch ins
       Jesus Center im Schulterblatt eingeladen, um mit AnwohnerInnen und
       KommunalpolitikerInnen über Drogenpolitik zu reden.
       
       Der Anlass waren „zunehmende Drogenaktivitäten im Stadtteil“, so das
       Bezirksamt. Gemeint ist damit, das wurde schnell klar, der Verkauf von
       Marihuana durch afrikanische Geflüchtete im Park hinter der Roten Flora.
       Einige AnwohnerInnen fühlen sich offenbar durch die Aktivitäten der
       Verkäufer gestört.
       
       Der Stadtteilbeirat, ein beratendes Gremium von AnwohnerInnen, hatte
       deshalb bereits im vergangenen Jahr gefordert, Coffeeshops einzurichten, wo
       man Marihuana legal kaufen könnte. Dahinter steht die Hoffnung, auf diese
       Weise den illegalen Handel auf der Straße einzudämmen.
       
       Etwa 40 Menschen waren der Einladung ins Jesus Center nachgekommen und
       berichteten zunächst von ihrer Wahrnehmung der Situation im Stadtteil. Es
       nerve sie, dass ihr 14-jähriger Sohn dauernd von Dealern angesprochen
       werde, sagte eine Anwohnerin. Und machte auch gleich einen Vorschlag: „Eine
       Legalisierung von Cannabis scheint mir die einzige Lösung zu sein, denn von
       selbst wird sich die Szene nicht auflösen.“ Eine andere Anwohnerin sagte,
       dass es gerade als Frau nervig sei, ständig auf der Straße angesprochen zu
       werden.
       
       Ein Mitglied des Stadtteilbeirats Sternschanze nannte den kleinen Park
       hinter der Roten Flora einen „Hotspot des weichen Drogenhandels“ und
       bezeichnete ihn sogar als den „größten Umschlagplatz für weiche Drogen in
       Norddeutschland“. Eltern mit Kindern trauten sich kaum noch, den Park zu
       nutzen, sagte er, stattdessen ziehe der Drogenverkauf die KonsumentInnen in
       den ohnehin schon überfüllten Stadtteil.
       
       Andere TeilnehmerInnen wiesen darauf hin, dass die Situation derzeit nicht
       so kritisch sei wie vor einigen Jahren. „Früher lagen da Spritzen und
       Nadeln im Park herum“, sagte Helge Pfingsten-Wismar vom Verein
       Kilimanschanzo, der das Outdoor-Klettern am Bunker im Florapark
       organisiert. Seitdem der Park insgesamt belebter sei, habe sich die Lage
       deutlich entspannt.
       
       Auch der Leiter der zuständigen Polizeiwache Lerchenstraße, Peter
       Lewandowski, bestätigte, dass die Beschwerden in den letzten Monaten eher
       zurückgegangen seien. Anschließend stellte er die polizeilichen
       Erkenntnisse vor: An einem normalen Wochentag stünden durchschnittlich 25
       Dealer im Flora- und 20 im Schanzenpark. Mit harten Drogen werde dort nicht
       gedealt, sondern nur mit Cannabis. Die Polizei sei hauptsächlich in Zivil
       unterwegs und nehme pro Tag zwei Dealer und – das ließe sich nicht
       vermeiden – auch zwei KonsumentInnen fest. Das Ziel sei, „vor Gericht
       verwertbare Beweise“ sicherzustellen.
       
       Einigkeit herrschte darüber, dass polizeiliche Repression auf Dauer nichts
       nütze und stattdessen eine langfristigen Lösung her müsse. Ein
       Modellprojekt der regulierten Abgabe von Cannabis im Stadtteil
       befürworteten die meisten TeilnehmerInnen. Da es bis dahin aber ein langer
       Weg sei, schlugen die Anwesenden verschiedene Sofortmaßnahmen vor – etwa
       einen Verhaltenskodex für die Verkäufer. Auch von einer „Rückeroberung“ des
       Parks durch die AnwohnerInnen wurde gesprochen.
       
       Über die Legalisierung von weichen Drogen wird in Hamburg schon länger
       diskutiert, so auch im vergangenen Bürgerschaftswahlkampf. Nicht nur die
       Piraten, sondern auch die Grünen forderten dort die Legalisierung von
       Cannabis. Das besagte Modellprojekt im Schanzenviertel hat es sogar in den
       Koalitionsvertrag geschafft: „Der Gesundheitsausschuss wird unter
       Hinzuziehung von ExpertInnen ergebnisoffen beraten, ob und gegebenenfalls
       wie ein Modellprojekt zur kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene
       in Hamburg durchgeführt werden sollte“, steht auf Seite 90 des rot-grünen
       Vertrags.
       
       Beim runden Tisch sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen,
       Christiane Blömeke, aus grüner Sicht gelte es zu klären, ob KonsumentInnen
       mit „problematischen Konsummustern“ durch die regulierte Abgabe besser
       erreicht werden könnten und ob gesundheitliche Schäden dadurch verringert
       werden könnten.
       
       Andreas Riedel von der Altonaer SPD-Fraktion sagte, es sei besser, von
       einer „Regulierung“ zu sprechen als von einer „Legalisierung“. Ohnehin sei
       der Weg zu einem solchen Vorhaben „elendig lang“. Das Coffeeshop-Vorhaben
       seines Kollegen Evers bezeichnete er als „sehr sportlich und ambitioniert“.
       Bis das Modellprojekt umgesetzt werde, sei Evers sicher längst im
       Ruhestand.
       
       22 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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