# taz.de -- US-Ökonom zu Griechenland: „Höhere Priorität als Lateinamerika“ > Laut dem US-Wirtschaftswissenschaftler Weisbrot haben die USA in der > Griechenlandfrage vor allem ein Interesse: das Land in der Eurozone > halten. (IMG) Bild: Die Amerikaner wollen, dass Griechenland der Linie der US-Außenpolitik verbunden bleibt. taz: Herr Weisbrot, US-Präsident Barack Obama hat in den letzten Wochen immer wieder mit europäischen Spitzenpolitikern über Griechenland gesprochen. Welches Interesse haben die USA in der EU-Krise? Mark Weisbrot: Ein geostrategisches. Oder – wenn Sie es weniger höflich haben wollen – ein imperiales. Sie wollen, dass Griechenland der Linie der US-Außenpolitik verbunden bleibt. Dafür haben sie ziemlich große Anstrengungen übernommen. Inklusive der Unterstützung der Militärdiktatur. Ein Ausstieg aus der Eurozone wäre ein möglicher Schritt zu einer unabhängigen Außenpolitik. Was ist der Zusammenhang zwischen der Militärdiktatur der 60er und 70er Jahre und der griechischen Situation heute? Die US-Strategie. Europa ist der wichtigste Alliierte der USA in der Welt. Da wollen sie keine Fragmentierung. Auf der Prioritätenliste steht Griechenland höher als Lateinamerika, wo die USA in den letzten 15 Jahren kontinuierlich verloren haben. Wollen Sie sagen, dass die USA in der EU-Krise vor allem politische und nicht wirtschaftliche Interessen haben? Das gilt auch für die EU – ich will keine einzelne Nation herausgreifen, denn die Deutschen haben Alliierte. Die finanzielle Frage hätte vor fünf Jahren gelöst werden können: Für einen Bruchteil des Verlustes, der in Zukunft ansteht. Es geht darum, ein neues Europa zu schaffen. Daran arbeitet die Eurozone seit der globalen Finanzkrise. Was meinen Sie mit „neues Europa“? Die Mitglieder des Weltwährungsfonds müssen Politik-Empfehlungen folgen. In den vier Krisen-Jahren von 2008 bis 2011 gab es für die EU 67 solche Politik-Empfehlungen. Ihr Muster ist beeindruckend gleichbleibend: Steuererhöhungen. Einschnitte bei Renten und Gesundheitsversorgung und Arbeitslosenunterstützung. Schwächung der Verhandlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften. Das haben wir in Griechenland, aber auch in Spanien, Portugal, Italien und Irland gehabt. Die EU hat die Krise genutzt, um Veränderungen durchzusetzen, für die bei Wahlen niemals Mehrheiten zustande kämen. Die meisten Finanzminister und die Repräsentanten von IWF und Europäischer Zentralbank haben ein politisches Programm, das die EU den USA ähnlicher macht. Mit weniger sozialen Sicherheitssystemen und mit weniger Regierung. Ist das zugleich das Programm des US-Präsidenten? Nein. Und das unterscheidet die USA von den Verantwortlichen der Eurozone. Das einzige, was die USA interessiert, ist das strategische Ziel: Griechenland in der Eurozone zu halten. Wen genau meinen Sie mit „die USA“? Alle Akteure der Außenpolitik. Das Weiße Haus, die 17 Geheimdienste, das Pentagon, das Außenministerium und außenpolitische Schlüsselfiguren im Kongress. Das außenpolitische Establishment in den USA will Griechenland nicht verlieren. Und es will keinen Zusammenbruch der Eurozone. Ein Austritt von Griechenland wäre für Sie ein Weg in den Zusammenbruch der Eurozone? Viele Dinge könnten falsch laufen. Wir reden hier von vorsichtigen Leute. Sie haben die Regierung von Honduras 2009 gestürzt, die keine große Bedrohung darstellte, bloß weil sie dort eine Militärbasis haben. Und was würde es für Griechenland bedeuten, wenn es aus der Eurozone austräte? Es gibt ein Leben nach der Finanzkrise. Griechenland würde es sehr wahrscheinlich zunächst schlechter gehen. Aber es könnte sich außerhalb der Eurozone schneller erholen. Insbesondere als unter dem Programm, dem es gerade zugestimmt hat. Woher nehmen Sie diese Gewissheit? Bei den Finanzkrisen der letzten 25 Jahre hat niemand so viel verloren, wie Griechenland schon jetzt verloren hat. Gibt es historische Erfahrungen, die zeigen, dass Griechenland gewinnen könnte, indem es die Eurozone verlässt? Argentinien. Es hatte einen finanziellen Zusammenbruch, nachdem es seine Schulden nicht mehr zahlen konnte. Das hat drei harte Monate gedauert. Und Argentinien hat ungefähr 5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes verloren. Aber danach ist die Ökonomie binnen sechs Jahren um 63 Prozent gewachsen. Es gibt viele weitere Beispiele. Was folgt aus der Einigung zwischen Eurozone und Griechenland? Die Fortsetzung dessen, was die Eurozone in den letzten fünf Jahren getan hat. Es wird die griechische Ökonomie weiter in die Rezession schrumpfen. Und es wird fast gewiss eine Erholung in der vorhersehbaren Zukunft verhindern. Solche Krisen entstehen nicht durch ein einziges Ereignis – wie ein finanzieller Crash, oder ein Zusammenbruch des Immoblienmarktes. Sie sind das Resultat einer Serie von jahrelangen Politik-Fehlern. Können Sie diese Fehler in der EU beim Namen nennen? Der größte war, dass die Europäische Zentralbank viel zu lange gebraucht hat, bevor sie für die spanischen und italienischen Bonds gebürgt hat. Erst im September 2012 hat EZB-Chef Draghi seine berühmte Rede gehalten. Er musste nicht einmal Mittel zur Verfügung stellen, er musste nur sagen, dass er tun wird, was immer nötig ist. Das hätten sie drei Jahre früher tun können, um zwei Jahre Rezession und Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie mussten nur tun, wozu eine Zentralbank da ist. Wie die Zentralbank von England, von Japan, von den USA. Der zweite war die Austerität. Sie hat die Eurozone weiter in die Rezession, in die Stagnation und in die Langzeitarbeitslosigkeit getrieben. Auch in den USA haben Bundesstaaten massive Verschuldungsprobleme. War für die Federal Reserve ein Rausschmiss aus den USA eine Option? Natürlich nicht. Wir haben eine politische und eine finanzwirtschaftliche Union. Während die Eurozone lediglich eine monetäre Union ist. Was war die Antwort von Washington auf die Verschuldung einzelner Bundesstaaten? Die Staaten mussten ihre Haushalte ausgleichen. Mussten in der Rezession ihre Ausgaben kürzen und ihre Steuern erhöhen. Was übrigens eine schwere Belastung für die US-Wirtschaft war und das Konjunkturprogramm der US-Regierung konterkariert hat. Die Bundesregierung und die Federal Reserve in Washington haben ihre Arbeit getan. Deswegen hat unsere Rezession nur 18 Monate gedauert. Wir sind offiziell zurück bei 5,6 Prozent Arbeitslosigkeit. Obwohl die USA das Epizentrum der weltweiten Finanzkrise und Rezession von 2008 und 2009 waren. In der Eurozone ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch. Was hat die Federal Reserve konkret anders gemacht? Als erstes hat sie die Zinssätze auf Null gesenkt. Dann hat sie quantitative Lockerungen („Quantitative Easing“, d. Red.) benutzt. Was ist das? Sie kauft Langzeitanleihen, um die Zinssätze langfristig niedrig zu halten. Die EZB hingegen hat die Zinssätze nicht gesenkt, sondern sie in der Krise sogar noch einmal erhöht. Und – was schwerer wiegt – sie hat erst im Dezember 2012 für Anleihen gebürgt. Zunächst für Griechenland, dann für Italien und Spanien, wobei letztere „too big to fail Länder“ (zu groß, um zu scheitern, d. Red.) sind. Dann hat die EZB die Austerität implementiert, die ebenfalls die Wirtschaft in der Eurozone beschädigt hat. Sie hat die Krise genutzt, um ein politisches Programm durchzusetzen. Und hat damit die Krise verlängert. Welche Rolle hat die Wall Street gespielt? Im Vorfeld der Krise war die Wall Street in Geschäfte involviert, die die griechischen Schulden vergrößert und zugleich kaschiert haben. Sie haben der griechischen Regierung im Wesentlichen Darlehen in anderer Form gegeben. In der letzten Zeit gab es Hedge Fonds, die auf beide möglichen Ergebnisse gesetzt haben. Ist die Krise mit der Einigung vorbei? Überhaupt nicht. Es ist verheerend, dass die Europäischen Spitzen das griechische Banksystem eine Woche vor dem Referendum zum Stillstand gebracht haben, um ein „Ja“ durchzusetzen. Auch der IWF sieht, dass der griechischen Ökonomie damit in zwei Wochen schwerer Schaden zugefügt worden ist. So etwas hat keine Zentralbank zuvor getan. Eine Zentralbank ist ein Garant in letzter Instanz. Und nicht dafür da, vorsätzlich eine finanzielle Krise zu verursachen. 14 Jul 2015 ## AUTOREN (DIR) Dorothea Hahn ## TAGS (DIR) Griechenland (DIR) USA (DIR) Schuldenkrise (DIR) Eurokrise (DIR) Eurogruppe (DIR) Barack Obama (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland (DIR) Griechenland (DIR) Forsa (DIR) Griechenland (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland (DIR) Griechenland-Hilfe (DIR) Griechenland (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland (DIR) Griechenland ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Obamas Besuch in Griechenland: Ein Lob für Perikles Mit einem Plädoyer für Demokratie verabschiedet sich US-Präsident Obama. Viele Griechen hoffen, dass er nicht ganz aus der Politik verschwindet. (DIR) Neues Spiel „Athletics 2: Summer Sports“: Pavlos Tsakos rettet Griechenland Nun will die EU Griechenland „wettbewerbsfähig machen“. Das Sportspiel „Athletics 2“ eignet sich, um die Fitness der Griechen zu testen. 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